Dass sich die Akustik der alten Gewölbekeller von Einstein Kultur gut für romantisches Material eignet, demonstrieren die Mezzosopranistin Barbara Hesse-Bachmaier und Stanislav Rosenberg am Flügel. Überschrieben ist der Abend mit „Zeitloses“.
Wie man Christian Morgensterns Gedichten angemessen begegnet, zeigt Mark Lothar in seinen Vertonungen von 1937. Lothar konnte generell Ernst und Unernst gut verbinden: von Musik für Gründgens‘ Nachkriegs-Faust bis Münchhausen. Das Duo begegnet dem Ganzen mit dem gebotenen Respekt, trotzdem wird in jeder Silbe, mit jedem Anschlag klar, dass der Inhalt mit Vorsicht zu genießen ist. Neun von Carl Mansker gesetzte Haikus schalten in Sachen Ernsthaftigkeit einen Gang höher. Die Kurzgedichte stammen von Manfred Hausmann alias Toyotama Tsuno, einem der großen Japanverehrer im Nachkriegsdeutschland. 20 Sekunden dauert die kürzeste Miniatur Manskers – blitzschnell müssen sich die Musiker mit immer neuen Haltungen und weitgreifenden Intervallen anfreunden.
Tonale Entspannung gibt es bei Robert Delanoff. 2001 schrieb er „Birken im Herbst“ – ohne übergroße Ges-
ten. In Erinnerung an Lapplands Naturgewalt und -schönheit malt er lyrische Bilder. „Ich beschreibe darin [...] die Farben der Birkenblätter, die viel intensiver zu leuchten scheinen, als bei uns in Mitteleuropa.“ Und Delanoff tut es auf rein musikalische Weise: Hesse-Bachmaier hat nur Vokalisen auf dem Blatt. Elf Jahre älter ist Roland Leistner-Mayers dramatischer Zyklus „Beziehungen“, aus dem das Duo fünf Lieder ausgewählt hat. Die Texte schrieb der aus Böhmen stammende Rudolf Mayer-Freiwaldau – verklausulierte Bilder zwischen Musik, Naturbetrachtung und Sexualität.
Spanische Gedichte Rafael Albertis hat Max Beckschäfer in ein Gesangssolo gegossen und mit „Meeresgespräche“ überschrieben. Zum Teil bewegt sich die Stimme in kleinsten Intervallen um die spätromantischen und manchmal surrealistischen Texte aus den 1920er-Jahren. Kurz vor der Pause dann das zweite Solo, diesmal allerdings an den Tasten. Ilja Berghs getragene Wagnerbearbeitung scheint der perfekte Kontrast zu Albertis und Beckschäfers verdrehter Welt. Richard Wagner schrieb kurz vor der Arbeit an Rheingold ein viertelstündiges Klavierstück für Mathilde Wesendonck: „Eine Sonate für das Album von Frau M.W.“
Wie Wagner ist der nächste Komponist für große Gesten bekannt. Richard Strauss‘ „Vier letzte Lieder“ nach Texten von Hesse und Eichendorff scheinen der perfekte Abschluss zu sein, doch erst die Zugaben machen aus dem vielfältigen Programm eine wirklich runde Sache. Zuerst erklingt die schlicht-schöne „Zeitlose“ aus Strauss‘ Jugend – wundervoll, wie zurückhaltend Rosenberg begleitet!
Bei der zweiten Zugabe wird der Ringschluss perfekt. Der Abend, der sich durch 160 Jahre Liedgut zappt, endet mit einer Komposition des Pianisten, der wie zu Beginn Morgenstern zugrunde liegt. Stilistisch orientiert sich Rosenberg etwas an Liszt und Chopin: Er hat sich den „Tanz“ von 1905 ausgesucht – und dieser gibt mit „Vierviertelschwein“ und „Auftakteule“ schon einiges vor.