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Micki Meuser bei der SoundTrack_Cologne. Foto: Jörg Lichtinger
Micki Meuser bei der SoundTrack_Cologne. Foto: Jörg Lichtinger
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Sprachrohr der Filmkomponisten in Deutschland

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Micki Meuser, Vorsitzender der Deutschen Filmkomponistenunion, im nmz-Gespräch
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Im Oktober 2010 beschlossen einige deutsche Filmkomponisten im Münchner Park Café, eine neue Interessenvertretung zu gründen, die für die Belange von Komponisten im Film- und TV-Bereich mit seinen ganz speziellen Rahmenbedingungen eintreten sollte. Die Deutsche Filmkomponistenunion fand schnell Zuspruch in den Reihen der Musikautoren und ist heute das Sprachrohr der Filmkomponisten auf politischer Ebene. Zu ihrem ersten Vorsitzenden wurde der in Berlin lebende Komponist Micki Meuser gewählt. Der ehemalige Bassist von Jazz-Legende Charlie Mariano und Produzent zahlreicher Pop-Acts (Ärzte, Ideal, Ina Deter), der in den vergangenen zwei Jahrzehnten überwiegend Musik zu TV-Serien (MythQuest, Was nicht passt, wird passend gemacht), Spielfilmen (Vorzimmer zur Hölle) und einigen Kinoproduktionen (Obsession) schrieb, spricht im nmz-Interview über die Ziele der DEFKOM und die drängenden Themen, mit denen sie sich beschäftigt.

neue musikzeitung: Herr Meuser, bei der Eröffnungsveranstaltung der SoundTrack_Cologne standen Sie als Vorsitzender der DKV-Fachgruppe DEFKOM auf der Bühne neben den Vertretern der Medienmusikverbände composers club und mediamusic. Wieso braucht man in einem so überschaubaren Bereich wie dem der Film- und Medienkomponisten gleich drei Organisationen?

Meuser: Die DEFKOM ist ein reiner Filmkomponistenverband. In den anderen genannten Verbänden sind auch Medienkomponisten organisiert, die für Theater, Hörspiele, Games und Werbung komponieren. Vor etwa drei Jahren hatten einige Filmkomponisten, darunter Enjott Schneider, Klaus Doldinger, Martin Böttcher oder Marcel Barsotti das Gefühl, man bräuchte einen Verband, der sich speziell um den Bereich Musik im Film kümmert. Ein Verband, in dem mit den anderen Berufen im Bereich Film über die spezifischen filmmusikalischen Themen geredet werden kann. Das war aus unserer Sicht mit dem composers club und mediamusic wegen deren breiter angelegten Mitgliederstruktur nicht möglich.

nmz: Es folgte also die Neugründung der Deutschen Filmkomponistenunion, bei der auch ein wesentlicher Teil der Filmkomponisten, die im Composers Club organisiert waren, diesen verlassen haben. Sie haben die DEFKOM aber nicht einfach aus dem Nichts gestampft, sondern sie als Teilgruppe des DKV (Deutscher Komponistenverband) aufgestellt, der ebenfalls viele Filmkomponisten zu seinen Mitgliedern zählte. Wollten Sie einen starken Partner im Rücken haben?

Meuser: Wir haben uns bei der Gründung der DEFKOM an internationalen Modellen orientiert. Auf europäischer Ebene sind in Ländern wie England und Frankreich die Musikautoren so organisiert, dass es einen Dachverband gibt und sich die Komponisten der verschiedenen Sparten wiederum in Unterverbänden, in einem sogenannten Drei-Säulen-Modell gliedern – 1. E-Komponisten, 2. Pop- und Jazzkomponisten und 3. Komponisten für den Medienbereich, auf englisch heißen die „audio-visual composers“. Wir dachten, das sollten wir auch in Deutschland einführen, denn es hilft bei der Kommunikation in den europäischen Dachverband. Das hat sich bestätigt, und inzwischen haben auch die E-Komponisten die FEM (Fachgruppe E-Musik) im DKV gegründet. Jetzt warten wir noch darauf, dass die Kollegen aus dem Pop- und Jazzbereich die dritte Säule bilden, was sicher in den nächsten Jahren passieren wird, und dann haben wir in Europa eine einheitliche Struktur, was für bestimmte kulturpolitische Themen sehr wichtig ist.

nmz: Sie denken an das Urheberrecht?

Meuser: Zum Beispiel, ja. Da haben wir natürlich gemeinsame Interessen mit allen Komponisten und können mit dem Sprachrohr DKV einen ganz anderen Druck aufbauen, weil wir dann für fast 1.500 professionelle Komponisten in Deutschland sprechen. Da haben wir der Politik gegenüber ein ganz anderes Standing. Spezielle filmmusikalische Themen diskutieren wir mit den 150 zum Teil namhaften Filmkomponisten, die über uns organisiert sind. Genauso machen es die E-Komponisten, die ihre speziellen Themen, wie das Neue-Musik-Festival Donaueschingen, in ihrer Fachgruppe diskutieren, und wenn es zum Beispiel um das Urheberrecht geht, setzen wir uns alle zusammen.

nmz: Finanzieren Sie sich komplett über Mitgliedsbeiträge oder haben Sie auch andere Geldgeber?

