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In dunklen grün-bläulichen Flussfarben gehalten und vom Wasser gebrochenen Lichtern angeleuchtet stiert Alberich in die Tiefen des Wassers, oder in die seines eigenen von Rache zerfressenen Schicksals.

Plant die Welt zu unterjochen: Alberich (Craig Colclough) geht bei den Festspielen Erl als eindrücklichste Rolle der „Götterdämmerung“ von der Bühne.

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Die Bedrohung bleibt – Brigitte Fassbaender schließt „Ring“ der Festspiele Erl mit „Götterdämmerung“

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Vor Ort in der Erler Festspielumgebung blüht natürlich die Kolportage und Gerüchteküche um die „neuen Stars“ ab 2025 und die Dummheiten zum musikalischen Bereich werden besonders gerne weitergereicht. Davon unberührt hat mitten im laufenden Festspielbetrieb das hochprofessionelle Künstler-Team binnen acht Tagen die zwei weiteren Werke aus Wagners „Ring des Nibelungen“ gestemmt.

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Nach dem erstaunlich gelungenen „Siegfried“ verlangt der Schluss-Tag „Götterdämmerung“ auch szenisch sehr viel: – und da wurden die limitierten Möglichkeiten des Passionsspielhauses doch deutlich sichtbar. Gealterte, einst weltweise Nornen im Nirgendwo, überheblicher Gibichungen-Herrscherhof, feurig umloderter Brünnhildenfelsen, Waldidylle mit Nixen-Planscherei, Rheinufer mit grandioser Feuerbestattung – die dann in einen Weltenbrand mündet, aus dem sich parallel zur erst hinreißenden, dann anrührenden Musik eventuell etwas Neues ankündigen kann…

All das führte oft nicht nur die auf Wagner konzentrierten Bayreuther Festspiele an szenische Grenzen, sondern auch viele hochsubventionierte Staatsopern – und nun eben auch Erl. So wie ein erfahrener Könner, der Ausstatter Kaspar Glarner in den drei vorhergehenden Werken mit Wenig Viel und Gelungenes beschwor, so karg und szenisch uninspirierend leer blieben das Gibichungen-Interieur mit Couch-Garnitur, Billiard-Tisch und großem Getränke-Regal, dann der aus verbrannt wirkenden Brettern bestehende Wald, die dann verkantet getürmt auch gleich für den finalen Feuerzauber dienen sollten und mit allzu kleinem rotem Rauch-Gewaber kärglich wirkten. Auch Jan Hartmanns Licht und Bibi Abels Videos blieben blass.

Im Vergleich zu ihrer minutiösen Personenzeichnung im „Siegfried“ blieb auch Fassbaenders Regie diesmal eher allzu „normal“ und wenig expressiv. Dass die grauhaarigen alten Nornen-Damen als Kaffeekränzchen an endlosen Schals strickten, dass die höchst agil-frechen Nixen an ihren „Rheingold“-Auftritt anknüpften, dass Brünnhildes zunächst unsterbliches, dann aber weltliches Ross Grane als Halskette mit Pferdchen-Anhänger mehrfach den Besitzer wechselte, dass einige Solisten gut aufeinander reagierten, dass Hagen und Brünnhildes ordentlich dem Alkohol zusprachen und alle sehr gut sangen – all das trug zu wenig. Dennoch beeindruckten der baritonal noble, albino-hafte Gunther von Manuel Walser, der verzweifelte Waltrauten-Mezzo von Zanda Švëde, die anrührend liebende Gutrune von Irina Simmes mit auch mal energischem Sopran. Doch der Hagen von Robert Pomakov konnte seine allzu normale Bühnenerscheinung nicht durch wuchtige Bass-Finsterkeit wettmachen. Christiane Libors Brünnhilde und Vincent Wolfsteiners Siegfried sangen souverän, klangen aber – im Passionshaus ja vor dem hinten postierten Orchester – mehrfach nach Anna Russells spöttischem „Alles, was du singen kannst, kann ich lauter“ – und beide sollten an ihrem „Heroinen-Heroen-Äußeren“ arbeiten. All das dirigierte Erik Nielsen gut; die kleinen Zusammenspiel- und Intonations-Ungenauigkeiten des Orchesters waren wohl der Hitze geschuldet.

So blieb als Haupteindruck und Aussage: der im „Siegfried“ reichlich verlotterte Alberich von Craig Colclough hat sich für die Gibichungen-Welt in Anzug mit Gold-Weste geschmissen, manipuliert seinen Sohn Hagen – doch als der am Ende versagt und die Rheintöchter fröhlich mit dem Ring davontänzeln, erwürgt er ihn. Dann tritt er ins Zentrum der Bühne, richtet sich auf und ballt die Fäuste: mit all dem zusätzlichen Wissen wird dieser Finsterling die nächste Welteroberung angehen! Nach allem Beifall und Bravo stieg dann im mitdenkenden Musiktheaterfreund die Frage empor: absurd große Geld-Anhäufung, gespenstische Datenmacht-Konzentration, privater Wechsel zwischen Unsichtbarkeit und Einfluss-Protzerei – sind die Alberiche dieser unserer Welt nicht schon längst in Position? Wagners „Ring“ bleibt eine sehr aktuell mahnende und warnende Parabel…

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Minutiöse Welt-Erzählung – Der „Erler Ring“ findet in Wagners „Siegfried“ einen weiteren Höhepunkt

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Innerhalb der Parabel auf eine Welt, die von der Harmonie in der Natur bis in ihren kapitalistischen Untergang taumelt, wird der „Siegfried“ mitunter als das „Scherzo“ bezeichnet – und tatsächlich: im Passionsspielhaus...

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