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Als forschende Instrumentalistin treibt Susanne Fröhlich das Repertoire für Blockflöte ideenreich voran und hat mit gängigen Vorurteilen gehörig aufgeräumt

Als forschende Instrumentalistin treibt Susanne Fröhlich das Repertoire für Blockflöte ideenreich voran und hat mit gängigen Vorurteilen gehörig aufgeräumt

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Expressions-Alarm und Lachtherapie

Untertitel
Neue CDs neuer Musik, vorgestellt von Dirk Wieschollek
Vorspann / Teaser

Als forschende Instrumentalistin treibt Susanne Fröhlich das Repertoire für Blockflöte ideenreich voran und hat mit gängigen Vorurteilen gehörig aufgeräumt. +++ Lei Liang, chinesischer Komponist, ist mit dem Ozeanographen Joshua Jones tief in die eisigen Gefilde der Arktis abgetaucht. +++ Aktueller Gast in der Portrait-Reihe der Edition Zeitgenössische Musik ist Benjamin Scheuer (*1987). 

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Als forschende Instrumentalistin treibt Susanne Fröhlich das Repertoire für Blockflöte ideenreich voran und hat mit gängigen Vorurteilen gehörig aufgeräumt. Aber was heißt schon „Blockflöte“? Auf Fröhlichs aktueller CD-Produktion „UKAI“ kommen illustre Vertreter einer gemeinhin unterschätzten Instrumentenfamilie wie die Helder Evo Tenor- und Altblockflöte oder die skulptural imposante Paetzold-Kontrabassflöte zum Einsatz. Das be­ginnt als Statement des Wesentlichen mit anonymer japanischer Flötenmusik aus dem 17. Jahrhundert (leider nicht auf der Shakuhachi). Nahtlos an den Geist kontemplativer Naturevokationen knüpft Markus Zahnhausen mit seinen „Jahreszeichen“ (1989/91) daran an. Dann wendet sich das Blatt. Chaya Czernowin hat mit „The last leaf“ einen eigens für Fröhlich eingerichteten Monolog beigesteuert (ursprünglich für Oboe), der Kontraste zwischen zerbrechlichen Klanggebungen und überfallartigem Expressions-Alarm in den Blick rückt. Eine noch größere Vielfalt der Artikulationen beinhaltet die „zornige“ Erzählung von Sarah Nemtsovs „IRA“ (2013) auf einer mit Alufolie präparierten Paet­zold-Flöte. Mit Gerriet Krishna Sharma arbeitet Susanne Fröhlich schon seit längerem zusammen, um hybride Räume aus Instrumentalklang und Elektronik zu entwerfen. In „buriedwithdaisy“ (2023) treffen erstmals Subkontrabassblockflöte, Ikosaeder Lautsprecher und ein Subwoofer-Turm aufeinander. Die Studioversion einer längeren „Konzertinstallation“ spielt geräuschintensiv und experimentell vielschichtig mit 3D-Klangprojektionen einer Flötenstimme, die so verschieden klingt als wäre ein ganzes Ensemble am Werk. (Genuin)

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Lei Liang, chinesischer Komponist, ist mit dem Ozeanographen Joshua Jones tief in die eisigen Gefilde der Arktis abgetaucht. 300 Meter unter der Meeresoberfläche installierten sie Mikrophone, die ein Jahr lang das Leben der Unterwasserwelt dokumentierten. Die daraus gewonnene Tonband-Schicht bildet die Grundlage für „Six Seasons“ (2022). Eine unbestimmte Zahl improvisierender Instrumente sucht hier den Dialog mit eigentlich verborgenen Verlautbarungen der Natur. In einer Version für Violine und Viola d’amore kann Marco Fusi seine ganze Feinmotorik ausspielen. Er meidet in dieser hoch sensitiven Zwiesprache von Mensch und Natur jedwede Form vordergründiger Expressivität und verschmilzt oft zur Unkenntlichkeit mit der maritimen Realität zu einer neuen poetischen Wirklichkeit. (Kairos)

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Aktueller Gast in der Portrait-Reihe der Edition Zeitgenössische Musik ist Benjamin Scheuer (*1987). Er bewegt sich in der sogenannten Neuen Musik auf dünnem Eis, nämlich auf dem gefährlichen Terrain des musikalischen Humors. Seine „Impulsiven Lieder“ (2015/16) sind ein Kompendium skurriler Interaktionen von Stimme und Ensemble mit wunderbar schrägen Instrumentationen und comichaften melodischen Girlanden, die in kaputter Vertrautheit gängige Erwartungshaltungen beständig unterlaufen. Oft, vielleicht zu oft, klingt das aber nach Parodie experimenteller Vokalkompositionen, die wir inzwischen in- und auswendig kennen. Die „Sprachmaschine“ (2021) hingegen ist ein überdrehtes Schlagzeug-Solo, deren Inventar einiges über ihren Charakter aussagt: die Hauptdarsteller heißen Quietscheentchen und quiekende Gummischweinchen. Am überzeugendsten zünden Scheuers kompositorische Pointen immer dann, wenn er sein Können als findiger Orchestrierer des Absurden ausleben kann. Wie in „Regal“ (2007), wo 11 Spieler und Sampler des ensemble risonanze erranti sich dem Schrägen und Seltsamen bravourös hingeben. In der finalen „Lachtherapie“ für einen Pianisten (2011/21), eine hysterische Synchronisation von Lautartikulationen und Klavierspiel, wird ein Dilemma aber allzu deutlich: Irgendwann beginnt der unentwegte Karikatur- und Spaß-Modus von Scheuers humoristischen Kapriolen, an den Nerven zu zerren … wie das halt so geht, wenn jemand ununterbrochen Witze erzählt. (Wergo) 

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