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Saxophon

Ein Leben ohne Saxofon ist möglich, aber sinnlos.

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Ehrenpreis für Jazz auf dem Bauernhof

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«Ein Leben ohne Saxofon ist möglich, aber sinnlos.» So könnte der abgewandelte Sinnspruch Loriots für Eckard Schleiermacher gelten. Der 66-Jährige hat einen Schweinestall zum Konzertsaal umgebaut.

Wer ein Jazzkonzert im «Saxstall» von Pohrsdorf besucht, muss keinen Eintritt zahlen. Auf dem Tresen steht ein Saxofon, in dessen Schalltrichter die Gäste nach freiem Gutdünken eine Spende für die Bands hinterlegen können. «Auskömmlich ist das nicht, aber irgendwie habe ich es immer hinbekommen, sagt «Saxstall»-Inhaber Eckard Schleiermacher. Dass er bei den meisten Konzerten aus eigener Tasche draufzahlt, verrät der 66 Jahre alte Musikfan in aller Bescheidenheit nicht.

Schleiermacher bekam schon sieben Bundespreise

2024 hat Schleiermacher zum siebten Mal den «Applaus-Award» erhalten - diesmal als Hauptpreis in der Kategorie «Beste Livemusikprogramme». Damit würdigte die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien unabhängige Musikclubs sowie Veranstaltungsreihen aus allen Bereichen von Pop und Jazz. Das damit verbundene Preisgeld hat Schleiermacher finanziell etwas Luft verschafft, sich daheim auf dem alten Vierseitenhof im beschaulichen Pohrsdorf (Landkreis Sächsische Schweiz-Ostergebirge) weiter seinem musikalischen Faible zu widmen.

Denn hier dreht sich alles um das Saxofon. Gut 100 Instrumente zieren den «Konzertsaal», darunter auch mehrere aus der Entstehungszeit des Saxofons Mitte des 19. Jahrhunderts. «Ich habe hier einen Gnadenhof für Saxofone», sagt Schleiermacher. Er besitzt auch vier Instrumente von Erfinder und Namensgeber Adolphe Sax (1814-1894), das älteste datiert aus dem Jahr 1856. Drei davon sind sogar noch spielbar und immer wieder stellen sich Musikerinnen und Musiker der Herausforderung, so einen Oldtimer im Programm einzusetzen. Am Saxofon schätzt Schleiermacher vor allem die Vielseitigkeit und Wandlungsfähigkeit des Instrumentes.

Schweinestall zum Konzertsaal umgebaut

Eckard Schleiermacher ist kein Konzertveranstalter im klassischen Sinne. Und auch der Ort des Geschehens hat seine Besonderheit. «Bis 2005 war das hier ein Schweinestall. Da hatten wir noch eine Muttersau und ein paar Ferkel. Aber dann ließ unser Interesse an der Schweinehaltung nach, die Kinder waren Vegetarier geworden», erzählt er. Deshalb habe er dem Stall eine neue Bestimmung geben wollen. 2008 fand hier das erste Konzert statt. Inzwischen sind es exakt 1.418. Ein Zähler am Eingang gibt Auskunft.

60 Besucher haben im «Saxstall» Platz - zwischen all den Instrumenten und Devotionalien rund ums Saxofon. Im Schnitt kommen 35 Leute zu jährlich 100 bis 120 Konzerten, auch Theater und Lesungen sind im Angebot. Schleiermacher ist der Mann für alles, zapft Gästen ein Bier und holt bei Bedarf Musiker mit dem Auto vom Bahnhof ab.

Namhafte Jazzer aus dem In- und Ausland spielten hier bereits. Demnächst kommen wieder Altmeister Gunter Hampel und Gitarrist Helmut «Joe» Sachse vorbei. Auch Schleiermachers Sohn Johannes - der Saxofonist ist für den diesjährigen Deutschen Jazzpreis nominiert - hat immer mal wieder ein Heimspiel.

Schleiermachers sind eine musikalische Familie

Die Schleiermachers sind eine musikalische Familie. Eckards Bruder Steffen ist ein renommierter Komponist, Dirigent und Pianist. Seine Mutter spielte Klavier und weckte erstes Interesse für die Musik. Die beiden Brüder sangen in ihrer Heimatstadt Halle im Stadtsingechor. Irgendwann brachte Steffen aus der Musikbibliothek eine Jazzplatte mit nach Hause. Der Funke zündete. Auch an sein erstes Jazzkonzert kann sich Eckard Schleiermacher noch gut erinnern - ein Auftritt des Saxofonisten Günther Fischer mit Band.

Die Frage, warum er nicht selbst Musik studierte, sondern Pharmazie wählte und Apotheker wurde, beantwortet Eckard Schleiermacher so: «Weil ich nicht gut genug dafür war.» Dennoch hat er später gemeinsam mit seinem Sohn Saxofon gelernt und spielt bis heute in diversen Formationen aus Spaß an der Freude. Vor 25 Jahren gründete Schleiermacher die Deutsche Apotheker Bigband mit Kollegen aus ganz Deutschland. Am kommenden Samstag gibt sie in Pohrsdorf ein Jubiläumskonzert - dann ist auch Eckard Schleiermacher mit seinem Baritonsaxofon dabei.

Jazzverband Sachsen würdigt Schleiermacher mit Ehrenpreis

Ein paar Tage zuvor wird er wieder einmal in eigener Sache geehrt. In Plauen bekommt er den Jutta Hipp-Ehrenpreis des Jazzverbandes Sachsen - benannt nach der aus Leipzig stammenden Jazzpianistin Jutta Hipp. Damit soll nicht nur das musikalische Engagement Schleiermachers gewürdigt werden. Denn mit seinem Wirken bringt er Menschen zusammen und sorgt so für den dringend benötigten Kitt in der Gesellschaft.

«Der Saxstall in Pohrsdorf ist ein Paradebeispiel dafür, wie ehrenamtliches Engagement kulturelles Leben im ländlichen Raum nachhaltig prägen kann. Der Saxstall inspiriert und zeigt, was möglich ist, wenn Menschen sich mit Herz und Überzeugung für die Kultur einsetzen», sagt Sebastian Haas, Vorsitzender des Jazzverbandes.

Schleiermacher weiß, dass Jazz wohl immer eine Nische bleiben wird. Nur etwa zwei bis fünf Prozent der Bevölkerung höre diese Musik regelmäßig, weiß der Enthusiast. Dennoch will er mit seinem Tun und Treiben helfen, den Virus namens Jazz weiterzuverbreiten.

 

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