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Musica viva?

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Uraufführungen 2025/12
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Neue Musik und Weihnachten? Wie passt das zusammen? Sind es nicht unvereinbare Pole? Neue Musik drängt nach Veränderung, Unbekanntem, Kritik des Bestehenden. An Weihnachten pflegt man dagegen alle Jahre wiederkehrende Rituale, um sich mehr oder minder liebgewonnener religiöser, familiärer und auch musikalischer Traditionen zu versichern. Doch Jahrhunderte lang war es üblich, dass der Klerus für hohe Feiertage neue Werke in Auftrag gab: musica viva christiana. 

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Erst im 19. und vollends im 20. Jahrhundert liefen Kirche und zeitgenössisches Komponieren immer weiter auseinander, so dass heute zur Adventszeit in Konzert, Radio, Internet nur noch die ewig gleichen Evergreens dudeln. Dabei hätten sich neue Musik und eine Theologie des Zweifelns, Fragens und Suchens viel zu sagen, warum nicht auch an Heiligabend? Mit ein bisschen Recherche lassen sich immerhin doch ein paar Werke der neuen Musik finden, die sich auf das Christfest beziehen: Krzysztof Pendereckis 2. Symphonie („Christmas Symphony“), Alfred Schnittkes „Concerto Grosso Nr. 2“ und Helmut Lachenmanns Musiktheater „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“. Alle drei beziehen sich – teils unheilig und laut – mit jeweils anderer Kontextualisierung, Technik und Intention auf „Stille Nacht, Heilige Nacht“.

Uraufführungen neuer Musik gibt es zu Weihnachten leider nicht zu annoncieren. Und auch bei der musica viva des Bayerischen Rundfunks in München spart man seit einiger Zeit mit Novitäten. Den ersten drei Konzerten der aktuellen Spielzeit folgen im Dezember drei weitere, allesamt ohne Uraufführungen. Ist das befremdlich, gar alarmierend? Statt neuester Werke gibt es „Klassiker“ wie Johann Sebastian Bach, Messiaen, Sibelius, Birtwistle sowie ältere und jüngere Stücke von Benjamin, Knussen, Iannotta, Widmann, Posadas, Attahir, Haas, Lacôte, Maintz. Auch eine Würdigung von Younghi Pagh-Paan­ zu deren achtzigstem Geburtstag ist dabei und die 8. Sinfonie von Karl Amadeus Hartmann, der vor achtzig Jahren eben diese Konzertreihe eröffnete und bis zu seinem Tod 1963 leitete. Im Laufe der Saison veranstaltet die musica retrospectiva weitere drei Konzerte. Neben Werken des hundertjährigen Jubilars Hans Werner Henze bietet sie Erstaufführungen von Beat Furrer und Lisa Streich sowie je eine Uraufführung von Olga Neuwirth, Enno Poppe und Jüri Reinvere.

Neues und Junges präsentiert indes die WDR-Konzertreihe „Musik der Zeit“ am 14. Januar im Großen Sendesaal des Kölner Funkhauses. Das #ATELIER-Konzert ist der Abschluss der dreitägigen „Kompositionswerkstatt“, die Westdeutscher Rundfunk und Landesmusikrat NRW zum wiederholten Mal gemeinsam veranstalten. Bewerben konnten sich dafür Komponistinnen und Komponisten unter 35 Jahren mit einer oder auch mehreren anonymisiert eingereichten Orchesterpartituren, die zuvor nicht öffentlich aufgeführt und verlegt wurden. Die Stücke sollten maximal zehn Minuten dauern, keine Medien oder Live-Elektronik verwenden, und mit mindestens 17 Instrumenten besetzt sein. Die ausgewählten Stücke werden vom WDR Sinfonieorchester unter Leitung von Baldur Brönnimann drei Tage lang zusammen mit den Komponierenden gelesen, gespielt, korrigiert, weiterentwickelt und geprobt. Schließlich werden sie öffentlich uraufgeführt sowie von WDR3 aufgezeichnet und gesendet: musica viva colonia!

Weitere Uraufführungen

  • 06.12.: Misha Cvijović und Philipp Amelungsen, Alles Liebe! Eine queere Landoperette, Staatstheater Wiesbaden
  • 09.12.: Anna Sowa, Neues Werk für Neue Vocalsolisten, Theaterhaus Stuttgart
  • 14.12.: Philipp Maintz, choralvorspiel II (rorate cæli desuper) für orgel solo, Berliner Dom
  • 19.12.: Julia Mihály und Sina Ahlers, Musiktheater Der Brand, Fridericianum Kassel
  • 21.12.: Detlev Glanert, neues Werk in Bezug auf Haydns „Abschiedssinfonie“, Elbphilharmonie Hamburg
  • 11.01.2026: Matthias Pintscher, Das kalte Herz, Deutsche Oper Berlin
  • 24.01. Julia Kerr (Libretto: Alfred Kerr), Der Chronoplan (UA), Staatstheater Mainz
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