Hauptrubrik
Banner Full-Size

Personalia 2012/11

Publikationsdatum
Body

Lothar Zagrosek zum siebzigsten Geburtstag +++ Biennale-Doppelspitze ab 2016: Daniel Ott und Manos Tsangaris +++ Zum Tod des Pianisten und Hochschullehrers Günther Herzfeld +++ Patrick Hahn wird Reinhard-Schulz-Preisträger für Musikpublizistik

Der Musiktheaterdirigent: Lothar Zagrosek zum siebzigsten Geburtstag

Der Zufall will es, dass gleich nebenan etwas über die Musiktheaterzukunft steht. Lothar Zagrosek, am 13. November 1942 in Waging geboren und deshalb demnächst siebzig Jahre alt, gehört zu den profiliertesten Dirigenten unserer Zeit – kein Shooting Star wie manche anderen, sondern ein konstanter Diener der Musik aus Vergangenheit und vor allem in der Gegenwart. Die Zahl der international renommierten Orchester und der großen Opernhäuser aufzuführen, an denen Zagrosek als ständiger Gast und als Chefdirigent (Leipzig, Stuttgart, beim Berliner Konzerthausorchester) gearbeitet hat, würde den Rahmen einer Zeitung sprengen: ein Gotha der Musikinstitutionen. Großtaten in seiner Karriere sind sicher die Uraufführung von Helmut Lachenmanns „Mädchen mit den Schwefelhölzern“ an der Hamburgischen Staatsoper, danach auch in Stutt­gart, ferner von Herchets „Abraum“ in Leipzig. Als Hans Neuenfels in Stutt­gart Mozarts „Entführung“ geradezu genialisch inszenierte, stand Zagro­sek am Dirigentenpult: Er ist auch im klassisch-romantischen Repertoire eine Autorität. Wagners „Ring des Nibelungen“, in der Stuttgarter Zehelein-Zeit sensationell von vier verschiedenen Regisseuren inszeniert (Joachim Schlömer, Christof Nel, Jossi Wieler und Peter Konwitschny), besaß in Zagrosek das sichere orches­trale Fundament – auch das hatte großes Format. Auf unserem Foto geht Lothar Zagrosek mit dem Komponisten Mark Andre gerade dessen neueste Partitur durch – das Foto von Charlotte Oswald entstand vor zehn Jahren. Es hat sich nichts geändert: Lothar Zagrosek „dient“ unverdrossen weiter der Musik. gr

Video-Tipp: www.nmz.de/media : Stichwort: Zagrosek

Das Musiktheater der Zukunft: Biennale-Doppelspitze ab 2016: Daniel Ott und Manos Tsangaris 

Daniel Ott und Manos Tsangaris (Foto: Koch) werden 2016 die Leitung der Münchener Musiktheater-Biennale übernehmen (siehe auch Seite 12). Nachdem die Personalie schon vorab durchgesickert war, präsentierte Kulturreferent Hans-Georg Küppers die neue Doppelspitze in einem Pressegespräch. Küppers betonte die internationale Bedeutung der Biennale, an der man sich weiterhin zu messen habe. Bewährte Formate, also Kompositionsaufträge und Kooperationen mit Theatern in anderen Städten, würden beibehalten, gleichzeitig wolle man das Festival aber weiterentwickeln. Damit reagiere man auf die zunehmende Durchdringung künstlerischer Ausdrucksformen, auf das Ineinanderfließen von Elementen wie Installation, Environment, Performance, Tanz oder Videokunst und auf den spartenübergreifenden Charakter, den heutige Musiktheaterproduktionen oft aufweisen. In Bezug auf die Öffnung für neue Formate betonte Manos Tsan­garis, niemand müsse befürchten, dass nun „sämtliche Kinder mit sämtlichen Bädern“ ausgeschüttet würden. Daniel Ott führte den Werkstattgedanken weiter aus. Hier könnten die Zeiten zwischen den im Zwei-Jahres-Rhythmus stattfindenden eigentlichen Festivals überbrückt und weitere Anknüpfungspunkte in der Stadt gefunden werden. 

Kritische Fragen zum Event-Charakter von möglichen Veranstaltungen in neuen, auch öffentlichen Räumen, versuchte Ott zu entkräften. Am Beginn stehe ein Thema; Aufführungsort und -charakter ergäben sich daraus. Es gehe darum, so ergänzte Tsan­garis, solche Projekte „von innen nach außen“ anzugehen. Der Etat des Festivals bleibt mit 2,65 Millionen Euro konstant, der neue Vertrag – wie in der Vergangenheit auch – zunächst für einen Festivaljahrgang, mit der Option auf Verlängerung. jmk

Jazz, Performance, Neue Musik und Klang-Alchimie: Nachhaltiges Wirken im Stillen: zum Tod des Pianisten und Hochschullehrers Günther Herzfeld

Am 10. September ist der Pianist Günther Herzfeld im Alter von 65 Jahren einem Krebsleiden erlegen. Die Musikhochschule Detmold und die Hochschule für Künste Bremen verlieren mit ihm einen Dozenten für Klavierbegleitung und Korrepetition, dessen Vielseitigkeit, Kreativität und pädagogisches Engagement hoch geschätzt wurde. 

