Es war einmal ein kleiner Verleger, der lebte in einem Haus im großen Notenwald. Jeden Morgen ging der arme Mann in den Wald, um Noten zu ernten, aber ach: Die Bäume waren immer so voller Noten, dass der kleine Verleger überhaupt nicht alle tragen konnte. Und nachdem er mühsam die wenigen Noten, die er bewältigen konnte, auf seinem Buckel nach Hause getragen hatte, waren schon am nächsten Morgen die Äste wieder voller neuer Früchte. Aber die Noten, die er so mühselig erntete, wurden fröhlich von den bösen Kopierteufelchen in alle Welt verbreitet, so dass er noch nicht einmal den gebührenden Lohn für seine mühselige Arbeit bekam. Und so wurde der arme Mann immer ärmer und immer schwächer, und da es so war, konnte er auch immer weniger Noten ernten und verkaufen.
Es war einmal ein kleiner Verleger, der lebte in einem Haus im großen Notenwald. Jeden Morgen ging der arme Mann in den Wald, um Noten zu ernten, aber ach: Die Bäume waren immer so voller Noten, dass der kleine Verleger überhaupt nicht alle tragen konnte. Und nachdem er mühsam die wenigen Noten, die er bewältigen konnte, auf seinem Buckel nach Hause getragen hatte, waren schon am nächsten Morgen die Äste wieder voller neuer Früchte. Aber die Noten, die er so mühselig erntete, wurden fröhlich von den bösen Kopierteufelchen in alle Welt verbreitet, so dass er noch nicht einmal den gebührenden Lohn für seine mühselige Arbeit bekam. Und so wurde der arme Mann immer ärmer und immer schwächer, und da es so war, konnte er auch immer weniger Noten ernten und verkaufen.Und so ging es tagaus, tagein... So lange, bis all die kleinen Komponistenkinder von dieser doofen Geschichte die Schnauze voll hatten! Denn so oder ähnlich könnte man die Entschuldigungen zusammenfassen, die die jungen Komponisten von den großen Verlagen zu hören bekommen, wenn sie wieder einmal erfolglos vorstellig werden. Und dass sie abgelehnt werden, dass sie ihre musikalische Karriere ohne jede Hilfe eines Verlages gestalten, ist heute sicherlich mehr der Fall als jemals zuvor in der Geschichte der gedruckten und mechanisch verbreiteten Musik. Wogegen sich die gedruckte Belletristik und sogar das Gedicht in einer vor wenigen Jahren noch für unmöglich gehaltenen Renaissance sonnen, trotz oder vielleicht sogar wegen Computerspielen und Internet, dümpelt die „Sheet-Music“, die gedruckte, gehobene Musikliteratur für Kenner und Liebhaber, in einer scheinbar nicht enden wollenden Flaute dahin. Es wird niemandem entgangen sein, dass Musikverlage aller Orten die Pforten schließen, oder von Großen und anonymen Konzernen geschluckt werden – selten zur Freude der bisherigen Verlagsautoren. „Die Leute interessieren sich eben nicht mehr für zeitgenössische Musik“ lautet das Lamento. Das ist ein Mythos: Die Musikliebhaber sind nicht weniger geworden – eher sogar mehr, wenn man die Tendenz zur Freizeitgesellschaft mit berücksichtigt. Nur besteht eben die Abendunterhaltung von heute seltener aus dem eigenen Nachspielen des neuen Ligeti-Trios mit Tante Bertha, sondern eher aus dem Erleben und Erstellen von Musik mittels elektronischer Medien. Hierbei sind viele Hobbymusiker von heute sogar kreativer als die Biedermeier-Hausmusiker von gestern, die gerne als Sinnbild für eine „leider vergangene“ Epoche herhalten müssen. Denn der Computerfrickler, der sich zum Spaß seine eigenen Dance-Hits bastelt, muss nicht nur der dumpfe und abgestumpfte „User“ sein, zu dem man ihn gerne deklariert... Aber man darf auch nichts schönreden: Der Absatz des „neuen Ferneyhough“ ist garantiert nicht so reißend, wie es weiland der Verkauf des Klavierauszugs von „Tannhäuser“ war, der in Europa Verkaufszahlen erreichte, die heute in etwa mit einem Stephen-King-Roman vergleichbar wären.Bevor wir uns die „guten alten Zeiten“ wieder herbeiwünschen, dürfen wir aber nicht vergessen, dass die Kultur von heute (Gott sei Dank) wesentlich unelitärer und verbreiteter ist, als zu Wagners Zeiten. – Der Preis dafür ist eine gewisse Nivellierung (die aber auch eine interessante künstlerische Herausforderung ist). Wenn ich mir jede vorstellbare Musik auf verschiedenste Weise in mein Wohnzimmer holen kann, ist das fehlende Interesse an zum Beispiel einer unbefriedigenden Manifestation wie einem Klavierauszug verständlich – ich kann mir die neue Oper ja auch so anhören, wie sie dann wirklich klingt. In keiner Weise ist dies aber ein Anzeichen für den Niedergang der Kunst an sich (das ewig wiederkehrende und beständig widerwärtige Argument der Spießer zu allen Zeiten).
