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Weichet nur, betrübte Schatten

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Eindrücke von der 32. Lüneburger Bachwoche unter besonderen Bedingungen
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Lüneburg. Höchst erfolgreich konnte der allen Veranstaltungen drohende Corona-Schatten zurückgedrängt werden. Gutes Management, viel Einsatz aller Beteiligten und große Spielfreude machten zehn wunderbare Veranstaltungen in der Zeit vom 24. September bis zum 1. Oktober 2020 rund um das Schaffen J. S. Bachs möglich.

Der zwei Jahre in Lüneburg lebende junge Bach sang im Michaeliskloster, orgelte in St. Johannis und vertrieb sich die Schatten seiner Zeit mit Tanzstunden in der Ritterakademie. Anlass genug für Claus Hartmann, mit der Lüneburger Bachwoche sein Lebenswerk zu würdigen. So schuf er 1978 zusammen mit seiner Frau Dorothea Hartmann mit den inzwischen zweijährig stattfindenden Bachwochen eine außerordentlich beliebte Konzertreihe, die aus Lüneburg nicht mehr wegzudenken ist.

Die Veranstaltungsorte (Fürstensaal des Rathauses, Klosterkirche Lüne, Forum der Musikschule und St. Johannis) sind Zeugnis für das gute Zusammenspiel der verschiedenen Institutionen Lüneburgs.

Auch dieses Jahr begann und endete die Woche mit Konzerten des Lüneburger Bachorchesters. Der Coronaschatten führte zwar zu reduzierten Besetzungen, doch so lernte das Publikum Beethovens 2. Klavierkonzert in der Streicherfassung von Vinzenz Lachner kennen. Die Solistin Miku Nishimoto-Neubert glänzte außerdem in Bachs d-Moll-Konzert BWV 1052 und wurde erst nach einer Klavierfassung des Chorals „Jesu bleibet meine Freude“ als Zugabe vom Publikum entlassen. Auch im Abschlusskonzert wurden Sopranistin Alexandra Samouilidou, Flötist Manfred Seer, Geigerin Leonie Hartmann und Oboist Thomas Rohde nur in kleiner Besetzung begleitet.

Bei Bachs h-Moll-Suite kam jedoch sofort Konzertstimmung auf. Mit Schwung legte der Flötist die charaktervollen Sätze aus und musste am Ende die berühmte Badinerie wiederholen. Auch Bachs Konzert d-Moll BWV 1060, von Violine und Oboe voller Spielfreude vorgetragen, rief große Begeisterung hervor. Die folgende Arie der Zanaida (J.Chr.Bach) glänzte mit warmem Timbre, großem Volumen (Sopran) und einfühlsamer Begleitung des Streichsextetts. Die Bachkantate für Sopran „Weichet nur, betrübte Schatten“ vertrieb  mit intensivem und in allen Nuancen strahlendem Gesang wahrhaft alle restlichen Schatten.

Als feste Bestandteile der Bachwoche haben sich das Konzert der Bundespreisträger „Jugend musiziert“ sowie ein Ballettabend etabliert. Besonderes Erstaunen riefen die jungen Preisträger hervor. Cellist Richard Verna faszinierte die Zuhörer mit Bachs Solosuite D-Dur und dem 1. Satz der Solosonate von Kodaly, mühelos die technischen Finessen meisternd. Geigerin Klara Bonietzki überzeugte mit ihrem auswendig auf höchstem Niveau dargebotenen Programm: Siciliana und Presto aus Bachs Solosonate g-Moll, Debussys Sonate g-Moll und Wieniawskis Polonaise brilliante, begleitet von Jason Ponce. Brahms’ Klarinettensonate f-Moll folgte mit hauchzarten Klarinettentönen in kammermusikalischem Einklang mit dem Klavier (Henry Petersen und Julia Stephan). Im Ballettabend richtete das Metamorphosen Ensemble (Choreographie: Kris­tina Borbelyova) den Fokus auf  die Zeitlosigkeit von Bachs Musik. Es kombinierte Solosonaten, Kunst der Fuge, Inventionen und „Air“ mit Werken von Schulhoff, Ysaye und Halvorsen zu einem ungewöhnlich reichhaltigen Programm, in dem Klänge und Bewegung miteinander verschmolzen.

Anna Göbel (Violine) und Sebastian Escobar (Cello) meisterten neben ihren anspruchsvollen Instrumentalparts gestalterische Elemente, während Sara Ezzell und Joel Paulin (Tanz) ihrerseits die Musik verbildlichten. Die lebendige und unkonventionelle Art, sich Bachs Werken aus der Bewegung zu nähern, machte den besonderen Reiz des Abends aus.

Es folgten drei Solistenkonzerte: Zunächst Tobias Feldmann, den Claus Hartmann 2012 beim Joseph-Joa­chim-Violinwettbewerb hörte und sofort nach Lüneburg einlud, wo er mit dem Lüneburger Bachorchester mehrfach konzertierte. Er spielte dieses Jahr in der Klosterkirche Lüne in zwei aufeinander folgenden Konzerten nach Bachs Partita h-Moll und Sonate C-Dur die Partiten E-Dur und d-Moll. In allen Werken begeisterte die analytische Klarheit seiner Interpretation, der weite Atem sowie der berückend schöne Klang. Kraftvoll und hochvirtuos gelang als Zugabe Schuberts „Erlkönig“ in der Fassung für Solovioline von Heinrich Wilhelm Ernst. Auch Aurel Dawidiuk, bereits 2016 beim Preisträgerkonzert am Klavier brillierend, übernahm dieses Jahr einen Soloabend und brachte gleich zu Beginn mit seiner Ausarbeitung der von Bach unvollendeten Fantasie und Fuge BWV 906 seine genialen Fähigkeiten zu Gehör. Neben Schuberts Moments musicaux , Beethovens Andante favori und seiner Fantasie op.77 zeigte er in Liszts Fantasie und Fuge über BACH seine großartige Virtuosität, die das Publikum zu Beifallsstürmen hinriss.

Lars Schwarze, Preisträger mehrerer internationaler Orgelwettbewerbe, hatte ein abwechslungsreiches Programm aus Bachs früher Zeit in Arnstadt und Weimar zusammengestellt. Auf ein größeres Werk folgte jeweils ein Orgelchoral, wobei er besonders in den Chorälen die vielseitigen Registriermöglichkeiten der St. Johannis-Orgel zur Geltung brachte. Beeindruckend war aber auch der volle Klang der Orgel in den größeren Werken wie der d-Moll-Toccata. Die D-Dur-Fuge wurde in atemberaubendem Tempo vorgetragen: ein krönender Abschluss!

Zu den Orchesterkonzerten wurden öffentliche Generalproben angeboten, um dem auf begrenzte Plätze reduzierten Publikum Alternativen anzubieten. Dies wurde freudig genutzt, so dass auch diesbezügliche Schatten weichen konnten. Dank den Unterstützern der Lüneburger Bachwoche ( „Freunde der Lüneburger Bachwoche e.V.“, Lüneburgischer Landschaftsverband, Sparkassenstiftung, Musikschule und Fachbereich Kultur der Hansestadt Lüneburg) und dem unermüdlichen Einsatz Leonie Hartmanns konnte die 32. Bachwoche ausklingen mit den frohen Worten: Sehet in Zufriedenheit – Tausend helle Wohlfahrtstage – Dass bald in der Folgezeit – Eure Liebe Blüten trage.

 

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