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Neujahrsblues

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Neuerscheinungen der Popindustrie, vorgestellt von Sven Ferchow
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Langeweile und Frustessen waren für Elton John während des Lockdowns offenbar keine Option +++ Das 14. Album veröffentlichen Neil Young and Crazy Horse mit „Barn“ +++ Was für ein wunderbares Album von Fleet Foxes zwischen den Jahren 2021/2022 +++ Eine Veröffentlichung, die sich mit Schubladen und Einordnungen kaum beschreiben lässt, vermag meist zu überraschen. So geschehen mit Beach House und ihrem Album „Once Twice Melody“ +++ Zu guter Letzt ein wehmütiger Blick zurück. Obwohl längst aufgelöst, gibt es von Oasis eine lang und sehnlichst erwartete Live-Platte

Langeweile und Frustessen waren für Elton John während des Lockdowns offenbar keine Option. Stattdessen holte er sich ein paar Freunde, Nachbarn und Musiker ins Studio und schuf ein neues, weiteres Album: The Lockdown Sessions. Macht Sinn, wenn man Lil Nas X, Young Thug, Nicki Minaj, Eddie Vedder von Pearl Jam, Ed Sheeran oder Stevie Wonder und Stevie Nicks zu seinen engeren Bekanntschaften zählt. Die Frage stellt sich bei einem Großen wie Elton John natürlich sofort: wozu? Geht es um Eitelkeit, mit aktuellen Chartbreakern zu arbeiten und den Beweis, immer noch „up to date“ zu sein? Oder geht es um neue Wege, Einflüsse oder Arbeitsweisen? Das Album selbst gibt wenig Antworten auf diese Fragen. Da gibt es beispielsweise eine völlig schwülstige Nummer namens „Merry Christmas“ mit Ed Sheeran und vielen überflüssigen Weihnachtglocken, da gibt es „Stolen Car“ mit Stevie Nicks, das irgendwie mit angezogener Handbremse dahinschleift und da gibt es ein Duett mit den Gorillaz, das fast apathisch genial frickelt und brizzelt. Oder die rockandrollende, honkytonkige Nummer „E-Ticket“ mit Eddie Vedder, der Elton John gesanglich an die Wand drückt und mit seiner rotzfrechen Nasalgitarre den Piano­ruhm stiehlt. Hätte nicht sein müssen, das Album, aber Elton John kann es schon noch. (Universal Music)

Das 14. Album veröffentlichen Neil Young and Crazy Horse mit „Barn“. Und was soll man lamentieren. Nichts anderes und genau so wollte man das haben. Verträumte, unheimlich geräumige Songs aus der Prärie (Song of the seasons), bluesige Ausflüge (Change ain’t never gonna) sowie unerbittliche Americana-Nummern (Canerican, Heading West). Freilich stets mit sozialkritischer, den Finger in die amerikanische Wunde legender Attitüde. Wobei Neil Young einmal mehr betont, dass er in Kanada geboren ist und das wohl bleibt (Canerican). Charmant wie immer bei Neil Young and Crazy Horse: beim ein oder anderen Übergang in Refrains oder Bridges rumpelt und holpert es gewohnt heftig, aber hey: That’s Rock’n’Roll. (Reprise Records)

Was für ein wunderbares Album von Fleet Foxes zwischen den Jahren 2021/2022. „A very lonely solstice“ greift das Herz an. Bereits mit dem Eröffnungssong „Sunblind“ beginnt der Herzschmerz. Und hört einfach nicht auf. Die aus Seattle, USA, stammende Band versteht sich als eigene Interpretation aus Folk, Songwriting und vertonter Poesie. Nie hat man das Gefühl, Fleet Foxes bedienen sich bei anderen oder verdünnen deren Werk. Sie klingen traurig, sind es aber nicht. Sie sind leise, aber keineswegs still. Und sie gehen der großen Gefahr des Folk, nämlich schnell langweilig zu werden, ziemlich geschickt mit schönen Akkordfolgen und einer guten Songpositionierung aus dem Weg. „A very lonely solstice“ hilft beim Seelenblues. (Anti/Indigo)

Eine Veröffentlichung, die sich mit Schubladen und Einordnungen kaum beschreiben lässt, vermag meist zu überraschen. So geschehen mit Beach House und ihrem Album „Once Twice Melody“. Klar. Man kann das „Alternative“ nennen. Man darf aber ebenso behaupten, das ist Rockmusik ohne Gitarren. Genauso gut ist „Once Twice Melody“ aber ein cineastisches Werk, das mit ausufernden Perspektiven hadert und mit dramatischen Aspekten aufwartet, das jedoch desgleichen zur „Coming of Age“-Party in New York und vor allem zum Morgen danach passt. Faszinierend, welch interessante Blickwinkel mit „Once Twice Melody“ ausgeleuchtet wurden und beim Hören selbst entdeckt werden dürfen. (Pias/Bella Union)

Zu guter Letzt ein wehmütiger Blick zurück. Obwohl längst aufgelöst, gibt es von Oasis eine lang und sehnlichst erwartete Live-Platte. „Knebworth 1996“ ist ein Konzertmitschnitt mit Legendenstatus. Ob der Sound in den Neunzigern technisch einfach nicht besser mitgeschnitten werden wollte oder ob Oasis eben klingen wie Oasis, egal. Die Songauswahl ist brillant. Und letztendlich bedeuteten das gesamte Konzert sowie Oasis selbst einfach nur die Reduktion der Reduktion. Fünf Typen. Vier Instrumente. Dankeschön. Mehr war in den Neunzigern wirklich nicht nötig, um Konzerte zu füllen und Millionen Platten zu verkaufen. Okay. Das Songmaterial musste passen. Aber da haben die Beatles ja genug hinterlassen. Ich erspare mir jegliches Reunion-Genöle. Oasis forever. (Pias/Bella Union)

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