Wenn wir uns also darauf einigen können, dass immer Wichtiges und Interessantes produziert wird und werden wird (ganz im Sinne von Kurt Schwitters’ Bemerkung „Jede Zeit muss sich selbst erlösen, weil sie allein an sich leidet“), dann bleibt ja die Rolle des Verbreiters und Vermittlers, und das ist ja zum Beispiel die mögliche Rolle eines Musikverlages, weiterhin von extremer Wichtigkeit, unabhängig davon, wie sich das rein praktische Berufsbild entwickeln wird. Ich sage „möglich“, da diese Rolle von der Szene sicherlich noch nicht genügend erkannt wird. Stattdessen halten Komponisten wie Verleger sich mit dem künstlichen Aufrechterhalten eines missverstandenen Berufsethos auf: Da erwartet der Komponist die metikulöse Abschrift einer hingeschmierten und unleserlichen Partitur (da der „Handschrift“ in der Musik eine lächerlich mystische Aura zugeschrieben wird, die übertrieben scheint, wenn es doch einzig und allein um ein akustisches, nicht um ein visuelles Ergebnis geht). Und der Verlag wiederum erwartet sensationelle und vollkommen utopische Verkaufszahlen, die sich nie erfüllen können, die aber dem Komponisten ein beständiges Gefühl des Versagens und der Minderwertigkeit suggerieren, in der Hoffnung, ihn gewissermaßen „ruhig zu stellen“.
Es ginge anders, und meine Hoffnung ist, man möge es mit Geschick und Enthusiasmus endlich versuchen. Wir sollten nicht darüber reden, was nicht mehr möglich ist, sondern darüber, was gerade jetzt möglich ist. Nehmen wir den Notensatz: Wie neidisch wäre Beethoven gewesen, wenn er geahnt hätte, dass heute keine geplagten Gehilfen über dem extrem zeitaufwändigen und mühsamen Gewerbe des Notenstechens und Manuskriptlesens mehr ihr Augenlicht verschwenden, sondern jeder Komponist in der Lage ist, mit ein bisschen Können und gutem Willen, und vor allem mit Hilfe der gängigen und sich ständig verbessernden Notensatzprogramme wie „Sibelius“ oder „Finale“, ansehnliche und absolut professionelle Partituren herzustellen (und diese Entwicklung steckt noch in den Kinderschuhen!). Diese Noten in verwendbarer Form zu vervielfältigen wird auch immer leichter. Der Qualitätsunterschied zu einer „Verlagsausgabe“ ist dann ohnehin meist nur noch marginal, denn das Niveau des verlagseigenen Notendrucks ist oft nur unwesentlich (wenn überhaupt) besser als im freundlichen Kopierladen um die Ecke. Manche Musikverlage sind der Kopierladen um die Ecke (und schimpfen auf die, die wiederum ihre Druckerzeugnisse kopieren)...
Zukunftsvision
Wäre es nicht zum Beispiel eine mögliche Idee, dass Komponist und Lektor eines Verlages gemeinsam eine Datenbank betreuen, in der alle Werke dieses Komponisten in digitaler Form ständig verfügbar sind, ja auf die der Komponist sogar von zu Hause Zugriff hat, um Änderungen und Korrekturen direkt an seiner Musik vorzunehmen, anstatt mühsam über Korrekturfahnen zu brüten? Die Möglichkeiten des Internet-Downloads und des nebulösen „Print-on-Demand“ werden ja nur deswegen noch nicht befriedigend genutzt, weil die beständige Weiterentwicklung des Internets und des Druckwesens einer selbstverständlichen und unproblematisierten Verwendung noch im Wege stehen. Daher ist es auch noch zu früh, den Niedergang von in diese Richtung zielenden Initiativen wie „Net-4-music“ oder „Scorch“ zu prophezeien – eher sollte man schleunigst diese Initiativen adaptieren und vielleicht auch standardisieren. Denn die für notierte Musik benötigten Datenmengen sind inzwischen, bedenkt man die ständig wachsenden Speichermöglichkeiten, oder vergleicht man die Datenmenge zum Beispiel mit einem Videodownload, lächerlich gering.
