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Umfassende Leidenschaft für die (neue) Musik

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Der Fagottist Wolfgang Rüdiger im Porträt
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Wolfgang Rüdiger, Jahrgang 1957, ist leidenschaftlicher Fagottist, Musikpädagoge und Musikwissenschaftler. Hauptberuflich arbeitet er seit 2001 als Professor für Musikpädagogik / künstlerisch-pädagogische Ausbildung an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf (RSH). Ansonsten lebt er die Musik in seinen zahlreichen konzertanten Auftritten, vor allem mit dem Ensemble Aventure, das er 1986 mitbegründete.

Lernt man Wolfgang Rüdiger kennen, so fällt einem direkt seine absolute Offenheit in der Liebe zur Musik wie auch zu seinen Mitmenschen auf. Eine Begegnung findet auf Augenhöhe und mit gegenseitigem Respekt statt. „Bitte lassen Sie den Professor weg. Wir sind doch alle nur Menschen“, seine beinahe ersten Worte. Dabei darf er auf ein umfassendes Wissen blicken, das er sich im Studium und Berufsleben angeeignet hat. Nicht nur Schulmusik mit den Hauptfächern Klavier und Fagott in Essen begeisterte ihn. Auch Komposition, Philosophie und Pädagogik standen auf seinem Studienplan. Später in Freiburg ein Aufbaustudium Fagott und ein Promotionsstudium in Musikwissenschaft. Das breit gefächerte Spektrum merkt man. Ihm gelingt es wie selbstverständlich und leichtfüßig, Verbindungen zwischen den einzelnen Disziplinen zu ziehen, Entwicklungen auch geschichtlich und philosophisch nachzuzeichnen und so zu umfassenden Einsichten zu kommen und diese leicht verständlich weiterzugeben.

Eine seiner Leidenschaften gilt der Neuen Musik und deren tieferer Verankerung im Bewusstsein junger Musiker/-innen. Auch hier verhilft ihm seine eigene Begeisterung, die Inhalte plausibel und verständlich zu transportieren, so dass seine Freude überschwappt auf die Rezipienten.

Des Weiteren ist Wolfgang Rüdiger politisch engagiert. Geradezu unerlässlich sind für ihn das multikulturelle Miteinander in der Musik, das miteinander und voneinander Lernen, der soziale Umgang im gemeinsamen Tun. Es ist ihm gerade auch bei seinen Studierenden ein Anliegen, dies immer wieder bewusst zu machen. Immerhin sitzen in seinem derzeitigen Zweitsemester Studierende aus Ländern wie China, Georgien, England, Spanien und Deutschland. Wie befruchtend diese unterschiedlichen Einflüsse sind, konnte dort nicht zuletzt in Music-Slams erlebt werden.

neue musikzeitung: Herr Rüdiger, Sie musizieren seit Ihrem fünften Lebensjahr. Was ist ihre erste Erinnerung an Musik?

Wolfgang Rüdiger: Zunächst waren da sicher Kinderlieder und „Hoppe-Hoppe-Reiter“-Spielchen zu Hause, dann Volkslieder und Folkloretänze an der Musikschule. Bald lernte ich das Klavierspielen. Meine erste Langspielplatte war das dritte Klavierkonzert von Beethoven in c-moll. Zur Konfirmation bekam ich ein Tonbandgerät und zeichnete alles Klassische – auch Opern – damit auf.

nmz: Was bedeutet die Musik heute für Sie? Können Sie sich ein Leben ohne Musik vorstellen?
Rüdiger: Nicht im Mindesten. Die Musik bietet ein so großes Spektrum – vom Barock bis hin zur Gegenwart. Das möchte ich leidenschaftlich gerne weitergeben. Außerdem gibt es immer wieder musikalische Schlüssel-Erlebnisse. Da spiele ich vielleicht ein besonderes Konzert und plötzlich ist dieser Moment da, da denkt man: „Genau dafür mache ich das!“ Es kann aus der Emotionalität entstehen oder durch die Freude darüber, dass etwas besonders gut gelingt. Also im Endeffekt dadurch, wenn Emotionen an die Musik gekoppelt sind.

nmz: Blickt man auf Ihren Terminkalender, so sieht man kaum freie Stellen. Sie unterrichten, lehren, konzertieren, sind an CD-Produktionen beteiligt, arbeiten für die Zeitschrift „Üben & Musizieren“, für die Sie regelmäßig Artikel schreiben, veröffentlichen, engagieren sich politisch, … habe ich etwas vergessen?

