Sven Ferchow hat Musik von HVOB, Hozier, Joanne Shaw Taylor und Bryan Adams abgehört.
Nun, Bryan Adams war ja doch schon immer irgendwie massenkompatibel. Das gelang ihm oft recht kantig, überwiegend öfter jedoch eher seicht. Wenn es je einen Kaiser der schmalzigen Kuschelrockballade gegeben hätte, Bryan Adams hätte den Thron seit Jahrzehnten verdient besetzt. „Shine A Light“, sein aktuelles Album ist so gesehen keine Enttäuschung, wenn man auf beliebige, austauschbare und homöopathische Popnummern steht, die dann und wann einen aufgesetzten Rockglanz verströmen. Da bröseln Songs erschreckend sanft dahin (Shine a Light, All or Nothing), da verwirren Rock’n’Roll-Ausleihen oder Country-Anbiederungen (Party Friday Night…, No Time for Love) und insgesamt ist das eben ein Bryan-Adams-Album, von dem man den Eindruck hat, dass er nicht wirklich Bock hatte, was Gescheites zu machen. Man kann nicht mal „nett“ dazu sagen, denn dafür findet diese Art von Musik zu viele Anhänger. Irgendwie schade, dass Bryan Adams seine ruppigen Gitarrenriffs (Run to you, One night love affair, The only thing that looks good…) komplett abgeschafft hat. Anspieltipps: irgendwie alles. (Universal Music)
Den Namen Joanne Shaw Taylor muss man noch nicht kennen. Sollte man aber ab sofort. Denn wenn Jools Holland sie als „umwerfendes Talent“ bezeichnet, dann lohnt sich eine nähere Betrachtung allemal. Was uns die britische Sängerin/Songwriterin/Gitarrenspielerin auf ihrem Album „Reckless Heart“ anbietet, lässt staunen. Schnörkelloser Rock, den sie selbst mit Gitarre und Stimme antreibt. Der berechtigte Spuren Richtung Soul und Blues legt, der aber ebenso die Biege Richtung Hardrock der späten 70er-Jahre beherrscht und geschickt unterhebt. Jetzt mag man überheblich die Nase rümpfen und fragen, ob denn diese Art der Musik überhaupt noch funktioniert, Hörer findet und überleben kann. Darauf lässt sich ziemlich simpel mit „Joanne Shaw Taylor“ antworten. Sie lebt dieses Gefühl, diese Musik, diese Ausdrucksweise. In jeder Note umgarnt den Hörer diese Echtheit. Der Musik. Der Künstlerin. Dass Joanne Shaw Taylor dieses Album von Al Sutton, der gerade erst die Teenie-Zeppelins „Greta Van Fleet“ produzierte, mit ins Boot nahm und irgendwie symbolisch mit ihm in der Arbeitermetropole Michigan aufnahm, passt fast zu perfekt ins rüde Bild der rotzigen Rockmusik. Anspieltipps: In the mood, Bad Love, Reckless Heart. (Silvertone)
Dass man Popmusik – vor allem gute Popmusik – nicht immer verteufeln muss, liegt unter anderem an Künstlern wie Hozier, der seinen weltweiten Durchbruch 2015 mit „Take me to Church“ hatte. Der Ire (wir hoffen auf keine Zusammenarbeit mit U2) zeigt auf „Wasteland, Baby“ recht wirkungsvoll, wie Popmusik spannend, frisch, interessant und relevant klingen darf. Das liegt zunächst daran, dass man jedem seiner Songs anmerkt: Hozier nimmt sich selbst nicht so wichtig. Dafür seine Musik. Etwas Folk, eine Prise Soul, ein Löffel Gospel und ein Becher Blues versüßen seine oft angenehm verträumten Melodien. Die nicht so dramatisch daherkommen, wie man das kennt, sondern sehr aufgeräumt und minimalistisch. Ein Piano, ein bisschen Streicher sind doch auch mal ausreichend. Einfach grundseriös, ohne langweilig zu sein. Schon breitbandig bezüglich des Publikums angelegt, dennoch kein Allerlei oder Abklatsch. Muss man gut finden. Anspieltipps: Movement, As it was, Talk. (Universal)
Es hilft nichts. Man muss mal neue Wege beschreiten. Sich öffnen. Die alten Pfade verlassen. Helfen dabei kann HVOB. Eine Abkürzung für „Her Voice Over Boys“. Dahinter steckt ein Produzententeam aus Österreich, genauer sogar Wien. Anna Müller und Paul Wallner machen – grobschlächtig formuliert – elektronische Musik. Was für Eingeweihte ja fast eine Beleidigung ist. „Rocco“, das aktuelle Album, bietet definitiv mehr als Elektronik. HVOB zeigen coole, distanzierte, nahbare, kalte, verwirrende, organisierte und stets aufwühlende Ton- und Klangperspektiven auf. Keine nerdartige Soundeskapade. Nein. Ein Aufzeigen von Harmonien, die ich mit Kopfkino verbinde. Ein Insichgreifen von Ideen, Technik und komponierter Wärme. Ohne Zweifel ein gutes, natürlich anderes Album. Aber ein entdeckenswertes. Anspieltipps: bitte in einem Durchgang hören. (PIAS)