In den nächsten Jahrzehnten ist eine zunehmende Digitalisierung von Daten aller Art zu erwarten. Heute lacht man noch über die Vorstellung von einem Orchestermusiker der Zukunft, der sich die Oboenstimme direkt vom Server des Komponisten auf sein Notenpult mit digitalem Papier herunterlädt, aber wie lange noch? Man ist kein verwirrter Fantast, wenn man mit der zunehmenden direkten Verfügbarkeit von Information überall und zu jeder Zeit rechnet, denn dies entspricht einem wachsenden Bedürfnis unserer Gesellschaft. Das muss aber keinesfalls heißen, dass plötzlich Hochkultur und Subtilität keinen Platz in unserem Leben haben, denn auch diese entsprechen einem Bedürfnis. Und auch die Verbreitung digitaler Information im Internet bedarf großer Kreativität und Sorgfalt, Attribute, die jeder zu schätzen lernt, der es als User jemals mit unübersichtlichen Website-Designs zu tun hatte. Auch die Kunstmusik sollte sich selbstverständlich möglichst virtuos dieser Medien bedienen – ein Kunststück, das gerade im Musikalienhandel noch nicht zufrieden stellend gelingt.
Sicher ist eines: Komponisten wie Verleger müssen ihre traditionelle Arbeitsteilung, ja ihr komplettes Berufsbild neu definieren, und das so schnell wie möglich, denn das Verfallsdatum der bisherigen Strukturen ist schon lange überschritten. Sich gegen diese Entwicklung zu stellen mag sympathisch sein – symptomatisch für die noch herrschende Situation ist es auf jeden Fall.
Was die Komponisten wollen, ist klar: Ruhm, wenigstens Nachruhm, Aufführungen, Erfolg. Was kann nun der Verlag den Komponisten bieten, wenn die traditionelle Rolle des Notenherstellers weder profitabel noch nötig ist wie früher? Die Antwort liegt sicherlich in dem meist so schwammigen Bereich des „Marketing“, der Vermittlung von Ideen, die nicht selten auch die Identifikation mit einem Image brauchen, der Person eines Komponisten zum Beispiel. Sind denn nicht auch die so genannten Klassiker sehr „Image“-behaftet? Der „zornige“ Beethoven? Der „kindische“ Mozart? Man mag darüber denken wie man will – Tatsache ist, dass das größte Problem der öffentlichen Wahrnehmung von Neuer Musik nicht unbedingt die Musik selber, sondern deren fehlendes Image beim Publikum ist. Dass diese Wahrnehmung von der intellektuell unerträglich verquasten und geradezu masturbatorischen Selbstdarstellung eines Großteils der Neuen-Musik-Szene mitgeprägt wurde, ist ein eigenes, aber hier sicherlich mit hineinspielendes Thema.
Kein Zaudern und kein Zagen
Im Grunde kann man sagen, dass jedes Image besser wäre als das der Neuen Musik, selbst ein schlechtes, denn das wäre wenigstens noch kontrovers. Ein solches neues Image zu vermitteln, wäre eine mögliche, ja sogar eine spannende und befriedigende Aufgabe für einen Verlag (wenn es denn gelänge), und man kann mit einiger Sicherheit sagen, dass dies auch noch nie wirklich versucht wurde. Selbstvermarktung ist ein Parkett, auf dem sich die meisten Künstler verständlicherweise schwer tun. Der Verlag dagegen muss sich für die Vermarktung seiner Autoren nicht schämen, dafür darf und soll er auch an deren Erfolg mitverdienen. Wenn sich aber Komponisten und Verlage gänzlich den neuen Medien verschließen, können sie auch nicht erwarten, von diesen Medien zu profitieren.
Also Schluss mit dem Zaudern und Zagen – fragen wir doch wirklich einmal: „What’s new“? Und was muss man daher anders machen?
Taktlos - das musikmagazin des Bayerischen Rundfunks und der nmz
http://www.nmz.de/taktlos/index.shtml