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Der Preisträger in Residence Alexej Gerassimez. Foto: Nikolaj Lund
Der Preisträger in Residence Alexej Gerassimez. Foto: Nikolaj Lund
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Kellerkind mit Schlag - Alexej Gerassimez prägt Klassik-Festspiele MV

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Schwerin - Die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern gehören mit rund 80 000 Gästen zu den publikumsträchtigsten Klassik-Reihen in Deutschland. Doch es sind nicht allein Solisten und Orchester von Weltrang, die den Reiz der Festspiele im Nordosten ausmachen.

Wenn Alexej Gerassimez von seinen ersten musikalischen Erkundungen in früher Kindheit erzählt, landet er schnell im Keller. Während die oberen Etagen im Essener Wohnhaus seiner überaus musikalischen Familie den Geige, Trompete, Cello und Klavier spielenden Eltern und Brüdern vorbehalten waren, blieb ihm meist nur der Rückzug in die Tiefe - des natürlichen Schallschutzes in den unterirdischen Räumen wegen. «Mich hat schon als Dreijähriger total fasziniert, welche Töne man so aus Gegenständen des Alltags herausholen kann: Töpfe, Schüsseln, Keksdosen, alles was ich in der Küche unserer Mutter finden konnte», berichtet Alexej Gerassimez von den Anfängen seiner unbändigen Trommelleidenschaft.

Der heute 29-jährige Schlagzeuger muss die richtigen Töne getroffen haben. Statt im Keller trommelt er heute auf der großen Bühne und begeistert mit seinem unkonventionellen und virtuosen Spiel ein Riesenpublikum. Vom Eröffnungskonzert am 17. Juni in Wismar an drückt Alexej Gerassimez den renommierten Festspielen Mecklenburg-Vorpommern in diesem Jahr als «Preisträger in Residence» seinen besonderen Stempel auf. Während der dreimonatigen Sommersaison steht er 24 Mal auf dem Podium und bestreitet damit etwa ein Fünftel der insgesamt 131 Konzerte bei einem der größten Klassik-Festivals in Deutschland.

Es gehört zu den Markenzeichen der Festspiele MV, dass sich talentierte Nachwuchsmusiker im Wettbewerb «Junge Elite» einem größeren Publikum präsentieren können und Preisträger in den Folgejahren immer wieder eingeladen werden. Seit elf Jahren erhalten die erfolgreichsten dieser jungen Musiker zudem die Möglichkeit, im Rahmen einer Residenz das Festivalprogramm mitzubestimmen. Darunter waren bereits die Geiger Daniel Hope und Julia Fischer, der Cellist Daniel Müller-Schott und der Pianist Igor Levit, heute allesamt Künstler von Weltrang. Hope hatte 2006 die Tradition der Residenzen begründet, in jenem Jahr, in dem Alexej zusammen mit seinem Bruder Nicolai am Klavier den Ensemblepreis der Festspiele gewann.

Mit Alexej Gerassimez wird nun zum ersten Mal ein Schlagzeuger als «Preisträger in Residence» den Konzertsommer maßgeblich prägen. «Klar ist man als Veranstalter mit einem Geiger oder Pianisten als Residence-Künstler im sicheren Hafen», bekennt Festivalintendant Markus Fein. Vor allem das überschaubare Repertoire für Solotrommler könne man als Handicap sehen. «Doch wir stehen voll und ganz hinter unserer Entscheidung. Es wird ein spannender Ausflug in die Welt der Musik und wir haben sehr gute Formate gefunden», sagt Fein.

Und in der Tat scheint das Risiko leerer Stuhlreihen bei den Festspielen marginal. Seit zehn Jahren ist Alexej Gerassimez regelmäßig zu Gast in Mecklenburg-Vorpommern. Seine Konzerte waren immer bestens besucht und mit seinen Aufführungen an ungewöhnlichen Spielorten mit nicht minder ungewöhnlichen Klangkörpern setzte er Glanzpunkte des Klassikfestivals. In bleibender Erinnerung ist den Gästen das Konzert in Waren an der Müritz, bei dem Gerassimez riesigen Schiffspropellern faszinierende Töne entlockte.

«Als Schlagzeuger hat man ein schier unbegrenztes Instrumentarium zur Verfügung», sagt der Künstler, dessen Großvater aus der Ukraine stammt. Vibraphone, Xylophone, Trommeln, Pauken und vielerlei andere Schlaginstrumente füllten inzwischen zwei Tourbusse. Doch selbst das reicht Gerassimez offenbar nicht. Immer ist er auf der Suche nach neuen Klangerlebnissen. Das brachte ihn auch in Waren dazu, die Schiffspropeller im wahrsten Sinne des Wortes abzuklopfen und danach ein Stück dafür zu komponieren.

Die Werkhalle der Mecklenburger Metallguss GmbH ist auch in dieser Saison wieder Spielort. Dazu kommen unter anderem das frühere Panzer-Reparaturwerk in Neubrandenburg und das Liebherr-Werk für Hafenkräne in Rostock als bisher «unerhörte» Konzertsäle. Auch dort darf man gespannt sein, welche neuen Instrumente Gerassimez für sich findet, bei der Klangsuche immer darauf aus, «die Seele der Dinge zu ergründen», wie er sagt.

 

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