Ein Alleinstellungsmerkmal von eXoplanet #1 sind zwei auf den Magdeburger Unternehmer Hermann Gruson zurückgehende Locations. Eine virtuose Hommage des Avantgarde-Tenors Timur für den 1983 verstorbenen Popsänger Klaus Nomi „Klaus from Space“ fand ihren ebenso angemessen exklusiven wie außergewöhnlichen Aufführungsort in den für vielfältige Veranstaltungen genutzten Gruson-Gewächshäusern am Klosterbergegarten. Hermann Gruson war der Gründer einer der bedeutendsten Großfabriken für Maschinenbau und Rüstungsindustrie des 19. und 20. Jahrhunderts. Bis zu 30.000 Menschen arbeiteten vor der Wende in dem 1969 zum VEB Schwermaschinen-Kombinat „Ernst Thälmann“ (SKET) umstrukturierten Grusonwerk. Von dem imposanten Gelände mit einer Fläche von 30 Hektar vor einem inhomogenen Stadtpanorama wurde bei der Uraufführung der Konzert-Installation „Industrial Mechthild“ ungefähr ein Drittel der Fläche bespielt.
Für die Realisierung, künstlerische Leitung, besonderen Aufwand und Honorar ihres von der vierköpfigen Jury ausgewählten Konzepts erhielten Lisa Pottstock und Kris Kuldkepp 10.000 Euro. Eigens ließen sie mit einem elektronischen Verstärkungssystem verknüpfte Donnerbleche anfertigen. Ein Bürger:innenchor bildete in einfachen Uniform-Kostümen das Ensemble, dem das Publikum über das SKET-Gelände folgte. Die maximal fünfzig Teilnehmenden hatten auf der Fläche und in den Industrieruinen eine Stunde lang für die verschiedenen Stationen der Installation beträchtliche Entfernungen zurückzulegen. Dafür waren vier Servicepersonen im Einsatz. Es lag am künstlerischen Konzept und an der imposanten Aura des Veranstaltungsortes, dass die in Gesängen und Texten aufgerissenen Bezüge zu der mittelalterlichen Magdeburger Mystikerin Mechthild weniger vordringlich wurden als die Erkundung des Ortes.
Am Festivalwochenende wurde mit insgesamt 658 Menschen eine Auslastung der Vorstellungen von 95,4 Prozent errechnet. Der Anfang ist also gemacht. Bei eXoplanet #1 ging es nicht nur um die Propagierung von Neuem Musiktheater in seiner „ganzen Vielfalt“, sondern um die Eroberung städtischer Räume, die dem überregionalen und oft sogar einheimischen Publikum unbekannt sind. Nach diesem Debüt offenbart sich in Magdeburg und Umkreis – anders als in vielen Städten mit urbaner Verdichtung – die Chance, neues Musiktheater gezielt als Motor für Spurensuche, Belebung und kreative Mobilisierung einzusetzen. Die erste Ausgabe zeigte, wie man mit Ambition und Spannung die atmosphärischen Brüche der Stadt thematisieren und daraus ein anspruchsvolles Event kreieren kann.