München - Star-Dirigent Simon Rattle (61) kämpft mit Beethoven gegen das Ende des EU-Jugendorchesters. Am Dienstag spielte er im Herkulessaal der Münchner Residenz mit dem Symphonieorchester und dem Chor des Bayerischen Rundfunks aus Protest einen Teil von Ludwig van Beethovens Neunter Symphonie.
«Wir spielen diesen kleinen Auszug aus Beethovens Neunter Symphonie mit den Worten und der Musik, die die europäische Hymne waren - aus Protest und zur Unterstützung für dieses außergewöhnliche Orchester», sagte Rattle - und der Chor stimmte «Freude schöner Götterfunken» an. Dann ließ der Dirigent das Orchester mittendrin abbrechen. «Das ist ein ebenso schrecklicher Schnitt für Beethoven wie es einer für das Orchester ist. Die Frage ist nun: Was passiert als nächstes?»
«Wenn es in Europa jemals etwas gab, das zeigte, was die europäischen Ideale sein sollten, dann ist es das Jugendorchester. Und es ist schrecklich, davon in der Vergangenheit zu denken», sagte er. «Soweit ich weiß, ist es die einzige Institution, in der Menschen aus allen 28 Staaten zusammen sind.»
Die Unterstützung für das Jugendorchester der Europäischen Union (EUYO) soll am 1. September auslaufen. Rattle vermutet dahinter eher einen «bürokratischen Alptraum» als eine bewusste Entscheidung. «Und wenn es ein bürokratischer Alptraum ist, ist es genau das, worüber die Leute im Brexit-Lager sprechen.»
Er selbst ist wohl kein Befürworter eines Ausstiegs Großbritanniens aus der EU. «Jeder, der auf dem - sagen wir - europäischen Festland lebt und arbeitet, würde dazu tendieren, drin bleiben zu wollen. Das ist so offensichtlich und logisch wie es wäre, einem großartigen Jugendorchester nicht das Geld zu streichen», sagte Rattle. Er wolle sich aber nicht explizit an der Debatte beteiligen. «Es reden so schon genug Leute darüber.»