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«Vinceró!»: Tenor Piotr Beczala begegnet Helden des Verismo. Foto: CD-Cover
«Vinceró!»: Tenor Piotr Beczala begegnet Helden des Verismo. Foto: CD-Cover
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«Vinceró!»: Tenor Piotr Beczala begegnet Helden des Verismo

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Dresden/Zürich - Weg von den Mythen, hin zu Menschen aus Fleisch und Blut. Der Verismo begann als Stilrichtung in der Literatur und eroberte Ende des 19. Jahrhunderts auch die italienische Oper mit Namen wie Puccini oder Mascagni. Jetzt gibt es Wiederbegegnung mit Startenor Piotr Beczala.

Vermutlich hat kein Sänger die Stilrichtung des Verismo in der italienischen Oper so geprägt wie Enrico Caruso (1873-1921). Im Alter von 24 Jahren schaffte er den Durchbruch in Francesco Cileas Oper «L'Arlesiana». Verismo steht für Naturalismus, die Libretti waren oft sozialkritisch. Eine Auswahl berühmter Arien dieser Epoche erscheint am 15. Mai unter dem Titel «Vincerò!» beim Label Pentatone. Der Pole Piotr Beczala tritt in die Fußstapfen von Caruso, ihm zur Seite steht das Orquestra de la Comunitat Valenciana mit Marco Boemi am Pult. Neben Musik Cileas erklingen Werke von Mascagni, Giordano, Leoncavallo und natürlich von Puccini.

«Diese Epoche interessiert mich sehr - vor allem der energetische Umschwung, der in der Musik damit einherging. Es war eine andere Art, Emotionen in der Musik umzusetzen, auch im vokalen Bereich. Da entstanden ganz andere Farben in der Stimme», sagt der 53 Jahre alte Beczala. Der Verismo handle von Revoluzzern und Helden, die Regeln brechen. Die Aristokratie komme schlecht weg: «Es geht um die wahren Gefühle, der Gesang kommt aus dem Bauch und dem Herzen, nicht aus dem Kopf. Als Interpret darf man das aber nicht übertreiben, nicht zu viel schluchzen und jammern. Auch der Verismo braucht Regeln, sonst kann man die Interpretation leicht überziehen.»

Beczala glaubt nicht, dass er alle Figuren, deren Arien er jetzt beim Album «Vincerò!» singt, später auch auf der Opernbühne interpretieren wird. Dennoch sei ihm diese Stilrichtung seltsam vertraut, sagt der Sänger, der an vielen renommierten Opernhäuser der Welt zu Hause ist: «Es gibt für den Verismo so eine Art Grundton, den habe ich, er liegt ziemlich nah an meinem natürlichen Ton.» Er sei vom Typ und von der Technik her kein leichter lyrischer Tenor: «Ich kann da sehr variieren. Man ist dem Publikum heute gegenüber verpflichtet, Verismo gewissermaßen auf eine moderne Art zu singen. Es muss keine direkte, sondern eher eine indirekte Umsetzung geben.»

Auch eine andere musikalische Begegnung erwies sich als prägend. 2016 gab er an der Seite von Anna Netrebko an der Semperoper in Dresden sein Rollendebüt als Lohengrin. Für die beiden Stars war es die erste Wagner-Partie überhaupt. Der Lohengrin sei für seine Entwicklung sehr wichtig gewesen, sagt Beczala: «Ein Sänger kann sich da etwas mehr erlauben, etwas mehr Mut entwickeln, weil die Partie nicht ganz so anspruchsvoll ist.» Vom Typ her sei er zwar eher ein vorsichtiger Sänger: «Das wird wohl auch bis zu meinem letzten Ton so bleiben. Man erlaubt sich aber mehr, wenn man weiß, was man kann. Das war bei mir mit Lohengrin so und das ist jetzt auch beim Verismo der Fall.»

Allerdings will Beczala Wagner auch fortan auf Sparflamme halten: «Ich bin nach wie vor nicht scharf auf Wagner und bleibe skeptisch. Ein Wagner-Tenor werde ich nie sein, genauso wie ich kein Verismo- Spezialist sein werde. Ich liebe die Vielfalt und möchte auch künftig nicht auf das slawische und französische Fach verzichten. Und es gibt immer noch Verdi.» Dennoch dürfen sich Wagner-Fans auf Beczala freuen. Im Mai 2022 wird er den Parsifal konzertant in Cleveland singen. Dirigent Christian Thielemann möchte ihn nach dem riesigen Erfolg mit Lohengrin in Dresden hier auch für die «Meistersinger» gewinnen. Auch einen Parsifal in Bayreuth schließt Beczala nicht aus.

Die Corona-Krise macht selbst für Sänger wie Beczala die Planung schwer. Im März fielen einige Aufführungen von Massenets «Werther» an der Metropolitan Opera New York dem Virus zum Opfer, für Juni und Juli wurden «Lohengrin»-Vorstellungen in Zürich abgesagt. Im Sommer will er beim Festival Castell Peralada in Spanien und im Herbst in New York den Rademes in Verdis «Aida» singen: «Es gibt genug zu tun. Schauen wir mal, was uns die Welt zu singen erlaubt.» Das «Vincerò!» - das Verb steht im Italienischen für siegen oder überwinden - aus Puccinis «Turandot» hält Beczala jedenfalls für die ideale Botschaft dieser Tage.

 

Vincerò! Piotr Beczala

Audio CD
Erscheinungsdatum: 15. Mai 2020
Anzahl Disks/Tonträger: 1
Format: Hybrid SACD
Label: Pentatone (Naxos Deutschland Musik & Video Vertrieb)

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