Johann Matthias Sperger: Streichquartette +++ Antonín Dvorák: Streichquartett Nr. 12 in F‑Dur, op. 96 +++ Friedrich Kiel: Streichquartett a‑Moll, op. 53, Nr. 1 +++ Giuseppe Verdi: Streichquartett e-Moll

Johann Matthias Sperger: Streichquartette
Sensibles Zusammenspiel
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Johann Matthias Sperger: Streichquartette Band I: 3 Quartette op. 1 & Streichquartette Band II: Quartette B‑Dur und g‑Moll. Für zwei Violinen, Viola und Violoncello. Herausgegeben von Reinhard Wulfhorst. Edition Massonneau em 0421, em 0521
Neben über 45 Sinfonien und einem großen Beitrag zur Konzertliteratur für Kontrabass sind von Johann Matthias Sperger auch neun Streichquartette überliefert. Eine Auswahl von fünf Streichquartetten erschien in der Edition Massonneau im Rahmen von zwei Bänden, die auf der Grundlage von Autographen und Erstausgaben eine kritische, praxisorientierte Ausgabe der Werke bieten.

Johann Matthias Sperger: Streichquartette
Die ersten drei Quartette (op. 1, Band I) in F-, A- und C‑Dur überzeugen in ihrer dreisätzigen Struktur mit je einem beschwingten Allegro, einem kantablen Mittelsatz und einem abschließenden Rondo. Im zweiten Band sind das ebenso gegliederte B‑Dur-Quartett sowie das mit einem Vivace eröffnende g-Moll-Quartett und die Alternativversion des Mittelsatzes zu finden.
Der Erfolg dieser Stücke steht nicht im Schatten von Spergers Zeitgenossen, erinnert aber klar an den Wiener Quartettstil. An Haydn und Mozart anmutend bieten Spergers Streichquartette eine kurzweilige und dennoch sehr charmante Ergänzung für das Quartettrepertoire. Hierbei werden nicht nur die Violinstimmen priorisiert, sondern auch Viola und Violoncello treten immer wieder solistisch aus dem Streichersatz hervor, wodurch alle Stimmen gleichmäßig gefordert sind. Ein kritischer Editionsbericht ist digital auf der Website der Edition Massonneau verfügbar.
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Antonín Dvorák: Streichquartett Nr. 12 in F‑Dur, op. 96. Für zwei Violinen, Viola und Violoncello. Herausgegeben von Michael Kube. Bärenreiter BA 11538
Das Streichquartett Nr. 12 in F-Dur von Antonín Dvorák ist als „Amerikanisches“ Quartett bekannt, in dem der Komponist seine Eindrücke des ländlichen Ortes Spillville in Iowa im Kontrast mit der großstädtischen Atmosphäre Amerikas verarbeitet. Bereits der erste Satz in Sonatenform erklärt die große Beliebtheit des Quartetts, indem ein durch seine rhythmische Vielfalt außerordentlich fröhliches Hauptthema zu einem ernsteren Nebenthema entwickelt wird. Neben feingliedrigen Klangfarben wie sie im zweiten Satz, dem Lento, sehnsüchtig ausgeprägt werden, kann das darauffolgende Molto vivace durch sein homophones Thema eine lebhafte Bagatelle herausarbeiten. Das Finale schließt mit einem zügig vorantreibenden Rondo, durch welches sich ein ausdrucksstarker, punktierter Rhythmus zieht.
Der überschwängliche Grundcharakter des Streichquartetts eröffnet eine überaus zugängliche Klangvielfalt. Die prägnanten Rhythmen und die häufige Verwendung von Pentatonik schaffen ein leicht einfühlbares Klangbild, das neben den „amerikanischen“ Anklängen an Volksweisen der indigenen Bevölkerung anmutet. Durch die oft flotten Tempi liegt die Schwierigkeit des Quartetts im gehobenen Bereich – das Werk lebt aber vor allem von rhythmischer Präzision und einem sensiblen Zusammenspiel der Musizierenden.
Durch eine Bewertung abweichender Lesarten auf Grundlage des Autographs sowie dem Erstdruck von Partitur und Stimmen wird von Herausgeber Michael Kube eine Urtext-Ausgabe vorgelegt. Hierbei wird die Violoncellostimme, wie heute viel gebräuchlicher, mit einem Tenorschlüssel anstelle eines um eine Oktave erhöhten Violinschlüssels notiert. Zur vorliegenden Ausgabe ist außerdem eine Studienpartitur (TP 538) erhältlich.
