Hauptbild
Eine fröhlich lächlende Frau mit schulterlangen roten Haaren.

Eva Lücking beim Tanzen mit Schülerinnen.
Quelle: Universität Augsburg, Screenshot aus einer Unterrichtsvideografie des Projekts LeHet, 2017 

Banner Full-Size

Musikerin – Mentorin – Mutmacherin

Untertitel
Abschied von Eva Lücking
Vorspann / Teaser

Mitte Juli probte sie noch für ihr Musiktheater-Projekt – und dann ging alles sehr schnell: Am 27. Juli 2025 ist Eva Lücking im Alter von 71 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit verstorben.

Publikationsdatum
Paragraphs
Text

Mit ihrem Tod verliert nicht nur die bayerische Schulmusik eine außergewöhnliche Persönlichkeit, sondern auch das kulturelle Leben über Schule und Hochschule hinaus. Als leidenschaftliche Musiklehrerin bereicherte Eva Lücking über Jahrzehnte hinweg das Leben zahlreicher Schülerinnen. Als Dozentin an der Musikhochschule München und als Referentin in der Fortbildung beschenkte sie Generationen von Musiklehrkräften – und solche, die es werden wollten – mit wertvollen Impulsen für die schulmusikalische Praxis, und an der Volkshochschule Haar verschaffte sie stimmlich wenig geübten Erwachsenen Zugang zum Singen, neues Selbstbewusstsein und Bühnenpräsenz – gemäß ihrem Motto „Jeder Mensch kann singen lernen!“. Doch Eva Lücking war weit mehr als eine engagierte Lehrerin: Sie war Wegbegleiterin, Regisseurin, Choreografin, Mentorin und Mutmacherin – und nicht zuletzt eine hervorragende Musikerin, gleichermaßen als Sängerin, Geigerin, Pianistin, Percussionistin, Chorleiterin und Komponistin. 

Stimm-Erschließerin

Wer das Glück hatte, am Sophie-Scholl-Gymnasium München Eva Lückings Schülerin zu sein, erinnert sich an ihren außergewöhnlich engagierten und inspirierten Musikunterricht. Gemeinsam mit ihrem Mann Bernd er­dachte sie die „Bankpercussion“, eine Methode, die sie in zahllosen Fortbildungsveranstaltungen im gesamten Bundesgebiet vorstellte und die seither viele Kolleginnen und Kollegen in allen Schularten praktizieren. Eva Lücking erteilte hervorragenden Singunterricht, und dies nicht allein für ihre Chorklassen, sondern auch und gerade für Stimmen, die zunächst brummend brach lagen und erschlossen werden wollten. „Ich bin die Frau für hoffnungslose Fälle“ – ein Versprechen, das Eva Lücking im Unterricht einzulösen vermochte. Welch beeindruckend hohes Maß an Professionalität und Präzision sie dabei an den Tag legte, dokumentiert sich in einem Videomitschnitt, der im Rahmen eines Forschungsprojekts an der Universität Augsburg entstand und dort seither in der Lehre für angehende Musiklehrkräfte als Best-Practice-Beispiel zum Pflichtprogramm zählt.

Partizipatives Musiktheater

Legendäre Höhepunkte ihres Schaffens bildeten große Musiktheaterprojekte, für die sich Eva Lücking als Autorin, Komponistin, Arrangeurin, Chorleiterin, Choreografin und Regisseurin verantwortlich zeichnete. Im Zusammenspiel von Chorgesang und Bewegung, Text und Schauspiel kristallisierte sich ein Höchstmaß an Authentizität und Ausdruck heraus. Bravourös gelang das etwa in den Projekten „Lysistrate“ (frei nach Aristophanes) und „Ein Sommernachtstraum“ (nach Shakespeare), die jeweils über mehrere Jahre hinweg partizipativ mit Schülerinnen, Lehrkräften und Eltern erarbeitet wurden und schließlich in mehreren Vorstellungen über die Bühne des Münchner Prinzregententheaters gingen. 

Mit solchen Projekten stellte Eva Lücking ihre Schule vom Kopf auf die Füße, und ein Stück weit realisierte sie damit die Utopie einer Schulkultur, die Curricula und Bürokratie hinter sich lässt und Schule zu einem Ort macht, an dem es auf die Essenz des Humanen ankommt – und auf Ermutigung, Empowerment und die Fähigkeit zum aufrechten Gang. Wie sehr ihr all diese Ziele am Herzen lagen, zeigt sich auch daran, dass Eva Lücking  im Ruhestand weiter intensiv mit Chören arbeitete, in denen sich auch viele ehemalige Schülerinnen und Schüler zusammenfanden. Mit über 50 Mitwirkenden probte sie bis zuletzt am Musiktheaterprojekt „Die Konferenz der Vögel“ nach Motiven einer sufistischen Gedichtsammlung aus dem 12. Jahrhundert. Die Premiere war für Ende Juli 2025 vorgesehen. Zur Stunde der geplanten zweiten Aufführung ist Eva Lücking, umgeben von Familie und Freunden, friedlich eingeschlafen. 

Verbindung, Vertrauen, Emotion

Eva Lücking war für ihre Schülerinnen und Kolleginnen nicht nur der musikalische Mittelpunkt, die sprudelnde, nie versiegende Kreativquelle und Macherin. Vor allem und stets verkörperte sie das, was durch Musik entstehen kann: Verbindung, Vertrauen, Emotion. Man erinnert sich an offene Türen, ehrliches Interesse und Akzeptanz für ganz unterschiedliche Menschen, unerschütterliche Geduld – und an die Überzeugung, dass Musik und gemeinsames Musizieren Bedeutungen tragen, die nicht in Notenblättern stehen. Eva Lücking glaubte an die Kraft des Miteinander-in-Musik-Seins, an Gemeinschaft, an gegenseitige Verantwortung, an Hinhören und Hinschauen, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn, und sie lebte all das konsequent vor.

Mit Eva Lückings Tod verliert die bay­erische Schulmusik eine liebenswerte, lebendige, humorvolle Persönlichkeit und eine Lehrerin, wie man sie sich nur wünschen kann. Ihr Wirken wird weiterklingen: in kraftvollen Stimmen, lebenswichtigen Erinnerungen und dem Selbstvertrauen, das sie so vielen mit auf den Weg gegeben hat.

Print-Rubriken
Unterrubrik