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Zeitgenössische Musik form- und klangvollendet

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Potsdamer Soiree mit dem Berliner Frauen-Vokalensemble
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Die künstlerische Leiterin der musikalisch-literarischen Soireen Marianne Böttcher steht in ihren Potsdamer Soireen stets für das programminhaltlich Besondere. Im April holte sie ein wegen Krankheit ausgefallenes Konzert vom März mit dem Berliner Frauen- Vokalensemble in das ehemalige „Alte Rathaus“(heute Potsdam-Museum).

Acht Damen in reiner Doppelquartett-Zusammensetzung unter der Leitung von Lothar Knappe musizierten, – am Klavier von Liana Narubina begleitet – Werke von Franz Schubert bis zum beliebten zeitgenössischen Brandenburger Gisbert Näther. Eine Musikspanne von knapp 200 Jahren mit ganz eindeutigem Schwerpunkt auf das 20. Jahrhundert deckte dieser Konzertnachmittag ab.

Schuberts „Coronach“-Totengesang der Frauen und Mädchen sowie Schumanns drei Sätze aus „Romanzen für Frauenstimmen“ waren Beiträge aus der beginnenden Blüte der reinen Frauen- und Männerchöre im 19. Jahrhundert. Sauber gesetzte Vierstimmigkeit in Strophenform, variiert oder durchkomponiert, war da zu hören. Die acht Damen sangen emotional  tiefgründig und sehr sauber in der Artikulation.

Das betraf Sprache und die Musik gleichermaßen. Gisbert Näthers Uraufführung „Drei Gesänge nach Gedichten von Fritz Ascher“ stand im direkten Museumskontext. Eine Ausstellung von expressionistischen Bildern des Berliner Künstlers Fritz Ascher (1893–1970) war dort aktuell zu sehen. Aus dem Fundus des vielseitig begabten Künstlers Ascher konnte sich Gisbert Näther einiger lyrischer Beiträge mit den Titeln „Krieg“, „Kein Leben ohne Tränen“ und  „Nachtbild“ bedienen, um für die Berliner Damen zeitgenössische Musik für ein Frauen- Doppelquartett zu schreiben. Eine so kongeniale Übereinstimmung von geschriebenem Wort und musikalischer Umsetzung kann nur einem Komponistentalent, wie es Näther darstellt, gelingen. Kompositionsmethoden der Dodekaphonie, der seriellen Technik bis zur Aleatorik werden bei ihm in den Dienst der Gesamtaussage gestellt und erzielen stets starke emotionale Wirkungen. Einfach eindrucksvoll. Eine dreisätzige Klaviersonate des wenig bekannten Gideon Klein (1919–1945) stand gleichberechtigt neben Leoš Janáceks „Die Wolfsspur“ oder Roderin Shchedrin‘s (geb. 1932) „Still ist die ukrainische Nacht“. In Sergej Prokoffieffs „Fünf Lieder nach Gedichten von Anna Akhmatowa“ konnte dem solistischen Potenzial im Berliner Frauen-Vokalensemble nachgelauscht werden. Yoon-Kyung Hennevogl, Estell Solem, Heike Scheel, Nikola Gericke (Sopran) oder dunkelbezaubernd Bettina Bruns mit dem Altsolo im Lied „Der grauäugige Prinz“ boten eine überzeugende Leistung ihrer Stimmen. Alexander ­Skrjabin gab der Pianistin die Möglichkeit, tiefsinniges Klavierspiel hören zu lassen. Im einzigen bekannteren Werk des Konzertes, dem „Poème für Klavier“ lotete Frau Narubina die mystische Klangwelt dieses großen Neuerers der Klaviermusik aus. Die abschließenden „Sechs Chöre op.15“ von Sergej Rachmaninoff führten in die romantische Tonsprache des Konzertbeginns zurück.

Ein anregender Konzertnachmittag, der sehr viel Unbekanntes enthielt, dabei jedoch die Konzentration beim Zuhören enorm beflügelte.

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