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Greg Holden, Schotte und in New York lebend, kratzt auf seinem Album „Chase the Sun“ doch noch die Kurve.
Greg Holden, Schotte und in New York lebend, kratzt auf seinem Album „Chase the Sun“ doch noch die Kurve.
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Glanz und Gloria

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Neuveröffentlichungen der Popindustrie, vorgestellt von Sven Ferchow
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Aktuelle Musik von und mit: Bon Jovi, Märvel, Mark Tavassol, Klaas Heufer-Umlauf, Greg Holden, Madsen, Uncle Acid & the Deadbeats, Adam Lambert.

Popmusik. Schimpfwort oder Lebensgefühl? Kommt darauf an. Adam Lambert aus Amerika, und dort erfolgreich, vertritt den urbanen, vorhersehbaren Popmusikgedanken. „The Original High“, sein aktuelles Album, ist auf Hochglanz gebohnert, keine einzige Note dem Zufall überlassen und selbstverständlich sieht Adam Lambert aus wie Jungs, die diese Art Musik machen nun mal aussehen müssen: glänzend. Max Martin, der alte Schwede, steckt hinter dieser Produktion und weil der bereits Maroon 5 oder Katy Perry mit seinem Popbrei an die Spitze gehievt hat, wird dies auch mit Adam Lambert passieren. Ein Album, das nach ESC klingt, aber sicher drei Klassen höher einzustufen ist. (Warner)

Die Briten Uncle Acid & the Deadbeats verstehen Musik anders als der oben genannte Kollege Lambert. Ihr viertes Album „The Night Creeper“ ist selten greifbar, oft spannend und nie beliebig. Rockmusik mit folgenden Beschreibungen darf man dabei hören: Riff-lastig, psychedelisch, retro, zerstörerisch, anmaßend und genial zähflüssig. Was man zum Hören braucht: Zeit, Muße, eine solide, in den 70ern verortbare Rockbasis und Einsamkeit. (Rise Above)

Seit vielen Jahren sehr gute, aber oft übersehene Wertarbeit liefert die deutsche Band Madsen ab. So auch auf „Kompass“. Pathos-befreite Texte, geradlinig, keine einzige Schwülstigkeit. Man kann hier, muss aber nicht nach tieferen Sinnen suchen. Denn Madsen bleibt hier optional (Lob!). Und oft auch so herrlich zweigleisig ironisch wie in „Küss mich“, dessen von allen bestimmt schon erlebter Textinhalt locker leicht musikalisch begleitet wird, und selbst dramatische Beziehungserlebnisse ins angemessene Licht rückt. „Kompass“ macht Spaß, bietet viel zu entdecken an und findet stets die angebrachten Worte zur idealen musikalischen Begleitung. (Four Music)

Der Opener „Hold On Tight“ erinnert in den ersten Sekunden melodisch an „Mumford & Sons“. Doch Greg Holden, Schotte und in New York lebend, kratzt auf seinem Album „Chase the Sun“ doch noch die Kurve, denn Indie-Rock muss ja heute nicht zwingend wie „Mumford & Sons“ klingen. Ganz überzeugen kann „Chase The Sun“ für eine als Indie-Platte angepriesene Veröffentlichung aber letztendlich nicht. Es fehlt der Mut, die kompletten Tiefen des Lebens auszuloten (Boys in the street, Give it away) oder einfach mal keinen radiotauglichen Refrain anzubieten (It’ll all come out). Dass Greg Holden auf einem guten Weg ist, bleibt hörbar. Vielleicht fügt er sich ja noch ein paar Schrammen, Kratzer und Wunden zu. (Warner)

Hätten wir den Begriff „lakonische Rockmusik“ nicht schon allzu oft gehört, dann hätte er für Gloria erfunden werden müssen. Mark Tavassol (Wir sind Helden) und Klaas Heufer-Umlauf begeistern mit und auf ihrem zweiten Album „Geister“ sehr oft. Nicht weil das revolutionär ist. Oder Klaas Heufer-Umlauf ein begnadeter Sänger wäre. Es ist diese kaum beschreibbare Stimmung, die mit den ersten Takten von „Heilige und Hunde“ beginnt und nie aufhört. Die man doch selbst sein Leben sucht, diese Stimmung. Etwas haben, doch anderes erreichen wollen. Tavassol und Heufer-Umlauf fabrizieren das recht einzig- und großartig. Darf man an dieser Stelle gerne mal platt formulieren. Warum die das können, bleibt rätselhaft. „Geister“ jedenfalls hat Charakter, fordert auf, in sich zu gehen und macht nicht den Fehler vieler Deutschtexter, Kalendersprüche zu publizieren. Schon schön. (Grönland)

Das Trio Märvel aus Schweden steht für unkomplizierte Rockmusik, die ihren Ursprung durchaus im Hardrock findet, aber in ihrer Leichtigkeit und Lässigkeit durchaus Sommerfest-Potential hat. Das Minialbum „The Hills Have Eyes“ hat keinerlei Schwachstellen. Riff-geprägte Songs, eine vernünftige Rhythmus-Sektion, eine bekannte, aber liebenswerte Art des geknödelten Gesangs und jede Menge Spielfreude. Keine Ahnung, wer mehr braucht. (Cobra Records)

Dass Bon Jovi irgendwann ein Album mit dem Titel „Burning Bridges“ veröffentlichen, war abzusehen. Leider kann man schnell feststellen, dass bei Bon Jovi nichts mehr brennt. Die Songs: ein Sammelsurium aus Selbstzitaten, Eigenkopien und billigen Balladen, die Jon Bon Jovi freilich mühelos aus dem Ärmel schüttelt. Mit Anspruch oder Qualität hat das nichts mehr zu tun. Irgendwie traurig. (Island) 

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