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Ein Mehrgeschossiges Backsteingebäude am Wasser mit viel Grün um das Wasser.

Schünemanns Mühle (Rückansicht). Foto: Andreas Rudolph/BA Wolfenbüttel

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Kompass für Unternehmensentscheidungen

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Bundesakademie Wolfenbüttel nach Kriterien der Gemeinwohl-Ökonomie zertifiziert
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Seit 2024 ist die Bundesakademie in Wolfenbüttel nun als eine von bisher wenigen Kulturinstitutionen im Norden Deutschlands nach den Kriterien der Gemeinwohl-Ökonomie zertifiziert. 

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Alles begann mit der Fortbildung der Direktorin der Bundesakademie Wolfenbüttel Vanessa Reinwand-Weiss zur Transformationsmanagerin Nachhaltige Kultur. „Der Kulturbereich wird in den letzten Jahren immer wieder als sogenannte vierte Säule in der Nachhaltigkeit bezeichnet. Es geht nicht nur um soziale, ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit – auch kulturelle Aspekte spielen eine wichtige Rolle.

Wir im Kulturbereich sind deswegen aufgefordert, uns auch in gesellschaftliche Transformationsprozesse einzubringen und gerade als Bildungsinstitution tragen wir eine Verantwortung, diese gesellschaftlichen Entwicklungen mitzugestalten. Das war für mich der Anlass, mich intensiver mit ökologischer Nachhaltigkeit zu befassen“, so Vanessa Reinwand-Weiss. Im Rahmen der einjährigen Fortbildung wurden unterschiedliche Wege aufgezeigt als Kulturinstitution nachhaltiger zu werden. „Wir haben uns für die Gemeinwohl-Ökonomie entschieden, weil dieses Modell neben ökologischen Zielen, auch soziale, ökonomische und ethische Werte berücksichtigt.“

Die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) nach Felber stellt eine alternative Wirtschaftsphilosophie dar, die das Gemeinwohl in den Fokus rückt und den reinen Profit als vorrangiges Ziel der Unternehmensführung hinterfragt. Anstelle der reinen Gewinnmaximierung betont die GWÖ die Bedeutung von ökologischer, sozialer und ethischer Verantwortung.

Der Weg zur GWÖ-Zertifizierung begann bereits im Herbst 2022 mit der Gründung einer AG, die sich aus Mitarbeiter:innen aller Gewerke der Bundesakademie zusammengefunden hat, und dem Kennenlernen der beiden externen GWÖ-Berater:innen. In den knapp zwei Prozessjahren hat die AG auf Grundlage der GWÖ-Matrix alle Unternehmensbereiche durchleuchtet. Die GWÖ-Matrix fungierte dabei als Dreh- und Angelpunkt bei der Bewertung. Sie enthält alle relevanten Bereiche, die analysiert werden, und orientiert sich an vier Kernwerten: Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, Ökologische Nachhaltigkeit und Transparenz und Mitentscheidung. Alle Stakeholder der Institution (z. B. Lieferant:innen, Mitarbeiter:innen, Kund:innen, Teilnehmende) werden auf Grundlage eines Punktesystems in Bezug zu diesen Kernwerten gesetzt. Das Punktesystem macht sichtbar, wo die Organisation bereits stark ist und wo Verbesserungsbedarf besteht. Darauf aufbauend werden in einem Zukunftsplan die geplanten Maßnahmen gebündelt, und der Prozess somit langfristig in die alltägliche Arbeit der Akademie integriert. Beispiele für bereits erfolgte Maßnahmen sind:

  • Mobilitätserfassung bei Mitarbeitenden, Dozierenden und Teilnehmenden.
  • Anschaffung eines E-Autos als Dienstwagen.
  • Umstellung auf Lieferanten aus der Region mit Fair-Trade-Lebensmitteln.
  • Erarbeitung eines „Code-of-Conduct“ als Commitment eines respektvollen und wertschätzenden Umgangs unter allen Kolleg:innen und mit allen Gästen. 

Der Zertifizierungsprozess wurde mit einem Audit, an dem die GWÖ-Berater:innen und die GWÖ-AG der Bundesakademie teilgenommen haben, und der Abgabe eines Berichts abgeschlossen – der GWÖ-Prozess ist damit aber noch nicht abgeschlossen: Nach zwei Jahren (im Fall der Bundesakademie Wolfenbüttel also in 2026) findet wieder ein Audit mit den GWÖ-Berater:innen statt. Darin werden die Entwicklungen des zurückliegenden Zeitraums erörtert, und zwar wieder auf Grundlage des Punktesystems, welches somit nicht nur einmalig zur Beurteilung eines Ist-Zustandes herangezogen wird, sondern dauerhaft als Referenzgröße dient und den Prozess langfristig begleitet – ohne darauf angewiesen zu sein, Vergleiche zu anderen Institutionen heranziehen zu müssen. 

Neben diesen konkreten und „messbaren“ Veränderungen ist ein Be­wusstseinswandel unter den Mitarbei­ter:innen wahrnehmbar, der sich aus der allgegenwärtigen Beschäftigung mit dem Thema ergibt. Sophia Gericke, studentische Hilfskraft in der GWÖ-AG, sagt dazu: „Man merkt, dass das Thema wie selbstverständlich ernst genommen wird: Der Umgang damit weitet sich über die berufliche Auseinandersetzung langsam aus in das Private.“ Auf diese Weise wird die Gemeinwohl-Ökonomie zu einem ganzheitlichen Ansatz, der alle Mitarbeitenden der Bundesakademie dazu anregt, ihre Arbeits- und Lebensweise kontinuierlich zu reflektieren und so einen positiven Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten.

Der GWÖ-Prozess hinterlässt aber auch im Fort- und Weiterbildungsprogramm der Bundesakademie seine Spuren: Neben zwei Tagungen zum Thema Nachhaltigkeit in Kunst und Kultur gab und gibt es fortlaufend Fort- und Weiterbildungsangebote in dem Bereich für Kulturschaffende, etwa die bereits abgeschlossene BKM-geförderte SIN-Beratung (Start in die Nachhaltigkeit) und die im Oktober beginnende Nahkult Qualifizierung für gemeinwohlorientiertes Transformationsmanagement.

Als Ort für Kunst, Kultur und ihre Vermittler:innen legt die Bundesakademie schon seit vielen Jahren Wert darauf, mit Ressourcen aller Art respektvoll umzugehen. Durch die GWÖ-Zertifizierung folgen dieser Haltung konkrete Fakten. Die Gemeinwohlbilanz ist somit mehr als ein schmückendes Siegel für eine bessere Außendarstellung – sie ist vor allem ein langer und tiefgreifender Prozess zur Optimierung der organisationsinternen Arbeit.

Unter www.bundesakademie.de/akademie/gemeinwohl ist die Gemeinwohlbilanz der Bundesakademie Wolfenbüttel abrufbar. Bei Interesse oder Fragen stehen die Kolleg:innen in Wolfenbüttel den Kolleg:innen aus den Bundes- und Landesmusikakademien sowie allen anderen Kulturinstitutionen gerne zur Verfügung.

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