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Nach acht Jahren wechselt Theatermacher Tobias Wellemeyer von Magdeburg nach Potsdam

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Magdeburg/Potsdam - Tobias Wellemeyer ist mit seinen Inszenierungen der Gegenwart meist ein Stück voraus. Obwohl der Generalintendant des Theaters Magdeburg erst im August an das Potsdamer Hans-Otto-Theater (HOT) wechselt, überlagert seine neue Arbeit bereits heute die alte. Mit einem Teil seines zukünftigen Teams probt der Künstler in Magdeburg bereits täglich die Aufführung von Henrik Ibsens "Wildente", seine erste Inszenierung als neuer Chef des Potsdamer Theaterhauses.

 Es sei Teil seiner "mentalen Struktur", sagt der 47-Jährige, den Blick immer nach vorn zu richten. "Ich schaue nie zurück." Als der in Dresden geborene Wellemeyer 1989 sein Regiedebüt am Staatsschauspiel seiner Heimatstadt gab, wurde er allerdings von der Gegenwart überholt. Der gelernte Bühnenarbeiter, der in Leipzig Theaterwissenschaften studiert hatte, konnte endlich selbst inszenieren. "Doch die Geschichten, die mir vorher auf der Seele brannten, mussten nicht mehr erzählt werden, weil die Wirklichkeit sich verändert hatte." Das Ende der "unterirdischen Ära" des Sozialismus bedeutete für Wellemeyer, der sich selbst im Charakter des Christian in Uwe Tellkamps Wenderoman "Der Turm" wiedererkennt, eine Art Befreiungsschlag.

Nach gut einem Jahrzehnt als Jungregisseur in Dresden wechselte der Künstler 2001 als Intendant an die Freien Kammerspiele Magdeburg, 2004 übernahm er die Leitung des Theaters. Der Umzug in die "graue, kleine Stadt" war ein "Kulturschock" für den damals 40-Jährigen. "Hier zeigte sich, was der Aufbau Ost nicht geschafft hatte." Der Kampf von Resignation gegen Zukunftsglaube, "die Sehnsucht vieler Magdeburger nach Vergangenen gemischt mit dem heimlichen Wunsch nach Weltläufigkeit", stellten Wellemeyer vor die Herausforderung, das Positive des Wandels auf der Bühne zu diskutieren. Mit dem Wissen, dass sich die Wirklichkeit immer verändern kann, wollte er seinem Publikum zeigen, "dass es lohnt, nach vorne zu schauen, statt zu jammern".

Für sein volkstümlich-fantastisches Theater, das "vielerlei Arten Geschichten, die viele betreffen, auf vielerlei Art erzählt" erhält Wellemeyer am 13. Juni den Kritikerpreis 2009 des Verbandes der Deutschen Kritiker. Unter der Regie des gebürtigen Dresdners sei das Theater Magdeburg zu einem der beliebtesten öffentlichen Orte in der "noch immer von Depression schwer gebeutelten Stadt" geworden, hieß es in der Begründung der Jury. "Stolz" machten ihn diese Worte, sagt Wellemeyer. Aber mehr noch sehe er sich durch den Preis in seinem ursprünglichen Antrieb, die Stadt verändern zu wollen, bestätigt. Nach acht Jahren Magdeburg werde es daher Zeit, "sich neu zu verlieben".

Der 47-Jährige - verheiratet und Vater einer Tochter - sehnt den Umzug nach Potsdam mit fast kindlicher Unruhe herbei. Die Fremdheit sei ihm wichtig, um sich selbst neu zu erfahren, privat und auch als Theatermacher. "Ich möchte in eine Welt eintauchen, in der die Lust auf Neues größer ist als das Vorurteil gegenüber dem Alten." Bei der Intendantenauswahl der Potsdamer hatte er sich Anfang 2008 gegen 27 Konkurrenten durchgesetzt. Den Titel "General" verliert Wellemeyer zwar mit dem Wechsel, dafür sei das "Schnellboot Schauspielhaus" aber einfacher zu lenken als der "Viersparten-Riesentanker" in Magdeburg. Das schaffe mehr Platz für Kreativität.

Auch auf der Bühne des Hans-Otto-Theaters will Wellemeyer die Möglichkeiten zur Veränderung beschreiben. An die Stelle des Depressiven trete in Potsdam vor allem die Widersprüchlichkeit einer selbstbewussten Landeshauptstadt, die zugleich Vorort der Bundeshauptstadt ist. Potsdam, "dieses architektonische Disneyland inmitten eines Kasernenhofes" sei voller Kontraste. Mediterraner Flair treffe auf preußische Militärgeschichte, der Glamour einer Medienstadt stehe im Widerspruch zu einer ausgeprägten Kiezkultur. Diese Gegensätze zu diskutieren ist eine neue Herausforderung für den Theatermacher.

Wohin es ihn nach den fünf Jahren Vertragslaufzeit in Potsdam zieht, weiß Wellemeyer noch nicht. Dass er der Bühne treu bleiben wird, steht fest. Ob es aber jenseits des Theaters eine Heimat für ihn gibt? "Ja", sagt der Künstler, zuerst zögernd, dann bestimmt, "Dresden". Und fügt lächelnd hinzu: "Denn dahin schaue ich wider meine Natur immer zurück."