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Gigaton. Pearl Jam.
Gigaton. Pearl Jam.
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Tonträger-Bilanz 2020 von Sven Ferchow

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Der persönliche Jahresrückblick der nmz-Phonokritiker
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Die schönsten Reize des Alten und des Neuen – Unprätentiös, genügsam. Das neue Jahrzehnt wird ohne die großen Namen des alten Jahrzehnts nicht klarkommen.

Green Day setzten zu Beginn des Jahres, als vieles noch in Ordnung schien, ein Ausrufezeichen. „Father of All…“ (Reprise) zeigt einmal mehr, liebe Nachwuchsbands, dass es nicht reicht, den Verstärker im Refrain aufzudrehen und in der Strophe die Gitarrensaiten mit dem Handballen abzudämpfen. Nein. Rocksongs, mit allen ihren Wurzeln, muss man schreiben können. Dann werden Songs zu Hymnen. Und Alben zu Legenden.

Mit einem Grollen und der dumpfen Ahnung, dass die Welt nicht mehr die gleiche ist, präsentierten Pearl Jam nach sieben Jahren Pause ihr Album „Gigaton“ (Monkeywrench). Ähnlich wie die Vorgänger ist „Gigaton“ nicht mehr DAS Grunge-Album DER Grunge-Dinos. So einfach liegen die Dinge nicht (mehr). Pearl Jam haben dennoch, ob gewollt oder ungewollt, eine atmosphärische Zeitreise geschafft. Denn „Gigaton“ passt ebenso ins Jahr 2020 wie ins Jahr 1990. Als Grunge begann. Das Ringen um diese Platte, die Kämpfe, die ausgefochten wurden, sind jedem Song anzuhören. Darin liegt das Zauberhafte, das man sich nicht hinkomponieren kann. Es steckt schlicht in der Band.

Brendan Benson, ein begabter Songwriter, weiß, wie man Zuhörer warten lässt. Ab und an kommt ein Album um die Ecke, eines schöner als das andere. „Dear Life“ (Third Man Records) entspricht jenem Alleskleber, den man im Baumarkt gerne sucht. Relaxte Songs, dazu Beats, die in maßloser Leichtigkeit schweben. Musikalisch verhaften kann man ihn zwischen Pop, Rock, Indie, Garage. Alle Ehre diesem Brendan Benson.

Ja, leider gehört zu den Empfehlungen des Jahres auch Taylor Swift mit ihrer Platte „Folklore“ (Republic). Leider, weil diese Art der Popmusik mit ihrem kommerziellen Design generell an anderen Stellen gelobt werden sollten. Doch „Folklore“ darf neben den großen Alben stehen. Weil die Songs mit einem eindeutigen Statement, die Popmusik außen vorzulassen, verfasst wurden. Taylor Swift kuschelt sich in unendlicher Traurigkeit und verzichtet auf üppige Zuckerwatte als Glasur. Muss man honorieren.

Einen Rückblick auf ihr Musikerinnenleben gestattet uns Suzanne Vega mit „An Evening of New York Songs and Stories“ (Amanuensis). Was für eine großartige Künstlerin, die da so unprätentiös und genügsam ihre Songs spielt und sich als eine der wenigen Künstler*innen nicht so wichtig nimmt.

Die Kinder des Grunge haben ihr viel zu verdanken. Bruce Springsteen & The E-Street Band haben sich wieder einmal versammelt und in vier Tagen „Letter to you“ (Columbia) eingespielt. Es ist kein Album, das man nach dem ersten Hören bejubeln mag. Es dauert lange, bis einem die Früchte dieser Arbeit vor die Füße fallen. Erst dann erkennt man den Kern der Songs. Und einen Springsteen, der sich Gott sei Dank nicht verändert hat und das neue Jahrzehnt kundtut.

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