Der Sommer ist lang. Viele Veröffentlichungen. Viel Hörmaterial. Ein kleiner Querschnitt, was zu hören ist.
Rechtzeitig zu den wärmeren Tagen veröffentlicht Rob Thomas, ursprünglich Frontmann der Band Matchbox 20, sein zweites Soloalbum „cradlesong“ mit Liedern, die nicht wehtun. Ähnlich wie beim ersten Soloalbum verdingt er sich in konsequenter Langeweile. Die lässt er dafür perfekt inszenieren und produzieren. Nichts von der Ruppigkeit der Platin bestaubten und millionenfach verkauften Matchbox 20-Alben bleibt übrig. Aalglatte Refrains und unaufgeregte Texte auf Ratgeber-Niveau der Fernsehzeitungen. Schade. Warum so wenig Mut und Esprit, Neues zu wagen? Ein Album, das mit seinen konstruierten Hits einschlagen wird, aber dem Ausnahmesänger irgendwie gar nicht gerecht werden will.
Die Manic Street Preachers pendeln seit Jahren und neun Alben zwischen cool aber auch abgedroschen. „Journal for Plague Lovers“ arbeitet nun die eigene Bandgeschichte auf. Vor knapp 15 Jahren verschwand der Gitarrist und Kopf der Band, Richey Edwards, spurlos. Vom Erdboden verschluckt. Bis heute kein Lebenszeichen. Hinterlassen hat er ein paar Textfragmente. Jene bilden nun den Rahmen des neuen Albums. Und weil 15 Jahre fast eine Zeitreise sind, hat sich die Band auch musikalisch in die analoge Aufnahmesteinzeit zurückgebeamt. Roh wurde aufgenommen. Direkter Sound, wenig Nachbearbeitung. Na ja, das klingt zuweilen nach Rockmusik. Alles in allem aber wieder nur ein typisches Manic-Street-Preachers-Album. Das eventuell ein wenig emotionaler wirkt. Wohl gekonnte Stangenware.
Vor Axel Wolph, dem Östereicher mit neuer Heimat Los Angeles, kann man nur den Hut ziehen. Locker schüttelt er Songs aus dem Ärmel, für die sich andere die Hände brechen müssten. Axel Wolph ist ein altbewährter Songwriter, mag eher die ruhigen Töne, verweilt in dynamischen Steigerungen und hat das Händchen, nicht nur einen Song zu vermitteln, sondern ein Gefühl: Lebenskino zum Beispiel. Das war schon beim letzten Album („Poet with a punk’s heart“) so, das wird mit „The Weekend starts on Wednesday“ eindeutig noch besser. Vergleiche sind natürlich ungerecht und immer unzutreffend. Aber wer Jack Johnson mag, dürfte mit Axel Wolph genauso zurechtkommen.
Marta Collica ist Sizilianerin, Musikerin und Grafikerin. „About Anything“ ist ihr zweites Soloalbum, im Berliner Wohnzimmer aufgenommen und sehr schön geworden. Mit eingefahrenen Mustern und Rezepten hält sie sich nicht lange auf. Die Intros dauern lange, die Instrumente werden querbeet zur Zweckerfüllung verwendet, ihr Gesang ist vielseitig, traurig und verführerisch. Dunkel vor allem. Ob das Songwriting ist, Indie-Pop oder kontemporär? Keine Ahnung. Doch prinzipiell ein Herbstalbum, das viel Sonnenschein und Mut enthält. Zum Zurückziehen, Nachdenken. Aber in erster Linie zum Nachvorneschauen.
Beschrieben wird The Airborne Toxic Event als Mischung aus U2, The Clash, The Arcade Fire und Modest Mouse. Dem kann man uneingeschränkt zustimmen. Die Amerikaner aus L.A. pflegen zwar den gangbaren Kommerz, geizen aber nicht mit musikalischen Ausreißern und künstlerischem Querdenkertum. Ihr selbstbetiteltes Album gefällt durch abwechslungsreiche Songs, die sich im Indie-Pop und gezügelten Pop-Rock baden. Warum nicht. Die Radiosender der Vereinigten Staaten drehen jedenfalls voll durch. Für Europa ist The Airborne Toxic Event sicher eine Spur zu progressiv. Der Refrain soll bei uns gefälligst immer gleich klingen. Als Experiment zu empfehlen.
Diskographie
Rob Thomas – Cradlesong (26.06.09, Atlantic)
Manic Street Preachers – Journal for Plague Lovers (15.05.09, Sony)
Axel Wolph – The Weekend starts on Wednesday (09.09.2009,
United Indies)
Marta Collica – About Anything (31.07.09, Solaris Empire)
The Airborne Toxic Event – The Airborne Toxic Event (10.07.09, Island)