Der Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landtags von Baden-Württemberg hat den Tonkünstlerverband Baden-Württemberg und weitere sechs Fachverbände der freien Szene zu einer Anhörung am 22. Oktober im Plenarsaal des Landtags eingeladen. Grundlage war ein Antrag zur „Situation der freien Musikerinnen und Musiker sowie der freien darstellenden Künstlerinnen und Künstler“ (Drucksache 17/9495). Nachfolgend auszugsweise die Rede von Ralf Püpcke, der als Geschäftsführer den Tonkünstlerverband vertreten hat.
Ralf Püpcke, Geschäftsführer TKV BW, wird angehört im Landtag von Baden-Württemberg. Foto: LTBW
Gehört werden im Landtag von Baden-Württemberg
Gehört werden, dass gehört quasi zu unserer DNA. Denn wir Tonkünstler erschaffen Musik, in all ihren Facetten, von Klassik bis Pop, Jazz und Weltmusik. Unsere rund 2.300 Mitglieder sind mehrheitlich freiberuflich tätig, aber auch angestellt. Wir sind dankbar für die Einladung zu dieser Anhörung, denn Sie haben zu Recht gefragt: Wie ist die Situation der freien Musikerinnen und Musiker? Spätestens seit Corona ist die Lage angespannt und teilweise prekär. Die Kultur- und Kreativwirtschaft hat in der Corona-Zeit besonders gelitten. Geholfen haben etwa die staatlichen Soforthilfen, aber Rückzahlungen machen einigen Mitgliedern sehr zu schaffen.
Die fortschreitende Inflation stellt Musikschaffende zunehmend vor große Herausforderungen. Denn das eigene Lohnniveau kann da nicht mithalten, ist oft sogar deutlich geringer als ein Handwerkerlohn. Und das, obwohl unsere Mitglieder jahrelang ihr Handwerk gelernt und studiert haben. Hinzu kommt, dass das erreichte Rentenniveau der Künstlersozialkasse für viele nicht ausreicht. Hier wäre eine Anpassung der Aktivrente dringend geboten. Der aktuelle Entwurf schließt derzeit Selbständige und geringfügig Beschäftigte aus. Das wäre ungerecht und würde gerade auch unsere Mitglieder in besonderer Weise treffen.
Aber bleiben wir zunächst bei der Frage nach der angemessenen Honorierung von Musikern und Lehrkräften. 2017 haben wir zum ersten Mal ein Zahlenwerk für „Honorarstandards“ veröffentlicht, die jährlich angepasst werden. Das Thema wird auch in anderen Fachverbänden intensiv diskutiert. Daraus resultierend gibt es mittlerweile auf allen politischen Ebenen Angaben zu Honoraruntergrenzen im Rahmen der jeweiligen Förderkriterien. Auch Baden-Württemberg hat sich auf den Weg gemacht. Das ist sehr erfreulich, darf aber nicht dazu führen, dass weniger Künstler engagiert werden, wenn nicht gleichzeitig die Fördermittel der Institutionen und Projekte entsprechend angepasst werden.
Das Herrenberg-Urteil hatte weitreichende Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse von Musikschullehrkräften. Eine Übergangsregelung für freie Honorarverträge gilt bis Ende 2026. Darüber hinaus steht der Tonkünstlerverband für das „duale System“: Ausbau der Festanstellungen bei gleichzeitiger Ermöglichung von freier, rechtsicherer Honorartätigkeit, wenn beide Seiten, Auftraggeber und Auftragnehmer, dies bewusst wollen. Und der Bedarf ist da. Eine repräsentative Umfrage unter unseren Mitgliedern hat ergeben: 75 Prozent wollen die Wahlfreiheit, also das „duale System“. Insbesondere bei kleineren Deputaten im Umfang von 1 bis 2 Arbeitstagen pro Woche oder Nischenangeboten wird von vielen die freischaffende Honorartätigkeit bevorzugt. Gerade auch aufgrund der angespannten Haushalte und dem Fachkräftemangel würde die reine Umwandlung zu Festanstellungen dazu führen, dass das bestehende kulturelle Bildungsangebot darunter leidet. Was beide Beschäftigungsmodelle hier eint: Es gilt diese angemessen zu entlohnen.
Dies betrifft auch den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen ab dem nächsten Schuljahr. Auch hier könnten außerschulische Bildungspartner und freie Lehrkräfte den Bedarf besser abdecken. Vorausgesetzt, dass diese auch angemessen honoriert werden.
Private Musikschulen würden auch gerne mehr Festanstellungen anbieten, aber sie können sich die Lohn-Mehrkosten oft nicht leisten. Denn sie erhalten derzeit keine Fördermittel, obwohl sie auch gemeinwohlorientiert einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten, der meist keinen monetären Gewinn erzielt. Diese Mehrkosten alleine auf die Unterrichtsgebühren abzuwälzen, würde zu Lasten vieler Schülerinnen und Schüler gehen, die sich dann den Unterricht nicht mehr leisten könnten. Aber es gibt ein Best-Practice-Beispiel: In Bayern werden neben den öffentlichen Sing- und Musikschulen seit 2013 auch freie Musiklehrkräfte und private Musikinstitute im Schulterschluss mit dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst erfolgreich gefördert. Mit dem Vollzug der Richtlinien wurde der Tonkünstlerverband Bayern e. V. beauftragt. Nicht zuletzt die musikalische Breitenförderung insbesondere im ländlichen Raum profitiert davon. Gerne bieten wir an, im Schulterschluss mit dem Land Baden-Württemberg zukünftig auch die freien Musiklehrkräfte und privaten Musikschulen durch Landesfördermittel zu unterstützen.
Wichtig ist in dem Zusammenhang auch, dass der Musik- und Instrumentalunterricht unverändert von der Umsatzsteuer befreit bleibt. Denn musikalische Bildung ist eine Bildungsleistung. Dabei sind wir auf einem guten Weg, nicht zuletzt aufgrund der Mitwirkung durch das Land Baden-Württemberg. Es fehlen nur noch die konkreten Handlungsempfehlungen für die Finanzämter auf Landesebene. Ein Kriterium ist die Qualität des Unterrichts. Hier könnte die Mitgliedschaft im Tonkünstlerverband als Qualitätskriterium herangezogen werden, da unsere Mitglieder ein Hochschulstudium oder zumindest umfassende Referenzen vorweisen müssen.
Abschließend der Blick auf den musikalischen Nährboden. Seit dem Schuljahr 25/26 gilt für Baden-Württemberg wieder G9 als Standard. Hier und auch in allen anderen Schularten wäre es zukünftig sehr wichtig, der kulturellen Bildung und speziell der musikalischen Bildung einen hohen Stellenwert im Fächerkanon der Schulen beizumessen. Die positiven Auswirkungen auf die persönliche Entwicklung, aber auch die Lernfähigkeit in den MINT-Fächern oder Sprachen, ist enorm und sollte genutzt werden. Und in der Fortsetzung gilt es, die vielen Chöre, Orchester und Bands, ob Laien oder Profis, sowie deren Proben- und Aufführungsorte zu erhalten und zu schützen. Denn letztendlich wollen wir Musikschaffende gehört werden und unser Publikum begeistern!
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