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„Du-me-du-me-ta-ke-di“

Untertitel
Eindrücke vom Schlagzeugfestival des TKV Bayern und ein Interview mit Prof. Klaus Hinrich Stahmer
Publikationsdatum
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Schlagzeug spielen ist so populär wie nie. Passend zu diesem Trend wurde aktuell das Percussion-Buch der Reihe „Neue Töne“ in einem zweitägigen Schlagzeugfestival im Gasteig und der Musikhochschule als quirlig-vielseitige Auftaktveranstaltung eingeführt. Mehrere Größen der Percussion-Szene hatten sich bereit erklärt, Workshops und Meisterkurse mit unterschiedlichen Schwerpunkten zu geben, in denen sich die Teilnehmer – Studenten, Lehrer, ambitionierte Laien und Profis – so richtig austoben konnten. Gerade die Möglichkeit, sich auszutoben, auch Aggressionen in das Instrument hinein zu trommeln, kann ungeheuer befreiend sein, wie Prof. Sadlo aus eigener Erfahrung zu berichten weiß. Das dürfte auch mit ein Grund sein, warum bei Jugendlichen das Instrumentarium Percussion so hoch im Kurs steht.

Weniger um Aggressionsabbau, sondern vielmehr um die Lust am Spiel ging es im Workshop des Rahmentrommel-Spezialisten Murat Coskun. Die einzige Rahmentrommel, die die Jahrhunderte der europäischen Musikgeschichte überlebt hat, ist das Tamburin, als exotische Farbe in der Orchestermusik. Doch in anderen Kulturen gibt es nach wie vor eine lebendige Tradition: kleine und große Rahmentrommeln, mit und ohne Schellen oder Ringen, die bei jedem Schlag mitschwingen. Sie heißen Riq, Daf, Bendin, Tamburello, Daire und Tar – Namen, in denen das Perkussive schon mitschwingt. Ähnlich charakteristisch sind die Silben, mit denen die unterschiedlichen Schläge – mit der ganzen Hand, mit einzelnen Fingern, in der Mitte des Fells, am Rand oder am Rahmen – bezeichnet werden. „Du-me-du-me-ta-ke-di“ – so werden die Rhythmen zunächst verbalisiert, um sie dann unmittelbar auf das Instrument zu übertragen. Mehr Erklärung bedarf es zunächst kaum, denn vieles funktioniert über das Prinzip der Nachahmung, und so dauert es bei neuen rhythmischen Mustern nie lange, bis die Trommler sich gefunden haben. Auch das dürfte ein wichtiger Grund für die Beliebtheit von Percussion sein – die Energien einer ganzen Gruppe kanalisieren sich in eine gemeinsame Richtung zu einem enormen Gemeinschaftsgefühl.

Dass das Spiel auf der Rahmentrommel jedoch eine virtuose Kunst ist, wird deutlich, wenn man Coskun an seinem Instrument erlebt. Sein Spiel gleicht einem Tanz mit dem Instrument, auf dem der schlägt, wischt und streicht und ihm geradezu unerhörte Klänge entlockt.

Klangvielfalt ist eines der Stichworte, unter dem das ganze Festival zusammenzufassen war. Besonders deutlich wurde das bei den beiden Konzerten im Gasteig und in der Reaktorhalle. Außer den klassischen Percussion-Instrumenten wie Trommel, Bongos und Tomtom, Xylophon, Marimbaphon und Drum Set wurden dort auch Steine, Baumstämme und nicht zuletzt der eigene Körper zum Klingen gebracht. Und neben technischem Können und musikalischer Ernsthaftigkeit vermittelte sich vor allem die Freude am Spiel und am Experimentieren, was auch notwendig ist. Denn das Erarbeiten von Stücken der zeitgenössischen Percussion-Literatur gleicht einer Forschungsarbeit. Waren es früher zirka 20 verschiedene Instrumente, die ein Schlagzeugstudent beherrschen musste, so sind es heute 80 bis 100. Neue Spieltechniken müssen erarbeitet, neue Musiksprachen erlernt werden. Doch mit dem neuen Verständnis für das Instrumentarium wächst auch eine neue Generation von Musikern heran, die diesen Herausforderungen ganz selbstverständlich begegnen. Und wie man bei dem gesamten Festival erleben durfte: um den Percussion-Nachwuchs braucht man sich wahrlich keine Sorgen zu machen.

