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Nach 17 Jahren. Guns n’ Roses
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Die Keule in der Tasche lassen

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Neuer Pop: The Killers brillant, Nickelback desolat, Guns n‘ Roses gut durchdacht
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Na also. Die Dämonischen sind zurück. The Killers brillieren mit „Day & Age“ ein weiteres Mal. Musik, die aus den Achtzigern kommt, kurz in den Neunzigern rastet und mit voller Wucht ins Jahr 2008 prallt. Steife Gitarren, Tonnen an Keyboards. Pauschal der Poprock des gehenden Jahrzehnts.

Schwarzmalerei trifft Zukunftsglaube. In persona Brandon Flowers, dem geistesgegenwärtigen Sänger der Killers. Beseelte Texte, oft harte Worte. Meistens Wahrheiten. Und weil der SPIEGEL in jeder coolen US-Band immer gleich die „Retter des Rock“ vermutet, sei empfohlen: Einfach mal entkrampft ein geiles Poprockalbum hören und die Feuilletonkeule in der Popkomm-Umhängetasche lassen (www.thekillersmusic.com).

Gespenstisch steht es um die kanadischen Rocker Nickelback. Wobei man die stetig dahin siechende Musik der Radiogünstlinge und Platinmillionäre kaum mehr als Rock etikettieren dürfte. „Dark Horse“ ist ein musikalischer Tiefschlag. Unbedeutender kann man kein Songwriting mehr betreiben. Balladen, vor denen wir in den Achtzigern schon davon liefen, werden bei Nickelback rücksichtslos aufgebügelt. Die Rocksongs dümpeln zwischen „Irgendwann wollten wir coole Jungs sein“ und „Im Radio pelzen wir uns am liebsten“. Schade. Geld versaut den Rock (www.nickelback.com).

Lässig, mondän, soulig, leger, ungeniert und genügsam. Nur so verdient es Q-Tip, mit seinem Album „The Renaissance“ beschrieben zu werden. Jazziger Hip Hop kollidiert mit Rap. Einzigartig, unvergleichlich. Ohne dicke Hose führt der alte Fuchs den Hörer durch ein abwechslungsreiches Programm. Schmale Beats, galante Tasten, notwendige Streicher und Mr. Q-Tip als smarter Erzähler. Wenn Hip Hop immerzu so wäre; man könnte sich das glatt stundenlang anhören. Und müsste nicht eine Sekunde an unverbesserliche europäische Plagiatoren denken (www.myspace.com/qtip).

Zwei Größen der „Chicago New Jazz Scene“ haben sich zusammen getan. Schlagzeuger Charles Rumback und Saxophonist Charles Gorzcynski. Sie sind Colorlist. In „Photographs“ meditieren sie. Über Beats, Saxophonlinien, Tönen und Schwingungen. Das neigt sich Richtung Zeitraffer. Oder Auszeit. Kippt aber nie ins Schleierhafte oder Unausgereifte. Jeder Ton des Albums scheint intuitiv auf die Folgenden zu reagieren. Gesang ist nicht zu hören. Warum auch? Man muss desgleichen schweigen können, um musikalisch erhört zu werden (www.colorlist.net).

Eine persönliche musikalische Inventur fordern Mudvayne mit „The News Game“ ein. Entweder Rockhaudegen oder Schmalspurpopper. Die Band in Matrizen wie „Grunge-Core“ oder „Punk-Grunge“ einzufügen, scheitert seit vielen Jahren. Mudvayne bespritzen den Hörer mit allen Genres ohne sich nass zu machen. Sie greifen geniale Riffs auf, die faktisch so klingen wie Nickelback (siehe oben), das eher unbeholfen versuchen. Und Frontmann Chad Gray nimmt kein Blatt vor den Mund und spricht Klartext. Das verstehen wir. Bringt zwar keine Millionen. Aber Glaubwürdigkeit (www.mudvayne.com).

17 Jahre musste man auf ein neues Werk von Guns n’ Roses beziehungsweise Axl W. Rose warten. „Chinese Democracy“ nennt es sich. Die Frage lautet: Hat sich das Warten gelohnt? Ja. Absolut. Bleiben wir mal unpathetisch: Das sind nicht die alten Guns n’ Roses: Aber auch mit den Neuen lässt es sich gut leben. Brachiale Riffs, gute Refrains und ein wenig neumodische Elektrospielerei. Ein Rockalbum, das man dieser Tage doch irgendwie vermisst. Und Axl W. Roses Stimme? Gnadenlos exzentrisch. Wie gehabt. Seine Texte? Gut durchdacht, die Begleitband klug gewählt. Dass Musik mitunter Leben ist, triff auf „Chinese Democracy“ vollends zu (www.gunsnroses.com).

Diskografie
The Killers – Day & Age (21.11.2008, Island)
Nickelback – Dark Horse (31.10.2008, Universal)
Q-Tip – The Renaissance (07.11.2008, Stilll/Offf)
Colorlist – Photographs (07.11.2008, Warner)
Mudvayne – The News Game (14.11.2008, SonyBMG)
Guns n’ Roses – Chinese Democracy (21.11.2008, Geffen)

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