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Neubau Rostocker Volkstheater
Theaterneubau: «Königin der Nacht» soll auch in Rostock schweben. Foto: Hascher Jehle Architektur
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Theaterneubau: «Königin der Nacht» soll auch in Rostock schweben

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Rostock - Seit Jahrzehnten hören die Rostockerinnen und Rostocker, dass ein neues Theater gebaut werden soll. Viele haben den Glauben daran verloren. Doch diesmal könnte es was werden.

Das Haltbarkeitsdatum des Rostocker Volkstheaters ist eigentlich schon lange abgelaufen: Baulich marode, völlig verwinkelt, technisch veraltet, nicht mehr sanierungsfähig. Deutlicher kann man den Zustand des Hauses nicht beschreiben, wie dies die Theaterleitung und die Verantwortlichen für den lang erträumten, oft verschobenen, nun aber konkret geplanten Neubau tun. Zur Spielzeit im Herbst 2028 soll sich der Vorhang erstmals öffnen.

«Wir haben es den Menschen in Rostock und in Mecklenburg-Vorpommern versprochen: Wir bekommen ein neues Theater. Und das Versprechen müssen wir halten. Anders geht es nicht», sagt Sigrid Hecht. Sie ist Chefin des städtischen Eigenbetriebs KOE, der zentralen Entwicklungsgesellschaft Rostocks. Als Bauherrin ist sie auch für die Finanzierung des im Herzen der Hansestadt geplanten Neubaus mit Blick auf Stadthafen und Warnow zuständig.

Sie umreißt Eckdaten und Zeitfenster. Für den architektonisch offen und leicht anmutenden Gewinnerentwurf des Berliner Büros Hascher Jehle Architektur sind - Stand jetzt - 184 Millionen Euro veranschlagt. 51 Millionen Euro hat das Land zugesagt, 51 Millionen kommen vom Eigenbetrieb KOE, 82 Millionen Euro laufen über Kredite. Anfang 2024 soll der Bauantrag eingereicht werden. Läuft das Genehmigungsverfahren glatt, sollen Ende 2024 auf der Fläche am westlichen Ausgang Lange Straße/Bussebart erste Vorbereitungsarbeiten anlaufen. Die Planungskosten übernimmt das Land.

Für Schauspieler, Musiker, Tänzer, Sänger und vor allem  Zuschauer und Zuhörer wäre der Neubau zweifellos ein Gewinn. «Bei uns schwebt die Königin der Nacht nicht auf die Bühne, sondern sie poltert rein», sagt Dirk Butzmann, Fachkoordinator für den Neubau und stellvertretender technischer Leiter am Volkstheater. Das heißt, die zentrale Figur in Mozarts Oper Zauberflöte, die «sternflammende Königin», klappert je nach Inszenierung zu Fuß über eine Holztreppe aus dem Bühnenboden nach oben, wo sie andernorts per Bühnenaufzug sanft in die Höhe gleitet.

Butzmann führt gemeinsam mit Intendant Ralph Reichel durch das Magazin, die Keller-Katakomben und Seiten- und Hinterbühnen. «Wahnsinnig verwinkelt», sagt er und warnt hier und da vor Stufen oder engen Durchgängen. Es gibt sogar eine «Rostocker Stufe» von der Vor- auf die Hauptbühne, auf die Schauspieler tunlichst Acht geben sollten. Immerhin ist die Stolperfalle 33 Zentimeter hoch.

Große und kleine Elemente und Deko-Stücke der Bühnenbilder müssen meist über mehr als 20 Stufen und durchs Foyer und durch das Nadelöhr einer engen Tür geschleppt und bugsiert werden. Die bis zu 150 Kilogramm schweren Bühnenbildprospekte werden nicht wie in anderen Häusern mit Joy-Stick maschinell, sondern manuell mit Handkonter- Zügen hoch und runter gezogen. Die Bühnen-Porträtbrücke, mit der der Bühnenausschnitt angepasst werden kann, steuert eine fast historische Bühnenmaschine der Märkischen Maschinenfabrik. Baujahr: 1943.

«Der Standort ist aus meiner Sicht unrettbar», sagt Intendant Reichel. Er denkt an die inzwischen unhaltbaren Arbeitsbedingungen. Es gibt keine Stimmzimmer für die Musiker, die oft im Abstellkammer- Ambiente zwischen Eisenschränken Partituren üben. Auch Probenbühnen fehlen, und die Sichtachsen fürs Publikum sind schlecht. Die Stuhlreihen steigen nur um 6,5 Zentimeter je Reihe und geben nur einen sehr eingeschränkten Blick auf den Bühnenboden frei.

Das neue Volkstheater soll auch deutlich zentraler liegen und ein Ort der Begegnung werden. «Es geht aber nicht darum, ob Rostock ein neues Theater bekommt», sagt KOE-Chefin Hecht und fügt hinzu: «Wenn dieser Bau nicht umgesetzt wird, heißt das im Umkehrschluss, dass Rostock kein eigenes Theater mehr hat.» Sie ist auch deshalb überzeugt, dass der Neubau kommt, weil allein die Planung bis zur Baugenehmigung 16 Millionen Euro kostet. «Wer will vertreten, dass man 16 Millionen Euro Steuergeld ausgibt und man dann nicht in die Umsetzung geht?»

Der gebürtige Rostocker Olaf Grambow ist von dem Projekt, dem Standort, der Arbeit der Planungsbüros und dem Entwurf in seiner Klarheit und Schlichtheit überzeugt. «Nach so vielen Anläufen sind wir so weit gekommen. Das wird unvorstellbar schön», sagt Grambow, der Technischer Direktor am Deutschen Theater in Berlin ist und vorher am Maxim Gorki Theater war. Er sitzt in jeder Planungsrunde für das neue Rostocker Volkstheater, ist das Bindeglied zwischen dem Nutzer Volkstheater und den Bauleuten.

Der Standort sei eine «1A-Lage» mit Warnowblick und großem Potenzial für ein kulturelles Zentrum für die Rostockerinnen und Rostocker. Er verweist auf Kopenhagen mit seinem Schauspielhaus direkt am Wasser und der Oper auf der anderen Seite mitten in der Stadt, oder auch auf Stavanger oder Oslo und dem Konzerthaus beziehungsweise der Oper direkt am Fjord und zentral in der Stadt.

Rostock greife mit seinem Entwurf aber nicht nach den Sternen und wolle auch keine «goldenen Wasserhähne» an der Wand. Es gehe um das für Rostock Machbare und zugleich um ein Vier-Sparten-Theater (Orchester, Schauspiel, Musiktheater, Tanz) mit Topakustik, guten Sichtachsen und modernster Bühnentechnik. «Der Zuschauer soll nahezu von jedem Platz gut sehen und gut hören können», formuliert Grambow den Anspruch. «Ich kann mir vorstellen, das wird ein ganz großer Magnet für die Stadt. Und selbst wenn ich nicht ins Theater möchte, kann ich zumindest oben im Restaurant einen Kaffee trinken.»

 

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