Die treibende Kraft

Nach den Notenheften für Klavier, Gitarre und Violine ist nun der vierte Band der Reihe „Neue Töne“ erschienen, mit Werken für Percussion. Professor Dr. Klaus Hinrich Stahmer ist Initiator der Notenreihe und als Projektleiter die treibende Kraft hinter dem Projekt – innerhalb des Verbandes und nach außen, wo er den Herbert-Baumann-Kompositions-Wettbewerb terminiert und organisiert. Gemeinsam mit einem Gremium bestehend aus Vertretern etwa der Musikpädagogik, des Komponistenverbandes und der Journalistik wird überlegt, welches Instrument aktuell in den Fokus gerückt werden soll und wo man neue Akzente setzen kann. Stahmer leitet die Jury des Wettbewerbs und tritt an Verlage heran, um auch bereits erschienene, erfolgreiche Werke dazu zu kaufen.

Kristina Gerhard: Seit wann existiert die Reihe „Neue Töne“?
Prof. Stahmer: Auf eine genaue Jahreszahl kann ich mich nicht festlegen. Aber das erste Heft für Klavier ist vor etwa acht Jahren erschienen. Dem ging eine etwa zweijährige Vorarbeit voran. Innerhalb des Verbandes musste ein Gremium gebildet werden, das sich für das Vorhaben engagiert und Gelder einwirbt. Anschließend konnte der Kompositionswettbewerb ausgeschrieben werden, und dann kam es zur Notenedition. Ich würde also sagen, vor etwa zehn Jahren ist diese Idee geboren.

K.G.: Waren Sie der Initiator?
P.S.: Gemeinsam mit Dr. Hewig, dem damaligen Vorsitzenden des Bayerischen TKVs. Er legte großen Wert darauf, dass auch die zeitgenössische E-Musik ihr Forum und ihre Breitenwirkung durch den Tonkünstlerverband findet, und da waren wir uns sehr schnell einig, dass eine solche Notenreihe eine gute Form ist. Im Hintergrund stand auch die Idee, eine Art „Who is Who“ bayerischer Komponisten zustande zu bekommen. Mit den vier bisher gedruckten Hefte haben wir nun ein sehr breitgefächertes Spektrum von Werken lebender, zeitgenössischer Komponisten in Bayern.

K.G.: Die bisherigen Hefte hatten deutlich regionale Bezüge im Namen: das Münchner Klavierbuch, das Schweinfurter Gitarrenbuch und das Augsburger Violinbuch. Im neuen Heft fehlt dieser Bezug.
P.S.: Spätestens bei dem Schweinfurter Gitarrenbuch haben wir uns überlegt, dass als nächstes vielleicht das „Hintertupfinger Oboenheft“ kommt... „Münchner Klavierbuch“ – das ist ein Begriff, und das „Augsburger Violinbuch“ wurde durch das Leopold-Mozart-Konservatorium gepuscht. Trotzdem war uns die Namensgebung zu provinziell. Wir bedienen mit den Heften ja nicht nur den bayerischen Markt, sondern haben auch überregional sehr viel Interesse geweckt. Außerdem sind es neben den Verbänden vor allem die Hochschulen, auch die Musikschulen, und natürlich die Interpreten, die die Hefte tragen und verbreiten. Ich würde daher den regionalen Bezug nicht zu hoch hängen – bis auf die Einschränkung, dass wir in den Heften Autoren zeigen, die
einen deutlichen Bezug zu Bayern haben. Davon weichen wir auch nicht ab. Rückwirkend jedenfalls haben wir die ganze Serie „Neue Töne“ genannt, weil wir einen schlagkräftigen Sammelbegriff wollten. Damit kann man, denke ich, gut leben.

K.G.:Ist der nächste Notenband schon in Planung?
P.S.: Es sind Überlegungen dazu angestellt, aber die Interessen sind sehr verschieden. Wir müssen gemeinsam sehen, wo es auf dem Musikmarkt noch echte Lücken gibt. Und dann muss natürlich die Finanzierung gewährleistet sein. Es ist jedes Mal eine Gratwanderung. Ich gehe auf jeden Fall davon aus, dass es einen fünften Band geben wird, aber wie die Zukunft genau aussieht, weiß ich nicht.

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