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Dieter Birr - Rezension

Autobiografie von Dieter Birr 

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„Was bisher geschah“ - Dieter „Maschine“ Birr mit und ohne die Puhdys

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Er war 47 Jahre lang die Stimme der Puhdys - und Komponist der Songs der erfolgreichen Rockgruppe. In seiner neuen Autobiografie blickt Dieter Birr auch auf das für ihn unschöne Ende der Band zurück.

Berlin - «Er arbeitet und arbeitet, und die Hits sprudeln nur so aus ihm raus. Wenn andere gerade mal am nächsten Album arbeiten, dann hat er schon wieder zwei fertig», berichtet die Sängerin Julia Neigel. Und Heinz-Rudolf Kunze schwärmt: «Er hat wirklich die Ruhe weg, es ist immer nett mit ihm». Der Umschwärmte ist Dieter «Maschine» Birr, jahrzehntelang Sänger der Puhdys und einer der erfolgreichsten Rockmusiker aus dem Osten Deutschlands. Kunze schrieb ihm mehrere Songtexte, Neigel sang mit ihm das Duett «Regen». Die lobenden Worte der Musikerkollegen stehen in Birrs neuer Autobiografie, die am Montag (19. Februar) im Verlag Rotbuch erscheint. Sie heißt: «Was bisher geschah». Dieter Birr wird am 18. März 80 Jahre alt.

Musikjournalist Christian Hentschel, der viele Musiker aus der ehemaligen DDR schon seit sozialistischen Zeiten kennt, hat das Buch zusammen mit dem Jubilar verfasst. Von der ersten Gitarre, die in der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre für den DDR-Jungen unter dem Weihnachtsbaum lag, bis zum frisch produzierten fünften Solo-Album des emsigen Rockers: Die lange Karriere wird in vielen Anekdoten geschildert. Zudem hat Hentschel langjährige Mitstreiter von Birr befragt und Interviews beigesteuert, die er selbst in den vergangenen Jahrzehnten mit «Maschine» geführt hat.

Der 19. November 1969 war einer der bedeutendsten Tage für den Musiker - und für die (Ost)-Rockgeschichte: Die Puhdys traten das erste Mal auf. Zuerst bot die Band, wie damals üblich, englische Hits in Tanzsälen - natürlich wie westlich der Mauer mit langen Haaren. Weil sich 154 Fans aus der Stadt Gardelegen beim DDR-Fernsehen meldeten, mit dem Wunsch, dass ihre neue Lieblingsband mal auf dem Bildschirm sehen wollen, gibt es schon 1971 den ersten TV-Auftritt. Aber mit drei Bedingungen, wie die Buch-Autoren schildern: Erstens: «Keine langen Haare! Zweitens: Keine Bärte! Drittens: Ein eigener Song in deutscher Sprache!»

Der 1,90-Meter-Mann Birr, der noch immer halblanges Haar trägt, berichtet: «Wir haben dann die Haare ein bisschen hochgesteckt, es sah absolut bescheuert aus.» Puhdys-Gitarrist Dieter «Quaster» Hertrampf rasierte als Showeinlage im Konzert die Bärte seiner Kollegen. Fehlte nur noch die deutschsprachige Eigenkomposition. «Maschine setzt sich hin und probiert mal was. Am Ende hat er zwei eigene Lieder: «Türen öffnen sich zur Stadt» wird ein Hit, «Als wir gestern schieden» ist bald wieder vergessen», heißt es in der Autobiografie.

Erst danach liefen Puhdys-Songs auch im Radio. Die Band wurde eine der erfolgreichsten Rockgruppen der DDR, mit vielen Hits. Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur sagt Birr kurz vor der Buch-Veröffentlichung: «Man hätte sich nie träumen lassen, dass man mal im Fernsehen ist. Dass man eine Platte macht. Dass man in der Waldbühne spielt.» Schon 1981, also Jahre vor dem Mauerfall, hatte die Band erstmals in der ausverkauften Westberliner Waldbühne gespielt. «Ich weiß nur noch, dass die Leute sämtliche Lieder mitsingen konnten, als wir das erste Mal in Westberlin spielten. Vielleicht haben die viel Ostradio gehört?», sagte «Maschine» Hentschel in einem Interview.

Trotz des riesigen Erfolgs: Nach 20 gemeinsamen Jahren wollten die Puhdys-Musiker wieder eigene Wege gehen. Im Mauerfall-Jahr 1989 sagte die Band Goodbye. 80 000 Menschen kamen zum Abschiedskonzert auf dem Bebelplatz in Ostberlin. 1992 kehrten die Puhdys jedoch wieder zurück - und starteten eine erfolgreiche zweite Karriere im wiedervereinigten Deutschland. «Wir waren nicht nur Kollegen, wir waren eine Familie. Natürlich eine Familie mit allen Höhen und Tiefen», so Birr.

Völlig überraschend gab das Quintett 2015 bekannt, dass nun wirklich Schluss ist. In seiner Autobiografie schildert der Frontmann ausführlich die Gründe. Kurz: Die anderen vier Musiker hätten hinter seinem Rücken ein komplettes Album produziert.  «Als ich aus dem Urlaub kam, stand ich vor vollendeten Tatsachen.» Danach habe es den Versuch einer Aussprache gegeben. «Ich hatte alles aufgeschrieben, was ich dazu sagen wollte. Ich las dann ... meine Zettel vor, aber ich bekam keine Antworten, die Kollegen sind aufgestanden und gegangen», so der Sänger. Weil es aber noch bestehende Verträge gab, gingen die Puhdys dann noch auf Abschiedstour. Birr: «Es herrschte eine Eises­kälte hinter der Bühne.» Im Januar 2016 war Schluss.

Doch kein Grund für «Maschine», in die einst von den Puhdys besungene Rockerrente zu gehen. Zwar nennt er die Jahre mit der Band die beste Zeit seines Lebens. Aber der dpa sagt Birr: «Die Zeit mit den Puhdys ist vorbei. Ich bin glücklich, dass ich mit Uwe Hassbecker zusammenarbeite. Ich bin so zufrieden, wie es ist.» Mit dem Silly-Gitarristen Hassbecker ist er unplugged unterwegs. Das Programm heißt «Maschine intim - Lieder für Generationen». Es sind natürlich auch Puhdys-Songs dabei.

Christian Hentschel: Maschine – Was bisher geschah 
Verlag: Rotbuch (erscheint am 19. Februar 2024)

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