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„Wie man zum Stein spricht ...“
„Wie man zum Stein spricht ...“
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Fluoreszierende Klangflächen

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Neue Musik auf neuen CDs, vorgestellt von Dirk Wieschollek
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Neue Aufnahmen von und mit: Gabriel Iranyi, Dominik Susteck, Dorrit Bauerecker, Manos Tsangaris, Oxana Omelchuk, Alvin Curran, Kalevi Aho, Milica Djordjevic.

Die Kunststation Sankt Peter Köln sucht nicht nur neue Verbindungen von zeitgenössischer Kunst und Liturgie, sondern ist unter Federführung von Dominik Susteck seit geraumer Zeit auch eine Brutstätte neuer Orgelmusik. Der Organist macht in seiner aktuellen Produktion mit Gabriel Iranyi bekannt, der künstlerisch zwischen Rumänien, Israel und Deutschland oszilliert. György Ligeti und György Kurtág waren zwei wesentliche Anknüpfungspunkte für Iranyi und das hört man vor allem in der Prägnanz der musikalischen Aussage bei gleichzeitiger Vielfalt der Gedanken und Formen. Die nehmen häufig von literarischen Quellen ihren Ausgang, gehen dann aber eigene Wege, bildhaft und assoziativ, ohne eine konkrete Geschichte erzählen zu wollen. Die expressive Intensität ist mit Händen zu greifen, im Falle von „Wie man zum Stein spricht ...“ (2015), inspiriert von Celans „Radix Matrix“, ein veritabler Klangrausch, wo fluoreszierende Klangflächen von scharfkantigen Dissonanzen aufgeraut werden. In „Ich schau empor nach jenen Bergen… (2005) begibt sich Susteck zusammen mit Sabine Akiko Ahrendt (Violine) auf eine spirituelle Reise durch den 121. Psalm, elegische Melodiepartikel aufsammelnd, schroffe Auseinandersetzungen nicht scheuend. (Deutschlandfunk/kreuzberg records)

Im Gegensatz zur Orgel ist das Akkordeon längst eine feste Größe in der neuen Musik. Einmal mehr beweist das Dorrit Bauerecker in einem feinen Solo-Recital. Manos Tsangaris’ „Beiläufige Miniaturen: Viscum Album I-VII“ (2013) überraschen mit minimalistischer Klangpoesie. Schräge MIDI-Comics hingegen bei Oxana Omelchuk und ihren „5 Widmungen an die verborgenen Empfänger“ (2013), die Versatzstücke aus Pop, Jazz, Folklore, Sinfonik und Filmmusik verhackstücken. In Alvin Currans bemerkenswert konzentriertem Klavierzyklus „Inner Cities“ (1991–2013) ist Bauerecker auch am Klavier ausdrucksstark zwischen Lakonie (Nr. 3 für Toy Piano) und spiritueller Tiefenschärfe (Nr. 9) unterwegs. Sie macht die stillen Orte dieser „inneren Städte“ ebenso erfahrbar wie deren wuchtige Architekturen. (Kaleidos)

Angesichts der Qualität dieses fast vollständigen Überblicks von Kalevi Ahos Klavierwerken mutet es seltsam an, dass es auffallend schmal geblieben ist. Gewichtiges und Aphoristisches halten sich die Waage. „Sonata“ (1980) und „Solo II“ (1985) verlangen alles, was ein avancierter Pianist an Virtuosität und expressivem Gestaltungsvermögen so aufbieten kann. Das „Prestissimo“ der „Sonate“ endet in heftigen Clusterentladungen, das raumgreifende „Tranquillo molto“ beginnt still und mündet in Liszt’schen Orchesterevokationen. Auch die bescheidener angelegten Stücke haben es in sich: die „Two Easy Piano Pieces for Children“ (1983) verstecken im lustigen Scherzo-Gewand bizarre Gewaltfantasien. Andreas Skouras’ Interpretationen sind klanglich differenziert und rhythmisch zupackend. (Neos)

Aktueller Gast in der Edition Zeitgenössische Musik ist die serbische Komponistin Milica Djordjevic. Sie kann sich in verschiedensten Kammermusikformaten auf die Eloquenz des ensemble Musikfabrik verlassen. So kryptisch Titel wie „The Death of the Star-Knower – petrified echoes of an epitaph in a kicked crystal of time I&II“ (2008/09) daherkommen, so unvorhersehbar sind die Verläufe einer Musik, die ganz von der Sinnlichkeit der Klangformung her gedacht ist. Das Unfertige und Fragmentarische ist hier Programm, dennoch entwickelt Djordjevic aus minimalen Ausgangsmaterialen vielschichtige Klangprozesse und beeindruckende Energien. Einen hemmungslosen Klang-Exzess veranstaltet in dieser Hinsicht „FAIL“ für Cello und Live-Elektronik (2010), wo massive Verzerrungen und Lautstärkegrade einen Aufruhr veranstalten, als wäre hier ein entfesselter Trupp Gitarristen vor ihren Marshall-Türmen am Werk. (Wergo) 

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