„Ausbildung für das Arbeitsamt?“ Unter diesem Tenor stand der diesjährige „dies academicus“ der Leipziger Hochschule für Musik und Theater am 2. April. Podiumsgäste waren die kulturpolitischen Sprecher der Fraktionen des Sächsischen Landtages, es moderierte Thomas Bille vom Mitteldeutschen Rundfunk.
Wahlkampf bleibt weitgehend draußen an diesem Nachmittag. Sachsens Landespolitik bemüht sich um den Erhalt möglichst breiter kultureller Strukturen. Da sind sich Gunhild Lattmann-Kretschmer (PDS), Dr. Karl-Heinz Kunckel (SPD) und Dr. Roland Wöller (CDU) ziemlich einig. Damit ist das Bundesland vermutlich kein Einzelbeispiel, ebenso wenn Spaltungen und Brüche zum Thema quer durch die Parteien gehen. Die Hochschulpolitiker der Fraktionen fehlen am Leipziger Podiumstisch. Beide Bereiche fallen in die Landeshoheit und dass die Betroffenheit eine gemeinsame ist, tritt nicht nur bei den Hack-Ergebnissen der jährlichen Haushaltsberatungen zutage.
Zu Beginn gibt es einiges zum sächsischen Kultur-Ist-Stand: Trotz der durchgekämpften Verlängerung des Kulturraumgesetzes bis 2007 – immerhin eine bundesweite Einmaligkeit – ist es kein Geheimnis, dass durch steigende Fixkosten die Probleme insbesondere bei der Kofinanzierung der Kommunen größer werden. Das hat Literatur und Film getroffen und es wird weiter Theater und Orchester treffen.
Wie engagiert sich nun die sächsische Kulturpolitik konkret für ihre Musikstudenten? Es ist bekannt, dass Musiker zum besonders flexiblen Völkchen gehören, das oft mit unschlagbarem Optimismus gesegnet ist. Immerhin schaffen es vier Studenten zur Veranstaltung. Sie sind sehr aktive Diskussionsteilnehmer und erreichen eine gewisse Polarisierung zwischen den Parteienvertretern. Die Crux der Diskussion zeigt sich beim Problem der Verantwortung für Kulturfinanzierung auf lange Sicht. Das Engagement ist glaubhaft und bleibt hilflos.
Frau Lattmann-Kretschmer kennt als langjährige Intendantin des Dresdner Theaters der Jungen Generation die Verknüpfungen von Kultur und Bildung. Für sie ist Sachsens Musiklandschaft immer noch reich, die Kulturpolitik der Landesregierung per se falsch. Die PDS leidet an den Umständen, weiter bringt das nicht. Mehr Eigenverantwortung und Freiberuflichkeit heißt die neue Zauberformel für Herrn Dr. Wöller. Keine Antwort gibt es auf Billes spitze Moderatorenfrage, ob damit „kostengünstig alle Symphonieorchester zu Kammerorchestern eingeschmolzen werden.“ Sollen oder können, wobei auch die Frage gewachsener Klangkultur hier nicht berücksichtigt werden kann. Der Volkswirt gerät schließlich ins Schleudern, als er das Allheilmittel „Kulturmanagement“ als komplexe Lösung und den Hochschulen Kurse für „Erfolgreiche Selbständigkeit“ empfiehlt. Rektor Christoph Krummacher kontert mit einer dezidierten Verständnisfrage: „Bitte deklinieren Sie mir das doch einmal durch. Unsere finanziellen Ressourcen reichen gerade für die elementare Ausbildung – sollte ich vielleicht die Hälfte der Oboenausbildungsstellen streichen?“
Die blinde Orientierung auf die materielle Infrastruktur macht Kultur zum ausschließlichen Standortfaktor. Das ist Rettungsanker für manche Institution, aber auf lange Sicht zu wenig. Eine wirkliche Kommunikation über Inhalte gibt es nicht und hat, nach Meinung von Dr. Kunckel „mit der desillusionierten gesellschaftlichen Entwicklung der letzten fünfzig Jahre zu tun. Bundes- und Gesamtdeutsch.“
Und auch das gehört unbedingt mit in das Ressort Bildung. Kunckel ist einer der wenigen Politiker, der es bemängelt, bei Kultur langjährig nur noch über Finanzen geredet zu haben. Er spart nicht mit dem Vorwurf der „politischen Dummheit“ bei einzelnen Entscheidungsträgern. Seine Offenheit mag auch mit seiner letzten Legislaturperiode im Landtag zu tun haben. Aber lang genug ist der Mann dabei um zu wissen, wo es bereits 5 nach 12 ist.