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Holger Hoos: Das Heckelphon. Ungewöhnliche Einblicke in die Geschichte der Musik, Edition Tres Mundi, Aachen 2024, 437 S., Abb., € 42,50, ISBN 978-9-4037354-9-8

Holger Hoos: Das Heckelphon. Ungewöhnliche Einblicke in die Geschichte der Musik, Edition Tres Mundi, Aachen 2024, 437 S., Abb., € 42,50, ISBN 978-9-4037354-9-8

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Geschichtsbuch feinster Machart

Untertitel
Monographie eines eher unbekannten Musikinstruments
Vorspann / Teaser

Holger Hoos: Das Heckelphon. Ungewöhnliche Einblicke in die Geschichte der Musik, Edition Tres Mundi, Aachen 2024, 437 S., Abb., € 42,50, ISBN 978-9-4037354-9-8

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„Eine Herzensangelegenheit und vielleicht bis zu einem gewissen Grad ein Narrenstreich“, sei das Verfassen dieses Buches gewesen, so beschreibt Holger Hoos es selbst. Insbesondere dieses Phänomen des „Narrenstreichs“ muss man immer im Kopf haben, wenn man das Buch zur Hand nimmt und liest. Es beginnt beim Titel: Er suggeriert eine Monographie über ein wohl eher unbekanntes Musikinstrument. Glücklicherweise vermeldet bereits der Untertitel eine „Geschichte der Musik“ und droht „ungewöhnliche Einblicke“ an. Zuletzt ist der Autor selbst ein Narr, der (s)einem Instrument in Liebe völlig verfallen zu sein scheint.

Liebe macht blind, sagt ein Sprichwort, aber – so weiß die Bibel – Liebe kann auch Berge versetzen. Irgendwo zwischen Blindheit und intensivem Bergbau ist dieses gleichermaßen freche wie geniale Buch anzusiedeln. Möglicherweise hat Hans Heinrich Eggebrecht 1991 dieses Buch bereits vorausgeahnt, als er schrieb: „Vielleicht aber läßt Wissenschaft es sich gefallen, dass mal einer kommt, der der sogenannten Objektivität als einer ihrer obersten Maximen entgegentritt.“

Am Anfang war es wohl der Klang des Heckelphons, der den Autor begeistert hat. Daraufhin folgte Neugierde, die auf der Homepage www.heckelphone.org ihren Niederschlag fand. Hoos hat dort versucht, alle 175 jemals gebauten Heckelphone zu lokalisieren und aufzulisten. Ebenso war er allen Kompositionen für das Heckelphon auf der Spur und verzeichnet sie auf derselben Homepage. Mit dieser Materialsammlung wuchs auch Hoos’ Wissen über das Heckelphon und sein Umfeld, welches in dem vorliegenden Buch extensiv dargestellt wird.

Wie ein Raumschiff immer wieder die Erde umkreist, so umkreist Hoos das Heckelphon und sein musikalisches Universum. Gelegentlich verändert er die Umlaufbahn und schaut in neuer Perspektive auf „sein“ Objekt. Wie gesagt, lässt der Titel „Das Heckelphon“ im ersten Moment eine Monographie über das Instrument erwarten, die alle Daten und Fakten in Bildern, technischen Zeichnungen und Tabellen darbietet. Diesen Gedanken an eine Monographie hat Hoos aber bereits frühzeitig verworfen. Hier liegt vielleicht auch eine kleine Schwachstelle des Buches, denn über das Heckelphon selbst erfährt man nur sehr versprengt im Text wenige technische Einzelheiten. Das ist schade, aber mitnichten eine Katastrophe.

Hoos schreibt eine „Geschichte der Musik“ – besser: er erzählt eine Geschichte über die Geschichte der Musik. Und wie das so beim Geschichtenerzählen ist: Nicht alles, was erzählt wird, stimmt genau so, wie es erzählt wird. Da wird schon mal der Phantasie freier Lauf gelassen, manches etwas ausgeschmückt. Aber Hoos wäre nicht Wissenschaftler (er ist Professor für Informatik, maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz), wenn er seine Geschichte nicht wieder ins rechte Licht rücken und richtigstellen würde.

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Holger Hoos: Das Heckelphon. Ungewöhnliche Einblicke in die Geschichte der Musik, Edition Tres Mundi, Aachen 2024, 437 S., Abb., € 42,50, ISBN 978-9-4037354-9-8

Holger Hoos: Das Heckelphon. Ungewöhnliche Einblicke in die Geschichte der Musik, Edition Tres Mundi, Aachen 2024, 437 S., Abb., € 42,50, ISBN 978-9-4037354-9-8

Text

So findet man in seinen Anmerkungen immer wieder Sätze wie: „Die Szene zu Begin des Kapitels ist zwar frei ersonnen, beruht aber auf einer Vielzahl bekannter Fakten.“ oder: „Während die Szene zu Beginn des Kapitels historische Fakten […] mit plausibler Spekulation verbindet, orientieren sich die Hintergrundinformationen […] eng an bekannten Fakten.“ –

Der Anmerkungsapparat irritiert beim ersten Durchblättern des Buches am allermeisten. Direkt im Anschluss an jedes Kapitel findet sich ein oft sehr ausladender Anhang. Hier wird quasi der Faktencheck zum Kapitel angeboten – nicht mit durchnummerierten Anmerkungen, sondern mit kleinen lexikonartigen Artikeln über einzelne Personen oder Themen (Gustav Mahler, Paul Hindemith, Die industrielle Revolution in Deutschland, Die Ursprünge des Films, Theaterorgeln etc.).

„Es gibt tatsächlich eine Lücke in der Familie der Doppelrohrblattinstrumente, eine fehlende Klangfarbe. Ich denke an ein Instrument zwischen dem Englischhorn und dem Fagott, das den Charakter der Oboe mit dem weichen, aber mächtigen Ton des Alphorns verbindet“, soll Richard Wagner zu dem späteren Erfinder des Heckelphons, Wilhelm Heckel, gesagt haben. Von dieser Idee über Richard Strauss, Paul Hindemith und viele fast vergessene Komponisten bis hin zum New-Orleans-Jazz und zur atonalen Musik, vom Deutschland des 19. bis zum Mexiko des 20. Jahrhunderts bietet das Buch Bekanntes, Unbekanntes und Ungeahntes rund um das Heckelphon und dazu im weitesten (!) Sinne in Beziehung Stehendem.

Ein Geschichts- und Geschichtenbuch allerfeinster Machart. Wer am Heckelphon nicht interessiert ist, wird hier eine informative Musikgeschichte finden. Wer das Heckelphon schon kennt, wird hinterher süchtig sein. Ein Wissenschaftler als Geschichtenerzähler – eine wunderbare Kombination!

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