Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Bedingungen für das freiberufliche Musikertum in der Kulturstadt Berlin sind besorgniserregend. Konkurrenzdruck und Existenzangst, gepaart mit künstlerischem Idealismus, veranlassen viele von uns dazu, zu ungünstigen oder gar prekären Konditionen zu arbeiten. Der Arbeitsmarkt ist äußerst angespannt und Patchwork-Existenzen sind weit verbreitet. Angesichts ernüchternder Perspektiven breiten sich vielerorts Unmut und Frustration aus. Die Hintergründe der Situation sind allerdings komplex. Warum sie so ist und wie es dazu gekommen ist, wissen die meisten von uns nicht. Ein Verständnis für diese Zusammenhänge ist aber von zentraler Bedeutung, wenn wir Verbesserungen erreichen wollen. Einseitige und vorschnelle Schuldzuweisungen aus Unwissenheit sind nicht konstruktiv.
Die Ursachen für die vielen Missstände und Schwierigkeiten unserer Branche liegen gleichermaßen in politischen wie in berufsständischen Verwaltungsund Organisationsstrukturen. Mindestens für die berufsständischen Verhältnisse tragen wir selbst Verantwortung. Dazu gehören trotz dem bereits von vielen Seiten geleisteten hohen Engagement leider auch Versäumnisse. Kulturpolitik und Administrationen agieren in gesetzlich vorgegebenen Handlungsrahmen, innerhalb derer Veränderungen in aller Regel nicht einfach zu erreichen sind. Diese Strukturen und Zusammenhänge stellen wir in unserem Infobrief ausführlich dar. Den einen oder die andere mögen die gewonnenen Erkenntnisse vielleicht überraschen. Unser wichtigstes Anliegen ist, das allgemeine Engagement sowie den Vernetzungsund Organisationsgrad innerhalb unserer Kollegenschaft signifikant zu erhöhen. Wir können nur gemeinsam, mit gebündeltem Engagement, überfällige Verbesserungen unserer Situation erwirken. Aus unserer Sicht ist daher die Entwicklung eines berufsständischen Ethos, das uns selbstbewusst und vorausschauend gegenüber Vertragspartnern und Entscheidungsträgern agieren lässt, unbedingt erforderlich. Unsere berufsständische Vertretung muss professionalisiert werden, wenn wir die Fortschritte erreichen wollen, die wir uns wünschen. Angesichts unserer sehr begrenzten Ressourcen überwiegen zur Zeit noch ehrenamtliche Strukturen. Auch deswegen sollten unnötige Konflikte vermieden werden – vor allem mit der vermeintlichen Gegenseite in Politik und Verwaltung, aber auch untereinander. Unsere Kommunikationshaltung sollte selbstbewusst und vor allem sachlich sein. So können wir die gesellschaftliche Relevanz unserer Arbeit angemessen darstellen und für die besonderen Bedingungen werben, die wir uns für eine angemessenere und damit befriedigendere Berufsausübung vorstellen.
Als mittel- und langfristige strukturelle Maßnahmen wäre die Bündelung unserer Aktivitäten in einem Landeskulturrat, der als Dachverband der Berliner Kulturorganisationen und Verbände wirken könnte, sowie die Gründung einer Kammer für Musik denkbar. Eine solche finanziell und personell gut ausgestattete berufsständische Körperschaft könnte die Interessen unserer Branche besser als bisher koordinieren. Sie könnte außerdem stabile und professionelle Organisationsstrukturen für die Belange der Musikausübung und musikalischen Ausbildung bereitstellen – beispielsweise durch geschützte Berufsbezeichnungen oder die Verabschiedung einer verbindlichen Gebührenordnung für musikalische und pädagogische Dienstleistungen.
Wir laden euch herzlich ein, die vollständige Fassung unseres Infobriefs zu lesen [web ]. Gern könnt Ihr uns nach der Lektüre auch persönlich kontaktieren, wenn Ihr Fragen habt. Jede und jeder Einzelne ist gefragt und gefordert, sich im Rahmen ihrer / seiner Möglichkeiten zu engagieren.
Helge Harding (hh [at] helgeharding.com (hh[at]helgeharding[dot]com)), Wendelin Bitzan (wen.de.lin [at] web.de (wen[dot]de[dot]lin[at]web[dot]de))