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Chaotisch, elfenartig und lakonisch

Untertitel
Neuerscheinungen der Popindustrie, vorgestellt von Sven Ferchow
Vorspann / Teaser

Ein Lebenszeichen von Garbage! +++ Ziemlich lässige Geschichte, die The Dead Daisies zu ihrem Album „Lookin’ For Trouble“ brachte +++ Bei Lucy Gooch und „Desert Window“ darf man von einer Punktlandung sprechen +++ Stateside sind eine dieser Rockbands, die sich nicht ungeschickt dort bedienen, wo einst der Erfolg war +++ Ja, ja, ja! Mehr kann man zum Debütalbum „Ripped and Torn“ der Band Lifeguard aus Chicago nicht sagen

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1

Ein Lebenszeichen von Garbage! Die Band um Kultproduzent Butch Vig (Nirvana) und Sängerin Shirley Manson sendet Signale mit „Let All That We Imagine Be The Light“ (in Zahlen: das achte Studioalbum). Wie war das bitte schön. Damals 1995. Als Garbage plötzlich auftauchten. Rockmusik bahnbrechend elektronisch, trotzdem kompatibel hymnisch präsentierten. 2025 dauert es genau zehn Sekunden, um den Opener „There’s no future in optimism“ als glasklare Garbage-Nummer zu identifizieren. Was sich während des gesamten Albums fortsetzt. Shirley Manson singt und leitet, der Rest der Band verwaltet ein elektronisch eingefärbtes Songskelett, das oft in schon recht coolen Refrains gipfelt. Eventuell ist zuweilen ein sanfter Tupfer 80er-Synthie-Einfluss zu viel zu hören, stört aber nicht wirklich. Selten traf die Etikettierung „lakonische Rockmusik“ derart passgenau zu. Für Zweifler. (Garbage Unlimited)

2

Ziemlich lässige Geschichte, die The Dead Daisies zu ihrem Album „Lookin’ For Trouble“ brachte. Vom Stammbaum her eigentlich Rockmusiker, jammten The Dead Daisies nach den Tagesaufnahmen ihrer regulären Platte noch ein wenig im Studio (natürlich Nashville) und fanden sich schnell in der Improvisation einiger Bluesklassiker wieder. Weil das Material gut war, reichte es zum vorliegenden Album, das ein lupenreines Bluesalbum der Rocker wurde und unter anderem Klassiker wie „Black Betty“ neu interpretiert. Selbstverständlich fehlt der Hardrock nicht in den zehn Nummern des Albums, sodass man feststellen darf, dass „Lookin’ For Trouble“ rundum gelungen ist. Klingt „fresh“, roh und nie überambitioniert. Was vor lauter Blues-Ehrfurcht gerne mal passieren kann. (Label: The Dead Daisies)

3

Selten treffen die Beipackzettel der Plattenindustrie, die das eigene Produkt über den grünen Klee loben, ins Schwarze. Bei Lucy Gooch und „Desert Window“ darf man von einer Punktlandung sprechen. Bevor man „Desert Window“ hört, sollte man sich dringend vergewissern, dass man mit „Kate Bush, Vangelis-Dur-Akkorden und einem Nebeneinander von Folk-Ambient, das an die versetzten Madrigale von The Third Ear Band erinnert“ (Zitat Plattenfirma), klarkommt. Lucy Goochs elfengleicher Gesang schwebt nämlich geheimnisvoll über einem Feen-Wald und bildet zusammen mit den vorher genannten Vergleichen Versatzstücke, die sich irgendwann (hängt von der Anstrengungsbereitschaft des Hörers ab) zu einem Song vereinen. Das wirkt zunächst abschreckend. Auf lange Strecke gehört sind dies aber Songs, die keine Laufkundschaft sind, sondern oberstes Regal, also Streckware. Herausfordernd und einzigartig. (Fire Records)

4

Stateside sind eine dieser Rockbands, die sich nicht ungeschickt dort bedienen, wo einst der Erfolg war. „Where you found me“ vereint das Beste solcher Bands wie Dashboard Confessional, Blink 182 oder ähnlicher Weggefährten. Schnelle Riffs, teils unkonventionelle Songstrukturen und Breaks, stets begleitet von einer Brise oder Prise Punk (gerne allgemeinverträglich). Da gehen alle Studierenden, aber selbst Übriggebliebene der Emo-Rock-Ära richtig steil. Spätestens im Refrain (oft mit Hardcore Backgroundgesängen) explodiert die Einsicht der Älteren, dass das alles lange her ist und verfestigt sich die Ansicht der Jüngeren, das ginge alles so weiter. Kein Meilenstein, aber eine Erinnerung. (Pure Noise Records, Membran)

5

Ja, ja, ja! Mehr kann man zum Debütalbum „Ripped and Torn“ der Band Lifeguard aus Chicago nicht sagen. Asher Case (Bass, Baritongitarre, Gesang), Isaac Lowenstein (Schlagzeug, Synthesizer) und Kai Slater (Gitarre, Gesang) sind laut, ungehobelt, unkonventionell und positiv irre. Hier passt nichts zusammen, aber so klingen große Alben nun mal. „Ripped and Torn“ rumpelt und poltert durch alles, was sich Punk nennt, Kai Slater (Gitarre, Gesang) ist sich nicht zu schade, einen Refrain mit „la la la la“ zu intonieren und irgendwie ist diese angenehme Schrulligkeit wunderbar anzuhören. Großartig noch dazu, wie das Trio in jeden dieser zuerst unangenehmen Songs eine lässige, ungemein herzliche Freundlichkeit bringt, die jeden Song sympathisch macht. Nicht auszuschließen, dass man in einigen Titeln gar Akzente der NDW wahrnehmen könnte (Under Your Reach). Herrlich, dieses Chaos! (Matador Records)

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