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Romantik modern

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Betancor: Kein Island
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Betancor: Kein Island – Brokensilence 02568

Als „polytonalen Kammerpop“ bezeichnet die Sängerin und Multiinstrumentalistin Susanne Betancor die Art von Musik, die sie uns auf der fünften CD ihrer Karriere präsentiert. Die Berlinerin war jahrelang unter der Berufsbezeichnung „Popette“ in der Kleinkunstszene unterwegs, ist aber davon jetzt etwas gelangweilt, außerdem davon genervt, dass dieser „Name“ immer wieder verfranzösisiert ausgesprochen werde – wo sie doch Halbspanierin mit Wurzeln auf den Kanaren sei. 

Die „praktizierende Topografin des irdischen Alltags“ tourt also jetzt als Betancor mit brandneuen Kompositionen durch die Lande. Auf der CD versammelt sind zwölf ur- und tragikomische vertonte Geschichten und Gedichte aus dem täglichen Leben. Herrlich „desolat“ das gleich benannte Abendstück, in dem die erzählende Sängerin den Mond anheult und dabei trinkend und sinnierend immer ein Stückchen weiter unter den Tisch fällt: „Der Mond steht heut als Sichel, am Himmel hängt er rum. Ich sitz am Tisch und pichel …“

Als neoromantisch könnte man ihre Balladen und Chansons auch bezeichnen – Romantik modern und pur, aber schräg und ganz und gar unsentimental. Tröstlich auch – irgendwie… All diese Widersprüche vereinen sich in ihrer ganz eigenen Wortkunst scheinbar mühelos. Musikalisch geht es wild durcheinander und quer aller musikalischen Stile und Genres, schräge Posaunen- und Saxophontöne (Tobias Delius und Matthias Müller) verzieren manches mal den Klavier- und Besenteppich. Paradebeispiel ist das Eingangsstück, der Klavier-Solo-Blues „Mitten durch“: „Die Welt sieht aus wie frisch gewaschen, wer sich gut gesonnen ist, geht raus…“ Mit der Zeit nimmt das Ganze Fahrt auf, ihre Mitmusiker Dirk Berger (git), Joe Bauer und Daniel Schröteler (perc), Matthias Leupold (vio) stimmen ein und heraus kommt eine Art von absurder großstädtischer Betonromantik. Sätze wie „Ich wär so gerne wieder da, wo ich her käme“ amüsieren einerseits, versetzen einen aber auch in melancholische Höhen voller Gedankenfallen. Bei so viel Witz und Kleinkunst wartet man doch gerne wieder auf die nächste Platte, mag’s auch wieder fünf Jahre dauern, bis es was wird… und bis dahin – nicht vergessen „öfter mal vom Boden essen …“

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