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nmz vor 100 Jahren.

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Donaueschinger Kammermusikaufführungen

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Vor 100 Jahren – Neue Musik-Zeitung 1923 / 9
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[…] Wenige Monate nach der Donaueschinger Aufführung des 1. Streichquartetts im Vierteltonsystem erschien Alois Hába mit seinem 2. Vierteltonquartett (Uraufführung). Der Vergleich war von höchstem Interesse – ein bedeutender Fortschritt unverkennbar. Man spürt deutlich, wie sich Hába in das Wesen des Vierteltonsystems eingelebt hat, wie er mit wachsender Vertrautheit mit der neuen Schreibweise, mit zunehmender Einsicht in die harmonischen Probleme, mit zunehmender Erfahrung wieder freier seine musikalischen Empfindungen, sein musikalisches Wollen zu äußern vermag. 

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Das 1. Streichquartett verriet die Mühe der Arbeit, die Hemmungen, die das unbekannte Gelände dem Suchenden bereitete. Im neuen Quartett liegt zunächst auch noch viel Gestrüpp im Weg; der erste Satz ist für mich ziemlich ungenießbar, er ist reichlich dickflüssig und birgt – soweit das ein einmaliges Hören feststellen läßt – keinen Einfall von Kraft und Bedeutung. Um so höher muß der zweite Satz veranschlagt werden, der auf Grund einer viel freieren Gestaltung harmonische Reibungen in den Hintergrund treten läßt und klar und durchsichtig erscheint. Aber darüber hinaus kommt der Musiker Hába (gegenüber dem Theoretiker) wieder zum Vorschein und zwar in ganz starker und überzeugender Form. Reiche melodische Eingebung und ein urkräftiger rhythmischer Impuls verleihen dem Satz blühendes Leben. Die Verwendung von Vierteltönen geben zudem den Themen und der Harmonik einen fast pikanten Beigeschmack, sind aber doch so organisch mit dem Ganzen verwoben, dass sie eben doch nicht nur als Beigabe, als Gewürz wirken. […] 

Den großartigen Abschluß der Aufführungen bildete das Streichquartett Op. 16 von Philipp Jarnach. Hier ist wirklich alles in vollendetem Maße vereinigt, was die geniale Bedeutung eines Werkes ausmacht: ein tiefes, leidenschaftliches Empfinden, Einfälle von ausgeprägter Eigenart und hoher Schönheit, rhythmisch vielfältiges Leben, eine harmonische Ausdrucksweise, die sich ohne Zwang und Künstelei auf polytonalem Gebiet bewegt und ein formales Können, das über alle Zweifel erhaben ist […]. Was aber besonders beglückend an Jarnachs Werk anmutet, ist die Klarheit und Kultur seiner Sprache, die edle Haltung ihrer Mittel.

H.H., Neue Musik-Zeitung, 44. Jg., 6. September 1923 [keine Ausgaben erschienen bis April 1924]

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