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Drei Menschen im höheren mittleren Alter sitzen in einer Reihe und werden von der Seite gezeigt. Die vorderste (eine rothaarige Frau) spricht in ein Mikrofon.

Franziska Gröpl auf einer ver.di Veranstaltung. Foto: Kay Herschelmann

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Nach der Tarifrunde im öffentlichen Dienst

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Weiterhin Handlungsbedarf bei der Arbeitszeit von Musikschullehrkräften · Von Franziska Gröpl
Vorspann / Teaser

In der Tarifrunde für den öffentlichen Dienst zu Beginn dieses Jahres haben wir eingefordert, über verlässliche Regelungen im TVöD für die Arbeit an Musikschulen zu sprechen. Das waren unsere konkreten Erwartungen: Maximal 30 Unterrichtsstunden pro Woche und Zusammenhangstätigkeiten sind genug! Keine zusätzliche Anrechnung der Ferienzeiten – kein Ferienüberhang! Mehr Selbstbestimmung beim Erholungsurlaub! Ein frei verfügbarer Urlaubstag je Quartal außerhalb der Ferien. Bis zu drei Tage zusätzlich frei! 

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Franziska Gröpl ist Teil des geschäftsführenden Bundesvorstands der Fachgruppe Musik in ver.di und Mitglied der Bundestarifkommission TVöD. Seit 2000 ist sie festangestellt (TvöD) an der Musikschule Bochum, unterrichtet Geige, Bratsche, Streicherklassen an einem Gymnasium und Streichergruppen an einer Grundschule, leitet ein Kinderstreichorchester und die Bezirksmusikschule Bochum Mitte.

Die meisten Musikschullehrkräfte sind in der Entgeltgruppe 9b des TVöD eingruppiert.  Die Tarifeinigung sieht unter anderem vor, dass die Jahressonderzahlung in den Entgeltgruppen 9a bis 12 von 70,28 Prozent auf 85 Prozent erhöht wird. Teile der Jahressonderzahlung können ab 2027 in bis zu drei zusätzliche freie Tage umgewandelt werden, dies bedeutet nach ver.di Auffassung auch außerhalb der Ferien.

Für Musikschullehrkräfte gilt wie für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die unter den TVöD besonderer Teil Verwaltung fallen: Sie können selbst entscheiden, ob sie den Anteil an der Tariferhöhung in Geld oder Zeit nehmen. Damit haben wir drei von den erwarteten vier frei verfügbaren Tagen erreicht. Die Arbeitgeber haben in vier Verhandlungsrunden und während der Schlichtung abgelehnt, über die weiteren Erwartungen mit ver.di zu verhandeln. Das ist eine verpasste Chance, die Arbeitsbedingungen an Musikschulen zu verbessern und unseren Beruf attraktiver zu machen.

Wir sehen Handlungsbedarf bei der Arbeitszeit! 

Die Arbeitszeit an Musikschulen ist durch den TVöD geregelt. Sie beträgt 39 Stunden in der Woche. Diese setzen sich zusammen aus 22,5 Zeitstunden Unterrichtstätigkeit und 16,5 Stunden Zusammenhangstätigkeiten. Eine volle Stelle sind 30 Unterrichtseinheiten zu je 45 Minuten. Auf jede Unterrichtseinheit entfallen 33 Minuten Zusammenhangstätigkeiten. Eine Unterrichtseinheit von 45 Minuten entspricht in der Summe also 1,3 Zeitstunden. Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von einem Jahr zugrunde zu legen.

Wie sieht es – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – aus mit der Arbeitszeit an Musikschulen?

Die Arbeitszeit an Musikschulen wird meist nur in Teilen erfasst. Die Unterrichtstätigkeit, also 22,5 Stunden ist durch unsere Stundenpläne festgelegt. Die Zusammenhangstätigkeiten sind oft außen vor.

Seit der Festlegung des Verhältnisses zwischen Unterricht und Zusammenhangstätigkeiten hat sich unser Berufsbild sehr stark verändert. Die neuen Aufgaben erfordern Zeit, Arbeitszeit, die den immer umfangreicher werdenden – zeitlich meist nicht erfassten – Zusammenhangstätigkeiten zugeordnet wird.

