Fünf Jahre nach Beginn der Pandemie holt viele Soloselbstständige die Vergangenheit ein: Die Corona-Soforthilfen von 2020 werden überprüft – und oft zurückgefordert. Besonders betroffen sind freie Musiker:innen, Ensembles und Musikschulen.
Corona-Soforthilfen und die Folgen
Seit dem Sommer 2025 verschickt das Regierungspräsidium Kassel tausende Rückmelde-Schreiben. Empfänger:innen müssen über ein Online-Portal Einnahmen und Ausgaben aus dem Zeitraum März bis Mai 2020 nachweisen. Danach prüft die Behörde, ob das Geld behalten werden darf – oder zurückgezahlt werden muss.
Die Dimension ist enorm: In Hessen sind über 90.000 Fälle in Bearbeitung. Rund 3.300 Rückforderungsbescheide wurden bereits verschickt, im Schnitt geht es um 7.000 Euro. In etwa genauso vielen Fällen stellte sich heraus: keine Rückzahlung nötig. Das Verfahren sorgt für großen Frust. Denn Kosten, die für viele Musiker:innen damals entscheidend waren – etwa Personalkosten oder Tilgung von Krediten – zählen heute offiziell nicht. Ein befreundeter Musikschulleiter erzählte mir, dass er die komplette Soforthilfe zurückzahlen soll. Auch Kolleg:innen berichten von stundenlangem Belege-Sammeln und einer großen Unsicherheit, welche Ausgaben am Ende tatsächlich anerkannt werden. Ich kann aus eigener Erfahrung berichten, dass der Aufwand für die Bearbeitung des auszufüllenden Formulars und das Zusammensuchen der Belege enorm war.
Die Politik versucht zwar nachzubessern: Härtefallregelungen, zinsfreie Ratenzahlungen, Stundungen oder eine Bagatellgrenze von 500 Euro sind inzwischen möglich. Es wird auch die Anhebung der Bagatellgrenze diskutiert. Ein genereller Verzicht auf Rückforderungen ist aber nicht vorgesehen.
Für viele Musiker:innen fühlt sich das wie ein Schlag ins Gesicht an. 2020 brachen Konzerte und Unterricht von einem Tag auf den anderen weg. Die Hilfen waren damals ein Rettungsanker – und jetzt werden sie zur Bedrohung.
Was Betroffene jetzt tun sollten:
- Fristverlängerung beantragen, falls Unterlagen fehlen.
- Akteneinsicht anfordern, um die Berechnung nachvollziehen zu können.
- Alle Quittungen und Kontoauszüge aus März bis Mai 2020 sorgfältig sammeln.
- Härtefallregelung oder Ratenzahlung prüfen, wenn die Rückforderung existenzgefährdend wäre.
- Und: Innerhalb eines Monats nach Bescheid klagen – ein Widerspruchsverfahren gibt es in Hessen nicht.
Jurist:innen raten dringend, sich rechtzeitig beraten zu lassen. Denn die Rechtslage ist kompliziert und nicht überall gleich. Unterschiedliche Urteile in anderen Bundesländern zeigen: Rückforderungen lassen sich anfechten.
Für die Musikszene bedeutet diese Rückforderungswelle nicht nur mehr Bürokratie. Im schlimmsten Fall bringt sie Kolleg:innen in existenzielle Not – und das Jahre nach einer Krise, die sie ohnehin schon besonders hart getroffen hat und in einer Zeit, in der die berufliche Perspektive für selbständige Musiker:innen sowieso aufgrund des Herrenberg-Urteils, der flächendeckenden Einführung der Ganztagsschule ab Grundschule und der allgemeinen schlechten wirtschaftlichen Lage mehr als ungewiss ist. Dass die Rückforderungen nun zusätzlich die Existenz Vieler gefährden, zeigt einmal mehr, wie verletzlich das kulturelle Leben in Deutschland und gerade auch in unserem Bundesland Hessen geworden ist.
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