Elegy for the Jewish villages. Lieder von Simon Laks/Antoni Slonimski, Maurice Ravel, Viktor Ullmann und Hugo Weisgall. Valérie Suty, Sopran; Vladimir Stoupel, Klavier
Edition Abseits EDA30
In jedem Ton sind der Ernst und die Zärtlichkeit zu spüren, mit denen Valéry Suty und Vladimir Stoupel dem Vergessenen eine Stimme geben. Am ehesten kennt man vielleicht noch das „Kaddisch“, das Maurice Ravel 1914 in aramäischer Sprache komponiert hat, in Kombination mit einer träumenden, artifiziellen Version des Gedichts „Frägt die Welt die alte Frage“. Dessen historische Melodie, von Ravel nur angedeutet, greift Simon Laks ein Menschenalter später wieder auf, oder: Er hält ihre Bruchstücke aneinander. Nach dem Vernichtungskrieg sind Imagination und Mahnung nicht mehr voneinander zu trennen. Laks hat Auschwitz überlebt, sein Augenzeugenbericht liegt auch auf deutsch vor, und einige seiner Klavierlieder wurden jetzt zum ersten Mal aufgenommen. Der Reichtum an Gedanken und Empfindungen, der aus ihnen spricht, macht bewusst, wie sehr es diese Miniatur-Szenen – vom Wiegenlied bis zum Verzweiflungsausbruch eines einberufenen Soldaten – wert sind, aus dem Abseits herauszutreten. Gleiches gilt für die Lieder des aus Mähren stammenden Hugo Weisgall. Seine Klangsprache ist schneller, energischer im Duktus; folkloristische Elemente im Klaviersatz werden gehärtet oder mit lakonischer Schärfe abgeschnitten.
Die Textdichter sind fast alle unbekannt. Eine Ausnahme bilden David Einhorn und Salman Schneur, von denen sich Viktor Ullmann 1944, wenige Monate vor seiner Ermordung, zu dem Triptychon „Kleine Birke“ inspirieren ließ – und schließlich Antoni Slonimski, der 1947 im Londoner Exil für einen polnisch-jüdischen Dialog plädierte. So, wie seine „Elegie“ hier gesungen wird – in der Vertonung von Simon Laks, mit leuchtenden Vokalfarben und verschwebenden Konsonanten – erinnert sie an das bildnerische Denken von Marc Chagall, dessen „zwei Monde aus Gold“ von Slonimski auch zitiert werden, als Chiffren für das Zerstörte, für das „Nicht mehr“.