Dass es inzwischen einmütige Haltung des Bundeskanzlers und seines Kabinetts sei, Kulturförderung als Investition und nicht als Subvention zu definieren, ist die mit Abstand wichtigste Nachricht vom zweiten Fachkongress „Musik als Wirtschaft“, in Berlin. Keine Geringere als die Staatsministerin für Kultur und Medien, Dr. Christina Weiss, hat diesen Paradigmenwechsel der Bundesregierung vor versammelter Fachpresse erklärt.
Bundeswirtschaftsministerium, Pressekonferenz: Staatsministerin Weiss spricht verschiedene Themen an, von Sendeplätzen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, über das Wegbrechen von Auftrittsmöglichkeiten, bis zur EU-weiten Einführung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für alle Kulturgüter, -waren und -dienstleistungen, den Deutschland anstrebe.
Hierbei fällt der entscheidende Satz: „Ausgaben für Kulturförderung sind keine Subventionen, sondern Investitionen.“
Die Verfassung schreibt vor, dass bei Kreditaufnahme zum Stopfen von Haushaltslöchern, die Höhe der investiven Ausgaben die der konsumtiven überschreiten muss. Insoweit ist die Definition, ob Ausgaben für Kultur und Bildung Investitionen oder Subventionen sind, von zentraler sowohl haushalts- und wirtschafts- als auch kultur- und bildungspolitischer Bedeutung.
Wegen dieser Tragweite schien dem Autor das Zitat der Ministerin eine gezielte Nachfrage wert: „Handelt es sich bei Ihrer Aussage um die persönliche Auffassung der Staatsmininsterin für Kultur und Medien oder auch um die Auffassung des Kabinetts, insbesondere des Bundeswirtschafts- sowie des Bundesfinanzministers?“
Weiss antwortete, im Koch-Steinbrück-Papier (Subventionsabbau-Konzept der Ministerpräsidenten von Hessen und Nordrhein-Westfalen, Roland Koch und Peer Steinbrück) – seien Ausgaben zur Kulturförderung ursprünglich als Subventionen eingestuft worden. Sie habe von Oktober 2003 bis Februar 2004 daran gearbeitet, dass diese Betrachtungsweise geändert wird. An der langen Zeitspanne sei erkennbar, welch erhebliche Überzeugungsarbeit habe aufgebracht werden müssen. Doch letztendlich habe sich ihre Auffassung durchgesetzt. Nun bestehe diesbezüglicher Konsens im Kabinett, insbesondere auch seitens des Bundeskanzlers. Insoweit handele es sich bei ihrem obigen Zitat um die offizielle Haltung der Bundesregierung.
Ist mit dem von Kulturstaatsministerin Weiss somit erklärten Paradigmenwechsel der Bundesregierung nun die entscheidende Weiche gestellt? Gilt dieser Paradigmenwechsel auch für (kulturelle) Bildungsausgaben? Erhörte die Bunderegierung etwa die beim DMR-Kongress „Musik bewegt!?“ (Berlin, 8. September 2003) artikulierte Forderung, die der Autor in seinem Kommentar mit den Worten „staatliche und kommunale Finanzmittel für (musikalische) Bildung dürfen nicht mehr – wie bisher – als konsumtive, sondern müssen künftig als investive Ausgaben definiert werden“, zusammenfasste? Kann das von der PISA-Studie und dem jüngsten OECD-Bildungsgutachten geschockte Deutschland nun wieder ein „Land der Dichter und Denker“ werden?
Wenn ja, dann wäre der Kultur-Staatsministerin gelungen, ein grundlegendes Anliegen umzusetzen, das Bundespräsident Richard von Weizsäcker bereits 1991 bei einer vielbeachteten Rede im Schloss Belevue so formuliert hatte:
„Substanziell hat die Förderung von Kulturellem nicht weniger eine Pflichtaufgabe des öffentlichen Haushalts zu sein, als zum Beispiel der Straßenbau oder die öffentliche Sicherheit. Es ist grotesk, dass wir Ausgaben im kulturellen Bereich „Subventionen“ nennen, während kein Mensch auf die Idee käme, die Ausgaben für ein Bahnhofsgebäude oder einen Spielplatz als Subventionen zu bezeichnen.“
Doch ist die von Staatsministerin Weiss beschriebene – vermutlich seitens einiger Minister nur zähneknirschend mitgetragene – offizielle Haltung der Bundesregierung zunächst lediglich eine politische Grundposition. Bevor daraus exekutives Handeln erwachsen kann, bedarf es der legislativen Umsetzung, sprich: der Ausformung durch Gesetze, Verordnungen, Ausführungsvorschriften und so weiter auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene. So wird es eine wichtige Aufgabe des DTKV, der Kulturverbände und -organisationen, der Bildungs- und Kulturpolitiker aller Couleur, und insbesondere der Journalisten sein – nicht zuletzt hier in der nmz – darüber zu wachen, dass die Bundesregierung den schönen Worten ihrer Staatsministerin für Kultur und Medien nun die entsprechenden gesetzgeberischen Taten folgen lässt.