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Stefan Piendl ist „überzeugt, es gemeinsam schaffen zu können“. Foto: Heike Fischer

Stefan Piendl ist „überzeugt, es gemeinsam schaffen zu können“. Foto: Heike Fischer

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Jugend musiziert in ruhiges Fahrwasser steuern

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Offener Brief von DMR gGmbH Geschäftsführer Stefan Piendl an den Projektbeirat Jugend musiziert
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Die jüngsten Veränderungen bei Jugend musiziert und der Umgang damit werden seit Wochen öffentlich diskutiert. Am 19. Mai hat sich Stefan Piendl, Geschäftsführer der Deutschen Musikrat gGmbH, in einem offenen Brief an die Mitglieder des Projektbeirats Jugend musiziert gewandt. Nach Piendl geht es jetzt darum, die Wogen zu glätten und gemeinsam neue Lösungswege zu erarbeiten. Folgend ist der Brief abgedruckt.

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Liebe Mitglieder des Projektbeirats Jugend musiziert,

in zwei Wochen beginnt der diesjährige Bundeswettbewerb Jugend musiziert in Wuppertal. Davor findet die nächste Sitzung des Projektbeirats am 26. Mai und die konstituierende Sitzung der neuen Bund-Länderkonferenz (= Länderkonferenz und Projektbeirat des DMR) am 28. Mai statt. Nach dem Wettbewerb stehen die Evaluierung und die Ausschreibung für 2026 an. Es liegen also ereignisreiche Wochen vor uns – und im Hinblick darauf wende ich mich heute an Sie als Mitglied des wichtigen und dem Bundeswettbewerb am engsten verbundenen ehrenamtlichen Beratungsgremiums.

Niemand hat Freude an einer Obergrenze für die Anzahl der Wertungen im Rahmen des Bundeswettbewerbs und den damit verbundenen Kontingenten für die Landeswettbewerbe. Beides künftig unnötig zu machen, sollte unser gemeinsames Ziel sein. Auch wenn es bei anderen Wettbewerben – insbesondere für ein Finale – eine Selbstverständlichkeit ist, dass daran nur eine bestimmte Anzahl von Personen teilnehmen kann, begrüßt der Deutsche Musikrat als Träger des Bundeswettbewerbs, wenn wir eine andere zuverlässige Alternative finden.

„Niemand hat Freude an einer Obergrenze“

Eine Obergrenze und die Kontingente wurden für 2025 deshalb erforderlich, weil es nach den außer Kontrolle geratenen Bundeswettbewerben 2018 in Lübeck (mit 1.739 Wertungen) und 2019 in Halle (mit 1.713 Wertungen) zwar keineswegs an Vorschlägen für Reformschritte und ausführlichen Diskussionen darüber mangelte, sehr wohl aber an mehrheitsfähigen Beschlüssen zu deren Realisierung. So gingen – auch wegen anderer Herausforderungen während der Corona-Pandemie – fünf, sechs Jahre ins Land, in denen es nicht gelungen ist, sich auf allen drei Ebenen auf verbindliche Maßnahmen in ausreichendem Umfang zu verständigen, diese im Konsens zu beschließen und konsequent umzusetzen.

Als Folge hatten jene darunter zu leiden, für die wir die Verantwortung tragen: die jungen Musiker:innen, die bei den Bundeswettbewerben der letzten Jahre – insbesondere 2024 in Lübeck – als Teilnehmende eben nicht mehr alle und nicht mehr in jeder Hinsicht gute, gleiche und faire Rahmenbedingungen vorfanden.

Wenn es nun darum geht, mit dem Blick nach vorn die Weichen für eine gute Zukunft von Jugend musiziert zu stellen, sind die Erfolgsaussichten am besten, wenn Folgendes im Fokus steht: Wie wollen wir Jugend musiziert künftig auf Landes- und Bundesebene schon im Vorfeld so konzipieren, dass eine Obergrenze und die damit verbundenen Kontingente gar nicht erst zum Tragen kommen müssen?

Aufgabe der Länderkonferenz

Die neue Länderkonferenz unter dem Vorsitz von Wolfgang Graef hat nun die Freiheit und Souveränität, die Landeswettbewerbe so zu gestalten, wie es die Länder selbst für richtig halten. Und in der neuen Bund-Länderkonferenz können Sie als Beiratsmitglieder des Bundeswettbewerbs gemeinsam mit der Landesebene jetzt Wesentliches bewirken. Sie können die Regularien und die Ausschreibung künftig derart gestalten, dass der Bundeswettbewerb in seinen Größenordnungen so ausfällt, dass es ein attraktiver und motivierender Wettbewerb mit fairen Rahmenbedingungen für die Teilnehmenden ist und für den Deutschen Musikrat als Träger organisatorisch, logistisch und finanziell beherrschbar bleibt.

