Berlin - Berliner Unternehmen und Start-ups, aber auch Vereine und Kulturinstitutionen können mit weiteren Staatshilfen in der Corona-Krise rechnen. Der Senat beschloss am Freitag ein Programm, das insgesamt bis zu 1,8 Milliarden Euro umfasst. Darunter sind 1,3 Milliarden Euro vom Bund und 500 Millionen Euro vom Land.
Ein großer Teil entfällt auf die Wirtschaft, hier speziell auf Unternehmen mit mehr als zehn und bis zu 250 Beschäftigten. Sie sollen erstmals Zuschüsse erhalten können, die sie nicht zurückzahlen müssen. Das hatten Wirtschaftsverbände seit langem gefordert.
Allerdings sollen diese Zuschüsse zumeist zielgerichtet ausgezahlt werden, wie Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) erläuterte. So stehen 90 Millionen Euro für Mietzuschüsse zur Verfügung: Den Betrieben werden ihre Gewerbemieten für April und Mai teilweise erstattet, pro Firma fließen bis zu 10 000 Euro.
Hinzu kommen 80 Millionen «Digitalprämie» für Solo-Selbstständige, kleine und mittlere Unternehmen. Das Geld - je nach Betriebsgröße zwischen 7000 und 20 000 Euro - soll dabei helfen, Geschäftsmodelle zu digitalisieren und Firmen fit für die Zukunft zu machen. Zur Förderung von Start-ups dienen Kredite über die bundeseigene KfW-Bank von bis zu 800 000 Euro - bei hundertprozentiger Haftungsfreistellung.
Wie Pop weiter erläuterte, sind 15 Millionen Euro für Stipendienprogramme in der Kultur sowie für künstlerische Projekte im Stadtraum vorgesehen. An Familien, die wegen Kinderbetreuung zu Hause Einbußen hatten, sollen 60 Millionen Euro fließen. Zehn Millionen Euro sind für einen Kongressfonds vorgesehen, aus dem auch Veranstalter von Messen und Festivals bezuschusst werden sollen.
«Wir haben mit den Soforthilfen schnell und unbürokratisch gehandelt und damit rund 420 000 Arbeitsplätze gestützt», unterstrichen Pop und Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD). «Gemeinsam mit dem Bund werden wir die durch die Corona-Pandemie in Not geratenen Unternehmen, Selbstständige und Start-ups auch zukünftig nicht alleine lassen», so Pop. Sie sprach vom Einstieg in eine neue Phase der Corona-Hilfen, Kollatz von einem «Wendepunkt von Anti-Krisen- zu Hochfahrmaßnahmen».
In den vergangenen Monaten hatte der Senat bereits diverse Hilfsprogramme aufgelegt. Regierungschef Michael Müller (SPD) sagte, es habe ein breites Spektrum an Hilfen gegeben, und viele hätten davon profitiert. Nun normalisiere sich die Situation bei manchen, aber viele seien immer noch in einer schwierigen Situation. Das neue Programm solle daher «Berliner Stärken» wie die Start-up-Szene oder den Mittelstand gezielt unterstützen.
Die Wirtschaft bewertete das neue Programm positiv. Endlich stelle der Senat das seit langem geforderte Zuschussprogramm für mittelständische Unternehmen in Aussicht, erklärte IHK-Präsidentin Beatrice Kramm. «Entscheidend ist, dass nun zügig ein Antrags- und Vergabeprozess installiert wird, damit die Gelder auch schnell bei den Betrieben ankommen.» Die Auswirkungen der zwischenzeitlichen Einschränkungen seien weiter erheblich.
Weiter Schlagzeilen machen unterdessen die Betrugsversuche bei den Corona-Soforthilfen in den vergangenen Monaten. Die CDU witterte am Freitag einen «milliardenschweren Finanzskandal». Kollatz wies im Gegenzug darauf hin, dass diese kriminellen Fälle «unter 0,5 Prozent» (nmz, bl: Das sind immerhin 9 Millionen Euro.) des Finanzvolumens von 1,8 Milliarden Euro ausmachten. Der Senat gehe davon aus, dass das Geld im Zuge der nachträglichen Kontrollen und Ermittlungen wieder hereinkomme. Bei dem neuen Programm sei man besser gewappnet.
Kollatz wehrte sich gegen Vorwürfe, die Investitionsbank Berlin (IBB) habe die Zuschüsse nach Beginn der Corona-Krise im Frühjahr zu schnell und ohne Prüfungen ausgezahlt. In der ersten Phase der Krise sei es darum gegangen, viele Unternehmensexistenzen zu retten. «Insofern war es der Bund, der dazu aufgerufen hat: Liebe Länder, fangt an so schnell wie möglich. Macht auch vorlaufende Programme», so Kollatz. «Und es war der Bund, der gesagt hat, die Logik dieser Programme ist: Wir zahlen jetzt aus und kontrollieren später.»
Bei der Berliner Staatsanwaltschaft haben sich inzwischen 660 Ermittlungsverfahren wegen Betrugsverdachts bei Corona-Soforthilfen angesammelt, wie eine Sprecherin am Donnerstag mitteilte. Wirtschaftssenatorin Pop sprach am Freitag von rund 850 Fällen, in denen wegen Betrugs ermittelt werde. «Da sind wir im Promillebereich», fügte sie angesichts von etwa 220 000 Anträgen auf Soforthilfe hinzu. Der Bund bat das Land demnach schon vor einigen Wochen um Aufklärung über die Verwendung der von ihm stammenden Mittel. «Wir haben diese Fragen beantwortet», sagte Pop.
Die IBB selbst wies die Kritik am Freitag ebenfalls zurück. «Auch in Ländern mit vermeintlich intensiveren Prüfungen gibt es Betrugsfälle», teilte ein Sprecher auf Anfrage mit. Die überwiegende Mehrheit der Hilfen sei indes korrekt beantragt worden. Insgesamt habe die IBB mehr als 50 000 auffällige Anträge manuell geprüft und rund die Hälfte davon abgelehnt. Das entspreche einer Quote von rund zwölf Prozent aller ausgezahlten Anträge. «Diese Quoten sind nach unseren Informationen vergleichbar mit denen in anderen Ländern», hieß es.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, Burkard Dregger, kündigte in der RBB-«Abendschau» an, es würden alle politischen Mittel genutzt, um die Angelegenheit lückenlos aufzuklären. So sei bereits für Montag eine Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses im Parlament beantragt.