Meuser: Nein, Geldgeber haben wir keine, abgesehen von einigen spontanen Spenden bei der Gründung. Die kamen allerdings auch nicht von außen, sondern von Filmkomponisten, die uns bei der Arbeit mit der DEFKOM unterstützen wollten. Wir denken momentan über die Einrichtung einer Fördermitgliedschaft nach, um auch Leuten von außen die Möglichkeit zu geben, die filmmusikalische Arbeit zu unterstützen, aber derzeit finanzieren wir uns rein aus den Mitgliederbeiträgen.

nmz: Was sind nun die Themen, die Sie in Ihrer Fachgruppe der Filmkomponisten diskutieren und nach vorne bringen wollen?

Meuser: Wir sind ein Berufsverband. Daher geht es zunächst ganz einfach um Honorare und die Gefahr des Honorardumpings. Filmmusiken sind Auftragswerke, die honoriert werden. Wir sehen das Problem, dass von den Sendern versucht wird, die Kosten für Produktionen zu drücken, und zwar massiv. Die 90-Minüter von ARD und ZDF zum Beispiel hatten früher einmal Budgets von etwa zwei Millionen Euro – das sind jetzt Näherungswerte, keine definitiven Zahlen. Diese Filme sollen heute für nur eine Million Euro gemacht werden, natürlich bei verbesserter Qualität. Das wirkt sich letztendlich auch auf die Filmmusikhonorare aus.

Klar ist, dass Filmproduzenten unter immensem Finanzdruck stehen, das verstehen wir zum Teil. Weniger Verständnis haben wir für die „Sparzwänge“ der öffentlich-rechtlichen Sender, die durch die neue Haushaltsabgabe eigentlich genug Geld haben müssten. Ein weiteres Thema, das uns unter den Nägeln brennt, ist die Praxis der Zwangsinverlagnahme. Dabei wird dem Komponisten gesagt: „Wenn du den Auftrag haben willst, musst du bei uns einen Verlagsvertrag unterschreiben!“ Dazu werden von den Sendern und Produktionsfirmen Verlage gegründet, die jedoch keine Verlagsarbeit leis-ten, sondern nur dazu dienen, den Autoren 40 Prozent ihrer Gema-Einnahmen wegzunehmen.

nmz: Das klingt illegal...

Meuser: Ist es auch, aber die Verhandlungsmacht liegt bei den Auftraggebern. Es gibt leider genügend Komponisten, die aus finanziellen Gründen solche Aufträge annehmen und dafür auch zusammen mit dem Auftraggeber über solche Abmachungen schweigen. Manche Sender diskutieren auch nicht lange mit dem Filmkomponisten über Vertragsbedingungen, sondern legen ihm einfach den fertigen Vertrag hin, den er dann unterschreibt oder der Auftrag geht an den nächsten Komponisten, der mitspielt. Es ist, wie gesagt, eine Sache der Verhandlungsmacht. Natürlich ist das illegal, und der einzelne Komponist kann dagegen kaum klagen. Er bekommt vielleicht Recht, aber dafür nie wieder einen Filmmusikauftrag.

nmz: Gibt es diese Praxis bei allen TV-Sendern?

Meuser: Nicht bei allen, aber zum Beispiel bei den Privatsendern ist das gang und gäbe, die machen das ganz offen. An dieser Stelle setzen wir mit der DEFKOM an und bitten die Sender zum Dialog. Wir sagen ihnen: „Wenn ihr die Verlagsrechte unbedingt wollt, dann macht auch wenigstens Verlagsarbeit für uns!“

nmz: Wie sieht die Verlagsarbeit konkret aus, die sich die DEFKOM von den Sender-Verlagen wünscht?

Meuser: Die Aufgabenteilung zwischen Urheber und Verlag hat eine sehr lange Tradition und sieht auf Seiten des Verlags vor, das Geschäft des Komponisten voranzutreiben. Dazu gehören Werkanmeldungen, Netzwerkpflege, also das Zusammenbringen von Autoren mit Produzenten und Regisseuren, das Zahlen von Vorschüssen und nicht zuletzt auch das Income-Tracking, die Überwachung der Rechteverwertung. Das ist sehr wichtig geworden, denn auch im Ausland laufen deutsche Filme inzwischen sehr gut und eine Unterstützung bei der Verfolgung dieser Verwertung kann sich für den Filmkomponisten durchaus lohnen, weil es zusätzliche Gelder in die Kasse spült und ihm eine Menge Recherchearbeit erspart. Dafür gibt man dann auch mal einen Teil seiner Einnahmen ab.

nmz: Haben Sie mit diesen Vorschlägen bisher bei den Sendern etwas bewirken können?