Ein weiterer Aspekt ist dabei essenziell: Niemand käme auf die Idee, in einem Zug auf den Einbau einer Notbremse mit dem Argument zu verzichten, dass man diese ja wahrscheinlich sowieso nie bräuchte. Die Zustimmung des Aufsichtsrates der DMR gGmbH und des Präsidiums des Gesellschafters DMR e.V. zur künftigen Konzeption des Bundeswettbewerbs scheint mir dann am wahrscheinlichsten, wenn beide Punkte gegeben sind: eine Reform, die eine Obergrenze und Kontingente überflüssig macht, gleichzeitig aber die Option einer wirksamen „Notbremse“ beinhaltet. Diese muss im Falle von unvorhersehbaren Entwicklungen (zum Beispiel dem unerwarteten Wegbrechen von Fördermitteln in signifikanter Höhe) zuverlässig sicherstellen, dass der Bundeswettbewerb dennoch ohne „faule Kompromisse“ hinsichtlich der elementaren Rahmenbedingungen für die teilnehmenden Musiker:innen sowie mit den verfügbaren Ressourcen gut durchführbar bleibt.

Nach dem Umzug aus München und der Integration des neuen Jugend musiziert-Teams in Bonn sowie der Etablierung von Jugend musiziert online für alle drei Wettbewerbsebenen überprüfen wir nun unter der neuen Leitung von Irene Schwalb für den Bundeswettbewerb erneut auch die interne Organisation und die Abläufe. Dies geschieht auch mit dem Ziel, einerseits noch effizienter und effektiver zu werden und andererseits unsere Handlungsoptionen im Sinne der Ziele von Jugend musiziert zu erweitern.

Herausforderungen und Unsicherheiten

Gleichzeitig müssen wir bitte alle im Auge behalten, dass auch 2026 mit einer besonderen Konstellation verbunden ist: Der erstmals nicht nur auf zwei Städte, sondern auch auf zwei Zeiträume verteilte Bundeswettbewerb ist eine besondere Herausforderung, der wir organisatorisch gerecht werden müssen. Für die jeweiligen Finanzierungsbeiträge des Landes Bayern und der beiden Gastgeberstädte München und Regensburg sieht es derzeit zwar gut aus, formell gesichert sind diese jedoch noch nicht.

Im Hinblick auf die nächste Beiratssitzung sowie die konstituierende Sitzung der Bund-Länder- Konferenz bitte ich Sie gleichermaßen herzlich wie eindringlich, die hier angesprochenen Aspekte zu berücksichtigen. Wenn wir die Obergrenze und die Kontingente künftig vermeiden wollen, müssen in den nächsten Wochen einvernehmlich verbindliche Entscheidungen getroffen werden, dass man diese nicht mehr braucht, weil es für den Notfall ein anderes, besseres und verlässliches System der Absicherung für den Bundeswettbewerb gibt.

Die Gestaltungsmöglichkeiten in Form überzeugender Vorschläge liegen jetzt unter dem Vorsitz von Professor Ulrich Rademacher in Ihren Händen als Beiratsmitglieder der Bundesebene im konstruktiven Zusammenwirken mit der Länderkonferenz.

Danach bedarf es eines mehrheitsfähigen Konsenses und verbindlicher Entscheidungen für wirksame Veränderungen sowie deren konsequenter Umsetzung in den Wettbewerben auf allen drei Ebenen, die von 191 voneinander unabhängigen Trägern durchgeführt werden.

Gemeinsam Lösungen erarbeiten und umsetzen

Auch deshalb ist dieser Brief keineswegs vertraulich, sondern soll vielmehr bitte an die Mitglieder der Konferenz der Landesmusikräte, die Jugend musiziert-Landesausschüsse, die Vertreter der deutschen Schulen im Ausland, die Regionalwettbewerbe und gerne auch die Mitglieder des ehemaligen erweiterten Projektbeirats weitergeleitet werden – vielen Dank dafür. Mit dem Präsidium des DMR e.V. und dem Aufsichtsrat der DMR gGmbH sind auch die verantwortlichen Gremien des Trägers des Bundeswettbewerbs in CC gesetzt.

Seien Sie als Mitglied unseres Projektbeirats versichert, dass die Kolleg:innen in Bonn und ich gerne mit Ihnen konstruktiv an neuen Lösungen und deren Umsetzung arbeiten werden. Dann bin ich überzeugt, dass wir es auch gemeinsam schaffen können und werden, Jugend musiziert wieder in ruhigeres Fahrwasser zu steuern. In den Diensten derer, für die wir uns alle engagieren: die jungen Menschen, die durch Jugend musiziert zusätzliche Motivation und neue Inspiration erleben.

Vielen Dank und beste Grüße,
Stefan Piendl

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