In der Befragung zur Arbeitszeit, die ver.di zu Beginn letzten Jahres durchgeführt hat, gab die Mehrheit der Musikschullehrkräfte an, in Teilzeit zu arbeiten. Bei der wöchentlichen Arbeitszeit gibt es eine Diskrepanz zwischen durchschnittlich vereinbarten Arbeitsstunden pro Woche – 23,52 Stunden – und tatsächlichen Arbeitsstunden pro Woche – 27,73 Stunden – von über 4 Stunden unbezahlter Arbeit.

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Eine Gruppe mit gelben Warnwesten und Instrumenten demonstriert.

Kölner Kolleg*innen im Warnstreik zur Tarifrunde öD 2025 Foto: ver.di

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ver.di hat mit den kommunalen Arbeitgebern in Deutschland einen Flächentarifvertrag abgeschlossen. Alle Kommunen sind daran gebunden. Gibt es dadurch auch einheitliche Regelungen zur Arbeitszeit an Musikschulen? Der Ferienüberhang beweist das Gegenteil. Es gibt Kommunen, die sich an den 1987 gebildeten Konsens halten, 30 Unterrichtseinheiten zu je 45 Minuten sind eine volle Stelle und decken die Ferien mit ab.  Durch die spätere Erweiterung des Berechnungszeitraums der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit auf ein Jahr wurde es möglich, je nach Bundesland bis zu 35 Unterrichtseinheiten abzuverlangen. Dieses Vorgehen ist umstritten. Die Kolleg*innen arbeiten außerhalb der Ferien, selbst wenn man von dem Unterrichtsalltag des Jahres 1987 ausgeht, bis zu 45,5 Zeitstunden in der Woche und müssen in den Ferien frei machen. Dies geht meines Erachtens nur mit entweder fachlichen Folgen für den Unterricht oder gesundheitlichen Folgen für die Lehrkräfte. Die Höhe des Ferienüberhangs wird oft von den Arbeitgebern einseitig festgelegt. In der schon erwähnten Befragung zur Arbeitszeit gaben 58,4 Prozent der Musikschullehrkräfte an, dass sie die tatsächlich geleistete Mehrarbeit stark oder eher stark belastet.

Knapp 80 Prozent der Befragten gaben an, dass es ihnen entweder gar nicht oder nur in geringem Maße gelingt, geleistete Mehrarbeit in Freizeit auszugleichen. Damit sind meist (eher) starke Beanspruchungen verbunden. In den 6 Monaten vor der Befragung fühlten sich 56,4 Prozent der Teilnehmenden häufig oder sehr häufig nach der Arbeit leer und ausgebrannt. 51,7 Prozent konnten sich auch in der arbeitsfreien Zeit häufig oder sehr häufig nicht richtig erholen, 65,5 Prozent konnten nach der Arbeit häufig oder sehr häufig nur schwer abschalten.

39,4 Prozent der Befragten antworteten auf die Frage „Meinst Du, dass Du unter den derzeitigen Anforderungen Deine jetzige Tätigkeit bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter ohne Einschränkungen ausüben kannst?“: Nein, wahrscheinlich nicht.
Nur 21,2 Prozent gaben an, in Vollzeit zu arbeiten. Bei den Teilzeitbeschäftigten würden 43 Prozent gerne mehr oder in Vollzeit arbeiten, 34,8 Prozent sagen, „Vollzeit würde mich zu sehr belasten“. 

Handlungsbedarf

Diese Zahlen belegen, dass dringender Handlungsbedarf bei der Arbeitszeit von Musikschullehrkräften besteht. Denn nur knapp 21 Prozent der Musikschullehrkräfte im TVöD würden ihren Arbeitsplatz uneingeschränkt weiterempfehlen. Immer mehr Musikschullehrkräfte vernetzen sich, um ihre Arbeitsbedingungen gemeinsam zu verbessern. In der letzten Tarifrunde machten sie mit Aktionen und Streiks auf ihre Situation aufmerksam. Es braucht eine vernünftige Perspektive für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen an Musikschulen auch für die künftigen Beschäftigten. Jetzt sind die Arbeitgeber am Zug ,diese zu schaffen. Sonst wird es sehr schwer, Fachkräfte für unseren Beruf zu begeistern.

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