Rüdiger: Natürlich sind auch Freiräume ganz wichtig, die Familie, sportliche Aktivitäten und der Austausch mit Kollegen. Für mich bildet das alles aber eine Einheit. Es stellt sich nicht die Frage nach einer Work-Life-Balance. Bei mir geht alles ineinander über. Auch in der Freizeit beschäftige ich mich mit Musik und Literatur, und meine Arbeit ist meist das reinste Vergnügen, sodass ich sie oft gar nicht als Arbeit empfinde. Ich lebe Musik – das Leben IST Musik.

nmz: Was hält Sie in ihrer Begeisterung? Was erfüllt Sie besonders?

Rüdiger: Zum Beispiel wenn ein Seminar gut gelingt oder wenn ein schönes Programm entsteht, in dem sich verschiedene Künste zu einem Gesamtwerk verbinden, das Menschen berührt und ihr Leben verändert. Das hat fast etwas Heiliges. Ich mag es auch sehr, Fagott zu unterrichten, die eigene Begeisterung zu übertragen auf den Schüler. Im Sinne von „Wer selbst brennt, kann andere entzünden“.

nmz: Was geben Sie Ihren Studierenden unbedingt mit auf den Weg?

Rüdiger: Das ist sicher, dass Musik eine zentrale Rolle im Leben spielt. Sie hat eine zentrale Bedeutung für das Leben jedes Einzelnen innerhalb der Gesellschaft. Es ist wichtig, dass jeder sein eigenes Profil entwickelt, sich selbst findet, vielfältige musikalische Erfahrungen sammelt und auf seine Weise weitergibt. Musik ist eine körperliche, sinnlich-geistige, emotionale Kunst und eine zutiefst soziale Praxis.

nmz: Seit einigen Jahren sind Sie auch Mitglied im DTKV. Wie engagieren Sie sich hier?

Rüdiger: Ich war maßgeblich an der Planung des DTKV-Kongresses in 2018 beteiligt. Das war eine ganze Menge Arbeit – aber sehr lohnend. Es brauchte fast ein Jahr Vorbereitungszeit, um zusammen mit wunderbaren Kollegen, vor allem Günter Schultz, die Vorträge, Aufführungen, Workshops etcetera zu planen.

nmz: Zum vergangenen DTKV-Kongress im Jahr 2018 soll ein Buch herausgebracht werden. Das Thema war damals: „Lust auf Neues“ – Neue Musik. Was können Sie den Leser/-innen dazu sagen?

Rüdiger: Das wird ein schönes Buch. Wir fassen die großen Themen des Kongresses zusammen und wollen sie so formulieren, dass sie leicht verständlich sind. Es geht ja um Neue Musik, John Cage und Dieter Schnebel zum Beispiel, und um Ansatzpunkte, diese mit Freude zu vermitteln. Ohne den Verband würde es hier nicht gehen. Der DTKV setzt sich mit einem Druckkostenzuschuss ein, ebenso die RSH. Das macht solche Veröffentlichungen erst möglich, muss man sagen.

nmz: Verbände sehen die unbedingte Notwendigkeit, die Musik in die Politik zu bringen. Sei es im Bildungssektor überhaupt, sei es bei der Verankerung von festgesetzten Mindestlöhnen und Versicherungen – Stichwort: Honorarverträge. Was sind für Sie wichtige Punkte bezüglich Ihres politischen Engagements?

Rüdiger: Immer noch ist es offenbar wichtig, die Politik zunächst überhaupt für Musik zu interessieren, die unbedingte Bedeutung für die persönliche und gesellschaftliche Entwicklung deutlich zu machen. Es sollte klar werden, dass Musik keine Subvention braucht, sondern eine Inves­tition in die Seele der Gesellschaft ist und damit unerlässlich. Der Staat sollte sich mehr um seine Künstler und Künstler-Pädagogen kümmern. Grundvoraussetzung ist eine gerechte Vergütung der Arbeit von Künstlern und hier eben auch von Musiklehrenden. Es muss mehr Festanstellungsverträge geben, keine Honorarvergütungen. Und der Musikunterricht an staatlichen Schulen muss viel mehr gestärkt werden, denn er ist genauso wichtig wie andere Fächer.
Politisch bin ich in der SPD aktiv. Dort besonders im Arbeitskreis Kultur. Ich sehe Kulturpolitik erst einmal als Kultur des Umgangs miteinander – das trifft natürlich auch auf die Musik zu. Meine Studierenden weise ich immer auf die Bedeutung des Miteinanders und die grundsätzliche Achtung des Anderen, Fremden hin. Wie wunderbar, sogenannte „Dritte Räume“ zu schaffen – in, mit und durch Nutzung der vielfältigen Ressourcen verschiedener Musikkulturen.

nmz: Herr Rüdiger, ich bedanke mich sehr für dieses Interview.

Die Fragen stellte Cordula Schlößer-Braun.

 

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