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Friedrich Kiel: Streichquartett a‑Moll, op. 53, Nr. 1. Für zwei Violinen, Viola und Violoncello. Herausgegeben von Guido Johannes Joerg. Edition Dohr 15291
Der zwischen großen Komponisten wie Robert Schumann und Johannes Brahms im 19. Jahrhundert etwas in Vergessenheit geratene Friedrich Kiel schrieb neben seiner hauptsächlich anerkannten Kirchenmusik und Klavierwerken auch einige wenige Streichquartette.
Das erste erschienene ist das Streichquartett in a‑Moll op. 53, Nr. 1, das in seinem eröffnenden Allegro ma non troppo nur selten auflockernde Schimmer durch seine massive Dramatik herausstechen lässt. Dagegen changiert der zweite Allegro-Satz zwischen eleganten walzerhaften Klängen und einer durch das ungewöhnlich zügige Tempo des zweiten Satzes verursachten Eindringlichkeit. Erst an dritter Stelle findet sich ein Adagio, das neben vielen imitatorischen Elementen von verschiedenen begleitenden Zweiunddreißigstel-Figuren der Unterstimmen rhythmisch angetrieben wird. Der Finalsatz beginnt mit einer Einleitung, die sowohl den synkopischen Grundgedanken des Satzes darlegt als auch agogisch zum Presto assai hinleitet. Aus diesem Rhythmuskonstrukt bricht insbesondere die erste Violine immer wieder mit schnellen Kantilenen hervor, bis das lyrische Seitenthema nahezu durchgängig von spiccato-Achteln der Unterstimmen vorangedrängt wird.
So bietet Kiels Streichquartett in a‑Moll eine weniger kreativ ausufernde, aber dennoch schöne Ergänzung für jedes romantische Kammermusikprogramm, das nicht ausschließlich mit den größten Komponistennamen besetzt sein soll.
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Giuseppe Verdi: Streichquartett e-Moll. Für zwei Violinen, Viola und Violoncello. Herausgegeben von Anselm Gerhard. G. Henle Verlag HN 1588
Als einziges Streichquartett eröffnet dieses Werk in e‑Moll von Giuseppe Verdi eine der wenigen kammermusikalischen Ausnahmen im Umfeld seines opernlastigen Œuvres. Dieses Unikum im Schaffen Verdis konstituiert nichtsdestotrotz ein Paradebeispiel seiner Gattung: Bereits das eröffnende Allegro passt in seine Sonatensatzform verschiedenste Klangfarben ein, welche von ernsthafter Noblesse über homophone Zurückhaltung reichen, aber auch durch synkopisch rhythmisierte Passagen aufgelockert werden. Das folgende Andantino wendet einen zunächst elegant gehaltenen Mazurka-Rhythmus immer wieder zu wehmütigen Klängen hin, bevor der Satz zwischenzeitlich durch energische Staccato-Sechzehntel-Abschnitte an Antrieb gewinnt. An dritter Stelle findet sich ein Prestissimo im Stile eines Scherzos, in dessen Trio-Abschnitt das sangliche Solo des Violoncellos von den Pizzicati der restlichen Stimmen untermalt wird. Das Finale bildet ein sehr dichtes, kontrapunktisches Konstrukt, welches als „Scherzo Fuga“ betitelt das dramatische Potential des Themas herausarbeitet und die Fugenform fast durchgehend beibehält.
Verdis Streichquartett bietet ein besonders ausbalanciertes Verhältnis der vier Instrumente, was eine gleichermaßen technische Anforderung für alle Stimmen mit sich bringt. Zu bemerken ist dabei, dass der Komponist seinen italienischen Opernton in komprimierter, aber authentischer Form in die Transparenz des Streichquartetts einbindet.
Die Urtext-Ausgabe wird durch einen detaillierten kritischen Bericht abgerundet. Zusätzlich zu dieser definitiven Fassung ist eine Studien-Edition (HN 7588) erhältlich, in der auch die von Verdi nicht in Druck gegebene Erstfassung des Quartetts (ebenfalls in der „Henle Library“-App verfügbar) zur Verfügung steht. Diese Erstfassung enthält neben kleineren, kontrastierenden Erweiterungen des zweiten Satzes die grundlegendsten Veränderungen im letzten Satz, dessen Fuge ursprünglich als expressiver Legato-Satz in gehaltenem Tempo konzipiert war.
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