Bei seinen Studenten äußerst beliebt, stand er im Ruf, „jeden durch‘s Examen bringen“ zu können – was oft durch großzügig erteilte Extrastunden und eine Menge zusätzliche Organisationsarbeit erreicht wurde. Ebenso selbstlos war seine Unterstützung zahlreicher Studierender der Trompeten- und Gesangsklassen, die er zu den großen Wettbewerben nach Moskau, Tokio oder in die USA begleitete und an deren Erfolgen seine solide Vorbereitung und sein inspirierendes Klavierspiel oft entscheidenden Anteil hatte.

Die große Solistenkarriere blieb Herzfeld versagt – dabei schufen seine manuelle Veranlagung und sein Gestaltungswille dafür die besten Voraussetzungen. Nach Studien bei Bernhard Roderburg in Düsseldorf und Helmut Roloff in Berlin durfte er als bester Student zum 100-jährigen Jubiläum der Berliner Musikhochschule auftreten. Eine schwere Handverletzung machte seine Träume zunichte, und eine chronische Darmerkrankung zwang ihn kurz darauf zum Rückzug in das Haus seiner Kindheit auf dem Lande. Doch Herzfeld gab nicht auf und suchte sich seine Nischen. 

Dazu gehörten Jazz, Performance „Danse libre“, Improvisation und Neue Musik. Mit seinem Ensemble „Klang-Alchimie“ folgte er seiner Neigung, Grenzen auszutesten und neue programmatische Wege zu beschreiten; mit seinem „Consortium cannibalis“ erhielt er für den „handkolorierten Menschenfresser“ von H.C. Artmann einen Preis für improvisierte Musik. 

Größte Bedeutung hatte für ihn sein Einsatz für die „Verfemte Musik“ im dritten Reich, mit dem er auch den eigenen jüdischen Wurzeln Rechnung trug. Mit dem Detmolder „Ensemble Horizonte“ widmete er sich den in Theresienstadt inhaftierten Komponisten Viktor Ullmann, Pavel Haas und Gideon Klein; dem skurrilen Humor Erwin Schulhoffs galt seine besondere Liebe. Bemerkenswert ist seine Einspielung der monumentalen „Variationen über ein Thema von Schönberg mit Doppelfuge” von Viktor Ullmann bei der „Edition Abseits”; in Zusammenarbeit mit dem Verein „musica reanimata” realisierte er 2001 die Uraufführung der Suite „Das Leben der Maschinen” von Wladyslaw Szpilman, deren Handschrift ihm erst wenige Tage zuvor zugestellt worden war und deren Erstausgabe er für Boosey & Hawkes besorgte. Lob für die „beste Einspielung” allerdings trugen andere, Bekanntere davon.

Mit Günther Herzfeld hat die Musikwelt eine originelle, engagierte Künstlerpersönlichkeit verloren, die im Stillen nachhaltig wirkte und deren Stimme uns fehlen wird.

Dramaturg, Autor und Blogger: Patrick Hahn wird Reinhard-Schulz-Preisträger für Musikpublizistik

Im Herbst 2008 bot ein junger Autor­ der nmz-Redaktion einen „Bericht eines Teilnehmers der Ligerzer Opernwerkstatt“ unter dem Titel „Rousseau vor Augen“ an. Das war der Beginn einer regelmäßigen und erfreulichen Zusammenarbeit, die bis heute andauert. So nahm die nmz-Redaktion die Nachricht mit großer Freude auf, dass sich die Jury mit Wolf Loeckle (Vorsitz), Eleonore Büning (FAZ), Jürgen Christ (Lernradio Karlsruhe), Andreas Dorschel (KUG), Peter Hagmann (NZZ), Carolin Naujocks (deutschlandradio kultur) und der österreichischen Komponistin Johanna Doderer aus 20 Einreichungen für die Arbeiten von Patrick Hahn entschieden hatte. 

Im Rahmen des Musikprotokolls des Steirischen Herbstes fand Anfang Oktober erstmals im Gedenken an den 2009 verstorbenen Musikpublizisten Reinhard Schulz die Verleihung des Preises für zeitgenössische Musikpublizistik statt, die heuer von der Kunstuniversität Graz ausgerichtet wurde. Dem Erleben zeitgenössischer Musik entsprechend war der Rahmen der Preisverleihung: Im Anschluss an ein Konzert des Klangforum Wien im Black Cube am Opernring fand Chris­tian Scheib, künstlerischer Leiter des Musikprotokolls, den passenden Zeitpunkt, um das Besondere am Schreiben über Musik, wie Reinhard Schulz es betrieben hatte, in Erinnerung zu rufen und die Bedeutung des neu geschaffenen Preises für die Präsenz der zeitgenössischen Musik in den Medien zu betonen. Robert Höldrich, KUG-­Vizerektor für Forschung, erläuterte die Struktur des Preises. Die Altersgrenze für eine Einreichung war mit 32 Jahren sehr jung angesetzt, um insbesondere Publizistinnen und Publizisten am Anfang ihres Berufslebens dazu anzuregen, sich aktiv für die Präsenz von Kritik neuer Musik in den verschiedenen Medien zu engagieren.

Patrick Hahn, Jahrgang 1980, ist in der schreibenden und komponierenden Szene kein Unbekannter mehr. Geboren in der Schweiz, aufgewachsen in Deutschland, arbeitet er als Dramaturg für Oper und Konzert an den Staatstheatern Stuttgart. Als Musikpublizist ist er nicht nur im Print-Bereich, unter anderem für die nmz, sondern auch im Bereich Radio tätig und ist überdies einer der Autoren des „Bad Blog of Musick“.

Radio-Tipp: BR Klassik, 13.11.2012 „Vom Ton zum Text“ – Martin Hufner über den Kritikerpreis.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!