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Der Siegerentwurf für das neue Konzerthaus in München soll nach dem Willen der Architekten Cukrowicz Nachbaur an industrielle Speicherbauten erinnern.
Kulturschaffende kritisieren Söders Abkehr vom Münchner Konzerthaus. Foto: Architekten Cukrowicz Nachbaur
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Kulturschaffende kritisieren Söders Abkehr vom Münchner Konzerthaus [update, 17:00]

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München - Die Geigerin Anne-Sophie Mutter und der Konzertveranstalter Andreas Schessl haben Ministerpräsident Markus Söders Abkehr vom lange geplanten Münchner Konzerthaus kritisiert. Der CSU-Chef hatte in der «Süddeutschen Zeitung» (Samstag) eine «Denkpause» gefordert und gesagt: «Wir können nicht alles unendlich finanzieren.»

Der Freistaat wollte das Konzerthaus für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks bauen, das im Gegensatz zu anderen internationalen Spitzenorchestern bis heute keine eigene Spielstätte hat. Anne-Sophie Mutter sagte der Zeitung: «Wir brauchen dieses Wohnzimmer der kreativen Höhenflüge wie die Luft zum Leben!»

Schessl, Geschäftsführer des Veranstalters MünchenMusik, sagte dem «Münchner Merkur» (Samstag): «Für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks ist das schlichtweg eine Katastrophe und für München als Kulturstadt ein schlechtes Signal.» Nach «der Misshandlung der Kultur durch die Corona-Politik» folge «nun ein weiterer herber Rückschlag». Der Interimsbau der Isarphilharmonie könne ein Konzerthaus mit mehreren Sälen und einem Stützpunkt für die Musikhochschule nicht ersetzen. Das städtische Kulturzentrum Gasteig ist noch mehrere Jahre lang im Umbau.

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte, wenn die Gasteig-Philharmonie nach der Sanierung wieder als Konzertsaal zur Verfügung stehe, werde München mit Gasteig und Isarphilharmonie «zwei herausragende städtische Konzertsäle» haben. Er sei für Gespräche mit dem Freistaat über eine Zusammenarbeit offen.

Die Intendantin des Bayerischen Rundfunks (BR), Katja Wildermuth, hatte am Freitag betont: «Es besteht weiterhin dringender Bedarf für eine eigene Spielstätte für das BR Symphonieorchester.» Sie hoffe, «dass München einen Spitzenbau für dieses Spitzenensemble mit Top-Dirigent Sir Simon Rattle bekommt».

Wildermuth ergänzte am Wochenende: «Wir sind nicht der Bauherr, haben aber das Konzept nie als "Tempel" aus "Steinen" verstanden, sondern als höchst lebendigen Ort.» Dem BR sei wichtig: «Wir wollen die Musikstadt München und Leuchtkraft Bayerns mit unserem Weltklasse-Ensemble und den dortigen Möglichkeiten im Bereich Digitalisierung, Education und Crossover-Projekten inspirieren und bereichern.» Das sei eine nachhaltige Investition in die Zukunft, in der Kunst und Kreativität, von der Hochkultur bis zur freien Szene, immer einen sehr hohen Stellenwert haben würden.

Auch Bayerns ehemaliger Kunstminister Wolfgang Heubisch (FDP) hält ein Abrücken von den Plänen für ein neues Konzerthaus in München für ein fatales Signal. «Für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit seinem Top-Dirigenten Sir Simon Rattle ist das eine dramatische Entwicklung. Ein Orchester von Weltruhm wie dieses bleibt nach wie vor ohne festen Wirkungsort in München», sagte der Vizechef des Landtagsausschusses für Wissenschaft und Kunst am Montag auf Anfrage. «Diese Entscheidung unterstreicht einmal mehr den geringen Stellenwert von Kunst und Kultur für die Bayerische Staatsregierung.»

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte am Freitagabend den wohl mindestens eine Milliarde Euro teuren Neubau zur Disposition gestellt und dies mit den aktuell hohen Ausgaben des Staates begründet.

