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Zum Entwurf des Kulturrechtsneuordnungsgesetzes

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Stellungnahme des DTKV NRW, vorgelegt zur Anhörung des Ausschusses für Kultur und Medien des Landes NRW am 16.9.
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„Die Landesregierung bündelt sämtliche die Kultur betreffenden rechtlichen Regelungen und Gesetze in einem eigenen Kulturgesetzbuch (KulturGB NW). Damit nimmt Nordrhein-Westfalen bundesweit eine Vorreiterrolle ein“, hieß es am 12.5.2021 in einer offiziellen Pressemitteilung. Tags zuvor hatte das Kabinett den Regierungsentwurf des Gesetzes beschlossen. Dabei sah es zunächst gar nicht danach aus, dass die Landesregierung dieser hochtrabenden Zielsetzung auch tatsächlich würde gerecht werden können. Der erste Referentenentwurf vom November 2020 (Vorlage 17/4349) war nämlich so schludrig, dass er bei den meisten Betroffenen im Kulturbereich bestenfalls fassungsloses Kopfschütteln auslöste. Immerhin wurde er rasch zurückgezogen und durch einen neuen Entwurf ersetzt (Drucksache 17/13800), der nach der 1. Lesung im Landtag am 20.5.2021 an den Ausschuss für Kultur und Medien überwiesen wurde. Dort wurde der Entwurf im Juni zweimal beraten, und im August und September wurden Sachverständige angehört. Parallel dazu reichten zahlreiche Kulturträger schriftliche Stellungnahmen ein, die ebenfalls Gegenstand der laufenden Beratungen waren und sind. Die Stellungnahme des DTKV NRW vom 6.9.2021 ist im Folgenden in den wichtigsten Teilen dokumentiert (17/4292). Sie bezieht sich vor allem auf die Bestimmungen zu den Musikschulen, denen das Gesetz einen eigenen Teil widmet (§§ 42–46), und zur Freien Szene (§ 17). Um ihrem umfassenden Bildungsauftrag (von der Elementarbildung bis zur Begabtenförderung vor dem Studium) nachkommen zu können, sollen vor allem öffentliche Musikschulen gefördert werden, die bestimmte Kriterien erfüllen (umfassendes Lehrangebot, Beschäftigung qualifizierter Lehrkräfte, sozial verträgliche Gebühren). Zusätzlich sollen auch Musikschulen in anderer Trägerschaft als „anerkannte Musikschulen“ zertifiziert und gefördert werden können.

Grundsätzlich begrüßt der DTKV NRW das Bestreben der Landesregierung, mit dem geplanten Kulturgesetzbuch einen einheitlichen Rahmen zu schaffen, in dem möglichst alle nennenswerten kulturellen Einrichtungen und Akteur*innen untergebracht sind. Gleichwohl sind wir der Auffassung, dass der vorliegende Gesetzesentwurf im Bereich der musikalischen Bildung hinter diesem Ziel zurückbleibt, da er zwar die Musikschulen deutlich aufwertet (was wir ausdrücklich begrüßen), aber zugleich die freiberuflichen Musiker*innen und Musikpädagog*innen unberücksichtigt lässt (vermutlich ohne es zu wollen) und damit eine zentrale Gruppe von Kulturschaffenden de facto ausschließt.

Seit Jahrzehnten ruht die musikalische Bildung außerhalb der allgemeinbildenden Schulen (also der Instrumental- und Gesangsunterricht) auf drei Säulen: den kommunalen (öffentlichen) Musikschulen, den Musikschulen in freier (privater) Trägerschaft und den freiberuflichen Musiklehrer*innen. Anders gesagt: In der Musikerziehung gibt es (zwei) institutionelle Kulturträger und (viele) individuelle Kulturschaffende, wobei diese Unterscheidung dreier Akteure (oder Anbieter) nur idealtypisch trennscharf ist, da in der Praxis viele Überschneidungen existieren – vor allem dadurch, dass die individuellen Akteur*innen zum einen als Honorarkräfte an den Musikschulen, zum anderen als (Solo)Selbständige, also gleichsam ‚auf eigene Faust‘, beschäftigt sind (wobei wiederum viele von ihnen beiden Erwerbsformen nachgehen).