Meuser: Ja, wir merken, dass sich tatsächlich etwas verbessern kann, wenn man nicht als Einzelkämpfer, sondern als Verband auf diese Missstände hinweist. Zum Teil wird jetzt durchaus richtige Verlagsarbeit gemacht. Am Beispiel Pro Sieben sehen wir, dass auf unser Einwirken hin die Kollegen, die für diesen Sender schreiben, durchaus nennenswerte Einnahmenzuwächse verbuchen können.

nmz: Der Kampf gegen Honorardumping und Zwangsinverlagnahme sind zwei dunklere Themen Ihres Verbandsgeschäfts. Gibt es auch weniger negativ besetzte Themen, die Ihre tägliche Arbeit bestimmen?

Meuser: Das wäre zum einen unser Bestreben, die Wahrnehmung von deutscher Filmmusik zu erhöhen. Wir versuchen, überall da zu sein, wo Filmmusik präsentiert wird. Wir unterstützen die SoundTrack_Cologne, mittlerweile Europas größten brancheninternen Filmmusikkongress in Köln, sowohl finanziell als auch mit unserem Know-how. Mit dem Team der STC veranstalten wir den Tag der deutschen Filmmusik auf dem Festival in Cannes. Wir gehen da in Panels, sprechen vorab mit den Organisatoren über geeignete Themen und schlagen auch Spezialisten aus unseren Reihen als Referenten vor. Gleiches machen wir für filmtonart (BR) und die Nacht der Filmmusik in München sowie auf den Filmfestivals in Halle und Hamburg. Wir beteiligen uns also da, wo Öffentlichkeit für Filmmusik hergestellt wird. Ein weiteres Ziel, ist die Anhebung des generellen Niveaus der deutschen Filmmusik. Das ist zwar immer hoch gewesen, es gibt ausgezeichnete Filmkomponisten aus Deutschland, dennoch wollen wir uns durch den Austausch von Wissen und Erfahrung weiter verbessern. Dazu gehört, dass junge Komponisten selbstverständlich erfahrene Komponisten anrufen und um Rat fragen können, das ist Teil des Service der DEFKOM.

nmz: Planen Sie abseits von Vertragsverhandlungen, Netzwerken und Aufklärungsarbeit mit der DEFKOM auch eigene Projekte?

Meuser: Wir sind jetzt im dritten Jahr und haben uns so weit konsolidiert, dass wir in der Tat über größere Projekte nachdenken können. Da wäre zum Beispiel die Idee eines großen Filmmusikpreises in Deutschland, den die DEFKOM veranstaltet – glamourös veranstaltet, mit einem großen Filmmusikkonzert. Wenn nicht wir Filmkomponisten so etwas auf die Beine stellen, wer soll das sonst machen?

nmz: Die Tonträger produzierende Musikbranche leidet unter dem Internet und seinen Möglichkeiten. Wie wirkt sich das Netz für die Filmkomponisten aus?

Meuser: Ich sehe im Internet weniger ein Hindernis als eine Chance für uns Filmkomponisten. Man muss aber überall dort rangehen, wo etwas passiert. Ein aktuelles Beispiel für konkrete DEFKOM-Arbeit in diesem Bereich sind die Mediatheken. Bisher durften Sendeinhalte dort sieben Tage lang nach der Ausstrahlung online stehen. Die Öffentlich-Rechtlichen wollen diese Beschränkung nun aufheben, sodass Filme in Zukunft jederzeit abrufbar sind.

Das bedeutet, es gibt keine Notwendigkeit mehr für Wiederausstrahlungen von Sendungen und das wird sich auf die Lizenzierung auswirken. Wir müssen uns also gemeinsam mit GEMA und Sendern an einen Tisch setzen und neue Tarife aushandeln.

nmz: Treibt es Sie manchmal zur Weißglut, dass die Verwertungsgesellschaften letztlich schon so lange ihre Arbeit machen und es trotzdem – mitunter der ständigen Veränderung des Systems geschuldet – immer noch so schwer für Urheber ist, ihren Schnitt zu machen?

Meuser: Nun gut, es liegt nicht an den Verwertungsgesellschaften, sondern daran, dass kulturelle Werke und kreative Inhalte immer mehr durch Computer- und Internetfirmen verbreitet werden, und diese nicht bereit sind, wie es im Urheberrecht vorgesehen ist, die Kreativen angemessen zu beteiligen. Es treibt mich zwar nicht zur Weißglut, aber ich kämpfe dafür, dass junge Menschen von der Schule abgehen können und sich sagen können: „Ich bin kreativ, ich möchte damit meinen Lebensunterhalt verdienen, denn es gibt in unserem Land das Berufsbild des Kreativen!“ Und es ärgert mich, dass weite Teile unserer Gesellschaft und auch der Politik davon ausgehen, dass Kreativität eine Art Hobby ist und Kreative eigentlich immer noch Taxi fahren müssen. Das muss nicht sein, denn die Bilanzen der Kreativwirtschaft zeigen, dass Kreativität und Kultur volkswirtschaftlich gesehen sehr viel Geld generieren, wenn man sie angemessen honoriert und fair beteiligt.

Das Interview führte Jörg Lichtinger

 

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