 

[update, 17:00]

Forderungen nach Klarheit und Warnungen in der Konzerthaus-Debatte

Um das Konzerthaus in München wird schon seit Ewigkeiten gerungen. Nun wird seit einigen Jahren zumindest geplant. Doch angesichts knapper Kassen könnte es mit den hochfliegenden Plänen auch schon bald wieder vorbei sein.

München (dpa) - Bekommt München nun ein neues Konzerthaus oder wird das Prestigeprojekt wegen der hohen Kosten von bis zu einer Milliarde Euro gekippt? Auf diese Frage verlangt die Landtags-SPD nach entsprechenden Äußerungen von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine rasche Antwort. «Die Staatsregierung muss jetzt umgehend Klarheit darüber schaffen, ob und wie das Projekt Konzertsaal beendet wird, um die notwendigen Kooperationen mit der Landeshauptstadt München zügig auf den Weg bringen zu können», verlangte der kulturpolitische Sprecher Volker Halbleib am Montag.

Söder hatte in Bezug auf den Neubau eine «Denkpause» gefordert und erklärt, der Freistaat könne nicht alles unendlich finanzieren. Zudem gebe es in München bereits den Herkulessaal, die Isarphilharmonie und das Kulturzentrum Gasteig mit der Philharmonie.

«Wir brauchen jetzt ein stichhaltiges Konzept für das Konzertsaalangebot im München mit klaren Finanzierungs- und Zeitplänen», forderte nun Halbleib. Eine Denkpause könne man sich nach zwei Jahren Corona-Pandemie nicht leisten. «Das Zögern und Zaudern der letzten Jahre bei den großen anstehenden Baustellen im Kulturbereich muss ein Ende haben.»

Das Konzerthaus ist noch in der Planungsphase. Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (BRSO) unter dem künftigen Dirigenten Sir Simon Rattle und die Hochschule für Musik und Theater sollen eine Heimat finden. Doch manche bezweifeln den Sinn des Neubaus, erst recht seit im Herbst die Isarphilharmonie eröffnet wurde. Die Akustik des dortigen Konzertsaals gilt als exzellent, auch wenn er nur als Ausweichspielstätte gedacht war, während das Kulturzentrum Gasteig samt Philharmonie saniert wird. Viele wünschen sich aber, den rund 40 Millionen Euro teuren Interimsbau auch danach zu erhalten.

So hatte Halbleib angeregt, das BRSO und die Münchner Philharmoniker könnten den Gasteig und die Isarphilharmonie gemeinsam belegen. Der Freistaat könne sich finanziell an der Sanierung des Kulturzentrums beteiligen. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte, er sei für Gespräche über eine Zusammenarbeit offen.

Wolfgang Heubisch (FDP), Vizechef des Landtagsausschusses für Wissenschaft und Kunst, hält ein Abrücken von Konzerthausplänen für ein fatales Signal. «Für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit seinem Top-Dirigenten Sir Simon Rattle ist das eine dramatische Entwicklung. Ein Orchester von Weltruhm wie dieses bleibt nach wie vor ohne festen Wirkungsort in München», sagte er. «Diese Entscheidung unterstreicht einmal mehr den geringen Stellenwert von Kunst und Kultur für die Bayerische Staatsregierung.»

Kunstminister Markus Blume (CSU) wies die Kritik zurück: Heubisch verkenne die aktuellen Realitäten. «Die Bayerische Staatsregierung stellt heute so viel Geld wie nie für Kunst und Kultur in Bayern bereit», betonte Blume. «Jetzt wäre Mitdenken und Nachdenken gefragt, wie man alle Wünsche und Anforderungen in mehrfacher Milliardenhöhe mit den beschränkten Möglichkeiten zusammenbringt.» Heubisch solle als stellvertretender Ausschussvorsitzender im Landtag nicht den obersten München-Lobbyisten geben, sondern ganz Bayern in den Blick nehmen.

 

 

 

 

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