Auf diese komplexe Sachlage antwortet der Entwurf des Kulturgesetzbuches mit einer denkbar einfachen Festlegung. Er erhebt die öffentliche (kommunale) Musikschule mit qualifizierten Fachkräften in sozialversicherungspflichtiger Festanstellung zum Musterbetrieb der musikalischen Bildung und bietet den freien (privaten) Trägern an, diesem Muster zu folgen, wodurch sich (so hofft man wohl) das Problem der prekären Beschäftigungsverhältnisse gleichsam von selbst löst (der hauptberufliche Hornist im städtischen Orchester, der nebenbei noch zwei Schüler*innen an der städtischen Musikschule auf Honorarbasis unterrichtet, ist die bekannte Ausnahme zur Bestätigung der gewünschten Regel). Stillschweigend vorausgesetzt wird dabei, dass es (in absehbarer Zeit) genügend Musikschulen gibt, die diesem Muster entsprechen. Allein, alle Erfahrung der letzten Jahrzehnte spricht dagegen (Deregulierung und Privatisierung öffentlicher Aufgaben), und es ist nicht erkennbar, wie ein ausdrücklich als kostenneutral verstandenes Kulturgesetzbuch daran etwas ändern soll. Oder sollte die Lösung darin bestehen, dass sich das Land bei der Förderung von Künstler*innen und Musiker*innen (wie es der Gesetzesentwurf in § 16 Abs. 3 allen Ernstes vorschlägt) am Mindestlohngesetz orientiert?

Als größter Berufsverband für Musikerinnen und Musiker sowie Musikpädagog*innen verfolgt der DTKV seit Jahren die beklagenswerte Situation im Bereich der Musikerzie­hung im Allgemeinen und der Musikschulen im Besonderen, die vor allem durch den anhaltenden Trend zu prekären Beschäftigungsverhältnissen gekennzeichnet ist (eine Umkehr ist nicht absehbar). Und der DTKV weiß, wovon er spricht, repräsentieren doch seine Mitglieder (nur Einzelpersonen, keine Institutionen) das breite Spektrum der musikpädagogischen Kulturschaffenden, von denen die individuellen Akteur*innen bekanntlich gut ein Drittel des Musikunterrichtes leisten. Genau diese Gruppe der freiberuflichen und selbständigen Lehrkräfte kommt im Kulturgesetzbuch aber gar nicht vor – auch da nicht, wo es um die „Freie Szene“ geht, deren in Aussicht gestellte Förderung eine reine Leerformel darstellt, da völlig unklar bleibt, wer dafür überhaupt in Frage kommen soll (der Gesetzesentwurf schweigt dazu). Sollte nach landläufigem Wortgebrauch mit der „Szene“ die bunte Vielfalt ‚selbstbestimmter‘ Initiativen im Bereich von Kunst, Kultur und „Soziokultur“ gemeint sein, die sich als „alternatives“ Experimentierfeld jenseits des „etablierten“ Kulturbetriebs positionieren, dann sind damit alle eher konventionellen Bereiche des „freien“ Kulturbetriebs ausgeschlossen, also auch die vielen freiberuflichen Musikpädagog*innen und Musiker*innen, die als Soloselbstständige gar keiner „Szene“ angehören. Genau diese Gruppe aber stellt wiederum unverzichtbare pädagogische Partner*innen von allgemeinbildenden Schulen, Musikschulen und Ensembles, die den Nachwuchs dort sicherstellen. Ohne diese Kolleg*innen, von denen viele DTKV-Mitglieder sind, wären viele Musikschulen wohl kaum in der Lage, ihre Projektarbeit – etwa auch im JeKits-Bereich – über Honorarverträge sicherzustellen. Etliche Schulen arbeiten auch direkt mit diesen Kolleg*innen zusammen, insbesondere dort, wo es nur kleine oder gar keine Musikschulen gibt, wie in vielen Kommunen der Städteregion Aachen, des Kreises Euskirchen und im Oberbergischen. In manchen Gegenden besteht der Nachwuchs der Ensembles überwiegend bis ausschließlich aus Schülerinnen und Schülern von selbständigen Lehrkräften.

Von daher erscheint es uns als zwingend, dass auch die freiberuflichen Musikpädagog*innen im Kulturgesetzbuch explizit verankert werden. Die individuellen Kulturschaffenden erfordern eine gleichrangige Festschreibung neben den institutionellen Kulturträgern. Da sie den Kriterienkatalog für Musikschulen nicht erfüllen können, ist es umso wichtiger, sie als Kooperationspartner der Musikschulen aufzunehmen, wobei die Mitgliedschaft im DTKV (Voraussetzung: musikalisches Hochschulstudium!) als maßgeblichem Berufsverband als individuelles Äquivalent zum institutionellen Zertifikat gelten sollte.

Zudem sollte die Möglichkeit eröffnet werden, auch kooperative Zusammenschlüsse freiberuflicher Musikpädagog*innen (Muster: ärztliche Gemeinschaftspraxis) als „Musikschule“ (kleineren Formats) zu zertifizieren, wenn sie für die von ihnen angebotenen Instrumente das Kriterium des bildungsbiografischen Angebotsspektrums erfüllen (Unterricht von der Elementaren Musikerziehung bis zur Studienvorbereitung). Auch hier sollte die DTKV-Mitgliedschaft als individuelles Zertifikat anerkannt werden und damit als Grundlage für kooperative Zusammenschlüsse gelten können.

 

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