2013 ist Wagner-Jahr: An Aufführungen allerorten und Publikationen wie Diskussionen über Leben, Werk, Ästhetik, Ideologie und nicht zuletzt auch fataler politischer Wirkungsgeschichte fehlt es keineswegs. Und ausgesprochen oder unausgesprochen kreisen sie um das „Gesamtkunstwerk“, die Utopie vom sich wechselseitig steigernden Zusammenwirken der Künste – einer Lieblingsidee des neunzehnten Jahrhunderts.
2013 ist Wagner-Jahr: An Aufführungen allerorten und Publikationen wie Diskussionen über Leben, Werk, Ästhetik, Ideologie und nicht zuletzt auch fataler politischer Wirkungsgeschichte fehlt es keineswegs. Und ausgesprochen oder unausgesprochen kreisen sie um das „Gesamtkunstwerk“, die Utopie vom sich wechselseitig steigernden Zusammenwirken der Künste – einer Lieblingsidee des neunzehnten Jahrhunderts.
Vor allem Brecht hatte dieser Überwältigungs-Strategie den Kampf angesagt, auf kritische Brechung, „Verfremdung“, der angeblichen Einheit gesetzt. Doch schon lange gab es eine Gattung, die die Trennung von Wort und Musik zum Prinzip machte: das Melodram. Kühl distanzierender Aufklärung allerdings diente sie nicht: Die emotionale Übersteigerung in die katastrophische Verzweiflung ließ „melodramatisch“ geradezu zum Synonym für exzessiv gefühlsbefrachtete Situationen wie auch manche Filme werden.
Doch das Melodram blieb Pfahl im Fleische des Musiktheaters, weil die Autonomie des Textes gewahrt bleibt, der durch die Begleitung von Klavier oder Orchester zwar auch affektiv verstärkt, aber nicht in die Synthese gezwungen wird. Im „Sprechgesang“ der Schönberg-Schule hat das Melodram noch einen neuen Schub bekommen.
Große Melodramen mit Klavier sind Schumanns „Heideknabe“ und Liszts „Der traurige Mönch“, ein ausladendes Beispiel ist Richard Strauss’ „Enoch Arden“ nach einem Gedicht des Engländers Alfred Tennyson, eine seelenaufwallende Seemannballade um Glück, Liebe, Scheitern und Entsagung. Strauss hat sie 1897 für sich und den Schauspieler Ernst von Possart geschrieben, ging mit diesem auch auf Tournee. Das Werk ist nur höchst selten zu hören, fasziniert in der Mischung aus Viktorianischer Sprachgehobenheit und Straussischem Schwung – und vermag durchaus zu bewegen, ja rühren.
In einer Gemeinschaftsveranstaltung von Tonkünstlerbund und KLANGFORUM Frankfurt haben sich die Sängerin Dietburg Spohr und der Pianist Gerhard Schroth dieses Unikums angenommen, dessen Klavierpart nicht geringe Schwierigkeiten birgt, die Schroth sicher meisterte. Die Synchronität von Rezitation und Begleitung ist nicht genau festgelegt, doch fanden beide eine überaus zwingende Mischung aus Gleichzeitigkeit, Vorwegnahme und Kommentierung.
Es gibt entschieden „melodramatischere“, paratheatralisch gefühlsbetontere Möglichkeiten der Deklamation dieses Zwitters. Dietburg Spohr indes entschied sich für eine eher ruhig-sachliche Vortragsweise, nahm Sujet und Sprachgestalt ernst, vermied dadurch etwa ironisierende oder gar karikierende Effekte – und erst recht das unfreiwillige Umschlagen des Tragischen ins Komische, womöglich sogar leicht Lächerliche. Die Entscheidung war richtig, verlieh dem raren Werk so eindringliche Würde. Für die Rezeption der seltenen Gattung Melodram und ihres repräsentativen Werks war dies ein wichtiger Abend.