Die hohen Investitionen von Steuergeld in die vermeintlich elitäre Hochkultur demokratisch zugänglich und damit vertretbar zu machen – dazu dient seit Jahren die Übertragung speziell der Eröffnungspremiere vom „Grünen Hügel“ der Wagner-Kultur in Kinos bundesweit. Der Leinwandausschnitt kann andere Aspekte sichtbar machen als der Blick im Zuschauerraum auf die etwa ab der 10. Reihe doch „entfernte“ Guckkastenbühne.

Die Meistersinger von Nürnberg. I. Aufzug. Ensemble und Chor der Bayreuther Festspiele. Foto: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath
Klarheit für Feines und Fehler – Bayreuths neue „Meistersinger“ in der Kino-Übertragung
Erster und dann bleibender Eindruck war, dass Moderator Axel Brüggemann in diesem Jahr weniger aufgedreht und aufgesetzt „unterhaltsam“ Blicke hinter die unaufgebauten Kulissen und in den Orchestergraben präsentierte; auch seine kurzen Künstler-Interviews in den auf jeweils rund 20 Minuten verkürzten Pausen mischten Werk- und Rollen-Bezogenes akzeptabel mit „human touch“-Fragen zu Freizeit und Aufenthalt in den Wagner-Wochen.
„Ton-Bild-Schere“ störend inakzeptabel
Eine grundlegende Enttäuschung war dann die Kino-Präsentation des 1. Aufzugs: mittelmäßiger Stereo-Ton „von hinter der Leinwand“, kein Sound aus der aufwändigen Lautsprecher-Anlage im weiten Kino-Saal – der seit 1876 gültige Satz über die singuläre Akustik im Bayreuther Zuschauerraum bewahrheitete sich erneut. Schlimmer noch: die „Ton-Bild-Schere“, die durchgängige Diskrepanz zwischen Bild und speziell dann Gesang von etwa einer halben Sekunde – störend inakzeptabel für den groß gezeigten Sängerdarsteller, der seine Phrase vokal beendet hat, aber den Mund noch bewegt … Erst nach Beschwerde trat dies ab dem 2. Aufzug nicht mehr auf. Auch der Ton wirkte fülliger. Hatten da die beteiligten Firmen von BF Medien über Sky zu etlichen anderen im heutigen Digital-Leitungsangebot nicht ausreichend gebucht? Für den deutlich erhöhten Kino-Preis muss mehr geboten werden!

Die Meistersinger von Nürnberg. III. Aufzug. Georg Zeppenfeld (Hans Sachs), Christina Nilsson (Eva). Foto: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath
Befremdliche Anschlussfehler
Doch dem standen befremdliche „Anschlussfehler“ gegenüber. Sachs bearbeitete nach dem Flieder-Monolog auf seinen Leisten edle Schuhe mit Silberstreifen-Leder, die perfekt zu Beckmessers Weste passen – doch der beschwert sich in ganz anderen „Festwiesen-Schuhen“ dann in der Schusterstube und trägt abermals andere auf der Festwiese. Das gilt auch für Evas Schuh-Beschwerde bei Sachs – und den dann getragenen auf der Festwiese. Deutlich fehlerhafter wirkt, dass der in der Prügelszene heftig attackierte Beckmesser sich in eine gelbe Telefonzelle geflüchtet hat und diese zum Aktschluss völlig unverletzt verlässt – um dann in der Schusterstube mit Gesichtspflaster, blutverschmierter Nase und Knieschiene hinkend aufzutreten.
So stellte sich als Opern-Kino-Eindruck insgesamt ein: die „Werkstatt Bayreuth“ mit dem möglichen Nacharbeiten in den spielfreien Tagen, vor allem aber von Jahr zu Jahr ist gefordert. An Katharina Wagners „Kunstakademie“-Ringen und Barrie Koskys Antisemitismus-Akzentuierung reicht die Neuinszenierung bislang nicht heran. Insbesondere das Ringen zwischen dem Sachs von Michael Volle und dem Beckmesser von Johannes Kränzle in Koskys Inszenierung bleibt unvergesslich und unerreicht – Messlatten für „Bayreuth 2026“.
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