Dass Musik eine sozialbildende und integrative Funktion zu erfüllen und damit nicht zuletzt demokratiefördernde Prozesse zu initiieren vermag, bildet eine Vorstellung, die tief in unserem abendländischen Kulturverständnis verankert ist. Zu denken wäre dabei, um nur ein frühes aber diskursmächtiges Beispiel zu nennen, an die sozial-ethische Bedeutung der Tonkunst in Platons Politeia.
Community Music an der LMR NRW
Von hier aus hat sich das Denken über Musik als eine besonders sozialwirksame Kunstform und -praxis über die Jahrhunderte fortentwickelt. Einige dieser einflussreichen Rezeptionsstationen können – in chronologischer Abfolge – mit musikgeschichtlich so bedeutsamen Autoren wie Johannes Tinctoris, Martin Agricola, Michael Praetorius, Johann Mattheson, Hermann Kretzschmar und Fritz Jöde angesprochen werden. Auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht etwas weit hergeholt anmutet, so ließe sich bei genauerer Betrachtung dieser sozialgeschichtlichen Bedeutungsdimension von Musik durchaus eine direkte Verbindungslinie zu jenen ethischen und ästhetischen Prinzipien ziehen, die aktuell mit dem Konzept der „Community Music“ in Zusammenhang stehen. Allerdings bedürfte es für diese historische Herleitung einer ausführlicheren Rekonstruktion, für die an dieser Stelle kein Platz ist. Es muss reichen, hier in verkürzter Form darauf hinzuweisen, dass die Definition der Community Music als einer sozialorientierten Musikpraxis, die einen „gleichberechtigten Umgang von Menschen verschiedener Herkunft und Religion, unterschiedlichen Geschlechts und Einkommens, ob mit oder ohne Behinderung, ob jung oder alt und von unterschiedlicher musikalischer Bildung“ (Burkhard Hill) ermöglichen möchte, Prämissen enthält, die bei den zuvor genannten Autoren der Vergangenheit bereits angelegt sind.
Aktionsfelder
Freilich haben sich die Orte, an denen Musik innerhalb Deutschlands entsprechend rezipiert und vermittelt wird, im Verlaufe der Zeit gravierend verändert – doch eint sie in diesem Punkt die (wiederum historisch gewachsene) Grundidee von einer Verortung an Bildungseinrichtungen, deren gegenwärtig wichtigste Institutionen der Disziplin die Hochschulen für Angewandte Wissenschaft, musikpädagogisch orientierte Einrichtungen, Konzerthäuser und die Bundes- beziehunsweise Landesmusikakademien sind. Auf letztere als Vermittlungsakteure der Community Music in ihren diversen Formaten und Anwendungsbereichen sei im Folgenden kursorisch eingegangen. Konkret soll es dabei um Angebote gehen, die die Landesmusikakademie Nordrhein-Westfalen (LMA NRW) bis dato bereits veranstaltet hat sowie in näherer Zukunft noch plant.
Ein vergangener wie aktueller Schwerpunkt der Einbeziehung von Community Music in das Kursprogramm der LMA NRW lag und liegt in den Aktionsfeldern interkulturell ausgerichteter Angebote wie etwa den landesgeförderten Projekten „IN.DI.E Musik“, „Brückenklang“ oder dem Zertifikatslehrgang „Musikpädagogik für Musiker:innen verschiedener Kulturen“. Verbindungsstiftend war und ist dabei der Ansatz, Musik als ein ästhetisches Medium in unterschiedlichen sozialräumlichen Kontexten zu verstehen, mittels der niederschwellige Partizipationsmöglichkeiten interkultureller Begegnung und Verständigung geschaffen werden. Gerade in diesen Zeiten, in denen kontinuierlich zunehmende Migrationsbewegungen zu verzeichnen sind, bietet Community Music ein facettenreiches Portfolio an Methodiken an, das für diverse Tätigkeitsfelder etwa der Musikpädagogik, -andragogik und -geragogik an Bedeutung gewinnt.
Zur Inklusion beitragen
Weitere wichtige Kursangebote der LMA NRW bilden zum einen das Community Music-Training „Mit Musik Gemeinschaft erleben“, das im Rahmen des Projekts „IN.DI.E Musik“ und in Kooperation mit den „Musicians Without Borders“ vom 24. bis 28.11.25 in Heek-Nienborg stattfindet. Das Training ist speziell für Musiker:innen und Musikpädagog:innen konzipiert, die ihre individuellen Fähigkeiten weiterentwickeln möchten, um zur sozialen Inklusion von Menschen mit Fluchterfahrungen und beziehungsweise oder Einwanderungsgeschichte beizutragen. Zum anderen startet im Februar 2026 der inzwischen dritte Durchgang des Zertifikatslehrgangs „Community Music“, der in Zusammenarbeit mit der Hochschule Düsseldorf, der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf und dem Konzerthaus Dortmund durchgeführt wird. Im Rahmen des Lehrgangs, welcher von Professorin Alicia de Bánffy-Hall und Marion Haak-Schulenburg geleitet wird, werden theoretische und praktische Grundlagen der Disziplin vermittelt. Dieses hinsichtlich seines Umfangs wie Formats bisher singuläre Fortbildungsangebot setzt sich dabei aus Sicht der Teilnehmenden unter anderem mit folgenden Fragen auseinander: Wie realisiere ich das Ideal kultureller Demokratie in meiner eigenen musikalischen Praxis? Wie schaffe ich einen sicheren und diskriminierungskritischen Raum in einem Community-Music-Workshop? Wie plane ich Projekte und wie argumentiere ich dafür nach außen?
Bildung einer Gemeinschaft
Aufgrund dieser Fragestellungen, die neben vielen weiteren Aspekten innerhalb des Lehrgangs thematisiert werden, wird deutlich, wie die Community Music an der anfänglich skizzierten Tradition musikbezogener Ideen und Praxen partizipiert, die – grosso modo – allesamt die Bildung einer Gemeinschaft qua Musik zum Ziel haben. In derzeit so turbulenten wie konfliktreichen Zeiten kann man dankbar dafür sein, dass unsere Gesellschaft auf derartige Ansätze im Rahmen von Fort- und Weiterbildungen zurückgreifen kann, um den beunruhigenden Tendenzen etwas Positives mit und durch Musik entgegenzusetzen.
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