J. S. Bach: Six Suites for Viola solo BWV 1007–1012, Kim Kashkashian. ECM New Series +++ Igor Strawinsky: Le sacre du printemps, L’oiseau de feu, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Mariss Jansons. BR Klassik +++ Camillo Togni: Werke für Flöte. Roberto Fabbriciani, Flöte, Piccoloflöte u.a. Naxos
J. S. Bach: Six Suites for Viola solo BWV 1007–1012, Kim Kashkashian. ECM New Series
Das Unendliche, die Weite, das musikalisch grenzenlos Umgrenzte, die Trauer, die Freude, das Unsagbare: Immer wieder finden diese Bereiche konkreten Ausdruck bei Johann Sebastian Bach. „Ob in der Höhle des Minotaurus oder in der Kathedrale von Chartres – Bach leitet uns durch alle Labyrinthe und führt uns zu immer neuen Ein- und Ausblicken“, formuliert die große Bratscherin Kim Kashkashian im Booklet. Jetzt veröffentlichte sie sechs Solosuiten, und wiewohl wir diesen Zyklus als vom Cello okkupiert kennen, freuen wir uns an völlig neuen Klangwelten der armenischen Amerikanerin aus Boston. Da greifen introvertierte, melancholische Spiritualität und absolut klares Denken in eins, vom Komponisten so angelegt, von der Interpretin so dargelegt. [Wolf Loeckle]
Igor Strawinsky: Le sacre du printemps, L’oiseau de feu, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Mariss Jansons. BR Klassik
Strawinskys „Sacre“ als eine werkbiographische Interpretations-Aufgabe! Jansons hat sich dazu herausfordern lassen. Gegenüber seiner brillanten Aufnahme von 1993 mit den Osloer Philharmonikern stellt sich sein erst jetzt veröffentlichter Live-Mitschnitt von 2009 kaum anders dar, wie es zunächst erscheint. Aber Details bestimmen den Eindruck. Jansons gelingt eine noch tiefere Durchdringung der Stimmschichtungen, in die scharfrhythmisch ausgestellte Passagen sich umso härter einbohren können und nun wie eingerammte Pfahlbegrenzungen anmuten. Wenn Jansons 1993 dramatisch darstellte, schürft er sechzehn Jahre später, ohne die eruptive Drastik einzudämmen, mit eindringlichster Plastizität nach aussagekräftigen Konstruktionen in der Strukturbildung, wo diese den Satz belebt. Jansons schildert nicht mehr die Musik, sondern er erzählt sie. Mit den Münchnern gelingt ihm das noch zugewandter als damals schon mit den Osloern. [Hanspeter Krellmann]
Camillo Togni: Werke für Flöte. Roberto Fabbriciani, Flöte, Piccoloflöte u.a. Naxos
Der vor 25 Jahren verstorbene Camillo Togni ist von den italienischen Tonsetzern der Generation Maderna/Nono/ Berio der unbekannteste geblieben. Doch auch Togni bezog seine Anregungen von der Vaterfigur Luigi Dallapiccola – und der Virtuosität Severino Gazzellonis. Dessen Flamme trägt heute Roberto Fabbriciani weiter, der seinerseits (man denke nur an die Zusammenarbeit mit Nono) Spuren in der jüngeren Musikgeschichte hinterließ. Hier nun muss Fabbriciani in den meist ihm gewidmeten, postseriellen Miniaturen Tognis solistisch oder im Duo ganz ohne Elektronik auskommen, darf aber dennoch, vorwiegend in Erstaufnahmen, alle nur erdenklichen Spielarten zeitgenössischer Flötenkammermusik demonstrieren. [Mátyás Kiss]