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Lasst uns froh und Dolby Surround sein

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Letzte zu befürwortende DVD-Veröffentlichungen 2004
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Winter 2004. Der DVD Markt riecht weniger nach gebrannten Mandeln als verdächtig nach Zusammenbruch. Und Ausverkauf. Sämtliche Back-Kataloge aus dem VHS-Segment wurden überspielt, alle Konzerte der Jahre 1960 bis 1990 scheinen auf dem Medium DVD eine neue Heimat gefunden zu haben. Aber was nun? Noch Älteres herauskramen? Auf Querschnitt DVD/CD setzen? Warten, was die Amerikaner machen? Zu allem ein klares „Ja“. Parallelen und Ideenlosigkeit zur Entwicklung der CD machen sich breit. Gut, dass es dennoch DVDs gibt, die man rechtfertigen und käuferisch in Erwägung ziehen kann.

Peter Gabriel mit „Play The Videos“ steht oben auf dem Wunschzettel. Bekannt für seine extravaganten Videos (der Zeit voraus, nie abgelutscht), erwarten den Seher 25 Clips, die Generationen von Videoregisseuren beeinflussten. Man denke an „Sledgehammer“, „Big Time“, „Steam“ oder „Digging in the Dirt“. Eine künstlerische Zeitreise, die mit Bonusmaterial nicht geizt. Phil Collins, ex- Genesis Kollege von Gabriel, ist bei „Finally…The First Farewell Tour“ noch freizügiger: 360 Minuten lässt er sich beim Livekonzert in Paris (25 Songs, 2 DVDs, alle Hits, exzellente Liveband) beobachten, natürlich aus verschiedenen Kameraperspektiven und „Hinter den Kulissen“ im Bonusbereich. Qualitativ wertvoll im Segment Seichtpop. An Wert und Kult und Begeisterung übertrifft sich der mittlerweile zum „Sir“ geschlagene Eric Clapton beim „Crossroads Guitar Festival“, einer Doppel DVD, die einen Livemitschnitt auf der Karibikinsel Antigua offeriert. Drei Tage lang lud Clapton die besten Gitarristen der Welt ein um für einen wohltätigen Zweck zu spielen. Es solierten Jeff Beck, Santana, Joe Walsh, James Taylor oder Jimmie Vaughan miteinander oder in verschiedenen Konstellationen. Großartiger Blues über 300 Minuten.

Völlig von der anderen Seite kommt ein junger R&B Star daher: Alicia Keys und ihr 79-minütiges Homevideo „The Diary of Alicia Keys“. Die Grammy-Gewinnerin setzt bei dieser DVD auf Dokumentation; man lernt Alicia Keys zu Hause, hinter der Bühne und im Alltag kennen. Absolut gelungen.

Bodenständig und weit weg von diesem Starrummel präsentiert Willie Nelson „Outlaws & Angels“, sein im „Wiltern Theatre“ (Los Angeles, Frühjahr 2004) aufgezeichnetes Konzert. Mit dabei sind bei diesem Best Of –Highlight etwa Joe Walsh, Bob Dylan, Carole King, Al Green oder Keith Richards. Eine Hochstunde der Folkmusik, ein Genuss von Minute 1 bis 88.

The Mavericks und ihre durchgedrehte Mischung aus Latin, Rockabilly, Soul, Spanisch und Englisch gibt es als Live- Premiere bei „Live in Austin, Texas“ auf DVD (135 Minuten) zu sehen. Aufgezeichnet wurde ein am 2. Juni 2004 im „Stubb’s Barbecue“ in Austin (Texas) abgehaltenes Konzert, dem nicht nur ein Best Of – Charakter der Band unterstellt werden kann, sondern in fantastischer Art und Weise auch hohe Spielkunst, Spaß an der Musik und ein Händchen für Melodien. Zum kennen lernen und dann nie wieder hergeben. Nachdem alle von Eva Cassidy zu Lebzeiten entstandenen Songs nun auf CD veröffentlicht sind, gibt es zu Weihnachten die bisher einzige DVD zu erwerben. Eine private, leicht braunstichige und nachbearbeitete Live-Aufnahme mit zehn Songs und ihren Hits wie „Over The Rainbow“ gibt es bei „Eva Cassidy sings“ zu hören. Ein Emotionskino der besonderen Art, Tränengarantie inklusive. David Byrne, einst Talking Heads Vordenker, nun allein gängiger Introvertierter in Sachen Kunstmusik, gibt es bei „Live at Union Chapel“ zu bestaunen. Ein Konzert aus dem Jahr 2002 wurde mitgeschnitten, deutlich wird bei ihm trotz aller zuteil werdenden Genialität, dass die Talking Heads Songs in der Setliste eindeutig die besseren sind, als seine schwer zugänglichen Kompositionen der Eremitenzeit. Trotzdem 87 Minuten mit Klassemusik, wunderbaren Texten und einer Hammerband. Die Spitze des DVD- Weihnachtsbaums bildet Gene Simmons, ehemaliges Enfant terrible der Rockszene und noch Sänger/Bassist bei der unzerstörbaren Skandalband KISS. „Speaking in Tongues“ bedeutet Gott sei Dank keine weiteren KISS- Songs aber eines der interessantesten Selbstportraits 2004. Gene Simmons, mittlerweile auch unter die Zeitungsverleger gegangen, erzählt vor australischem Publikum über sein Leben und seinen Erfolgsweg. Ironisch, witzig, und sarkastisch werden Themen wie Sex, Geld, Musik und Ruhm angesprochen.

• Peter Gabriel: Play the Videos, Warner Music Vision
• Phil Collins: Finally…The First Farewell Tour, Warner Music Vision
• Eric Clapton: Crossroads Guitar Festival, 651 + 66 (WSM/Rhino)
• Alicia Keys: The Diary of Alicia Keys, Eagle Vision
• Willie Nelson: Outlaws & Angels, Eagle Vision
• The Mavericks: Live in Austin, Texas, Sanctuary
• Eva Cassidy: Eva Cassidy sings, Hot Records
• David Byrne: Live at Union Chapel, 651 + 66 (WSM/Rhino)
• Gene Simmons: Speaking in Tongues, Sanctuary

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