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Musik im Riesen. Foto: Swarovskis Kristallwelten
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… Kammermusik, die ich selber gerne hören würde … – Thomas Larcher zur „Musik im Riesen“ in Wattens/Tirol

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Swarovskis Kristallwelten sind mittlerweile weltberühmt, an jeder zweiten Ecke jeder zweitwichtigen Stadt gibt es Filialen, auch als shop-in-shop bei Premium-Kaufhäusern. Von Wattens in Tirol aus glitzert es hinaus in die große weite (Schmuck)Welt. Das Angebot ist fulminant, von Edel-Kitsch bis Edel-Kette. Vom Billig-Segment bis ins Luxus-Terrain. Das bringt viele Herzen zum pochen, viele Augen zum funkeln. Die Macher verlassen sich aber nicht alleine darauf. Der Marketingstrategen Zielrichtung fokussiert art as art can und liefert folgerichtig Ausstellung zu Ausstellung, Musik zum Schmuckdesign.

Auch anno Zwanzigvierzehn annonciert Swarovski nun das eigene Kammermusikfestival „Musik im Riesen“ als lebendige Klangwelt in den auch phantastischen firmeneigenen Räumlichkeiten der unterschiedlichsten Charakteristika. Kuratiert wird die Festwoche von Thomas Larcher, Festivalgründer, Kurator, Festspielleiter, Pianist, Dozent, neuerdings Dirigent und länger schon Komponist.

Wie sieht er sein eigenes Arbeiten einhundert Jahre nach dem Start der Atonalität, im Gefolge der Intellektualisierung und Politisierung musikalischer Ästhetik, im Zeitalter der Emanzipation eines jeglichen Geräuschs als Fundament musikalischer Konzeptionen?

Larcher: Warten Sie einen Moment, zu dieser Frage schreib´ ich gleich mal ein Buch...in zehn Jahren ist es fertig, da steht dann alles drin!

Loeckle: Hat sich das Publikum an melodienferne Musik gewöhnt?

Larcher: Ja, leider!

Loeckle: Lässt sich, weniger von Europa ausgehend denn von Asien und von den USA, fragen, ob das Pendel des Komponierens neuerdings eher in Richtung neuer Tonalitäten ausschlägt?

Larcher: Pendel kommen doch häufig bei der Wahrsagerin vor … dort verhält es sich dann ungefähr so wie bei Ligetis einhundert Metronomen: die verschiedenen Pendel schlagen aus und irgendwann hören sie auf zu schlagen … meine Tante hat mir das erzählt, sie war dort (nein, nicht bei Ligeti … bei der Wahrsagerin!)

Boulez setzte seine Hoffnung (und setzt sie vielleicht noch immer) in eine Entwicklung, dass sich das Gehör der Menschen immer weiter verfeinern würde, dass die Menschheit lernen würde, immer noch differenzierter zu hören. Neulich, beim Hören von „Leider Geil“, kam mir die Frage in den Sinn, ob diese Entwicklung denn schon begonnen habe … oder ob ich vielleicht der einzige Hörer sei, der die neuen Feinheiten, die uns jetzt schon länger umgeben, einfach nicht hören kann. Wie auch immer: das Wort „Tonalitäten“ hat etwas Weites, Ungebundenes. Das gefällt mir!

Loeckle: Die Festspiellandschaft in Tirol ist ja ziemlich facettenreich. Vom populistischen Schlager-Event im Hochgebirge, so nach dem Motto „Näher mein Gott bei Dir“ über die ambitionierten Angebote mit Alter Musik etwa in Innsbruck bis zu den Klangspuren in Schwaz. Auch die knüpfen nach nun ja immerhin zwei Jahrzehnten ihres Bestehens und auch als Larcher-Kind erfolgreich im avantgardistischen Anspruch Netzwerke zwischen ländlicher Bevölkerung und den Besuchern aus den Agglomerationen München, Wien, Basel, Bozen. Sind sich da zwei Konkurrenten, Wattens nämlich und Schwaz etwa lästig? Oder ergeben sich gerade aus der geographischen Nähe Synergien?

Larcher: Die Konzepte der Klangspuren und des kleinen Festivals „Musik im Riesen“ sind gänzlich verschieden. „Musik im Riesen“ will in keiner Weise ein „großes“ Festival sein, sieht sich also nicht als eine wie auch immer geartete Konkurrenz zu den Klangspuren oder zu anderen Festivals in dieser Region. Ich programmiere bei „Musik im Riesen“ fast ausschließlich Kammermusik, die ich selber gerne hören würde. Der Begriff der Kammermusik wird dabei recht weit gefasst und geht zum Beispiel heuer von einem Kammerorchesterkonzert mit der Camerata Salzburg, Louis Langrée und Matthias Goerne bis hin zum Vokalensemble Vox Luminis.

Meine größte Freude an diesem Festival ist es, meine musikalischen Freunde und Weggefährten wiederzusehen, ihre musikalischen Wege zu begleiten und das ein oder andere Projekt zu ermöglichen. Darum geht es mir und nicht darum, dem Festival „Bedeutung“ oder „Wichtigkeit“ zu geben. Solches hat schon immer und verlässlich jede Kreativität und jede authentische Begeisterung zu ersticken vermocht!

Loeckle: Was charakterisiert die aufsteigende Programmlinie vom 5. Mai 2014 weg bis zum Muttertag hin?

Larcher: Der Muttertag stellt natürlich einen absoluten Höhepunkt des Jahreslaufs für jeden artigen Sohn dar! Du sollst die Muuutter ehren, das hat ja schon Herodot gesagt. Und vor ihm schon Plinius! Und was würde sich als Blumenstrauß besser eignen als ein Liederzyklus von Harry Birtwistle. Und dann noch dazu Till Fellner am Klavier mit dabei! Auch Oma wird entzückt sein! Ja, und vorher gibt es eben auch noch ein paar Konzertlein.

Loeckle: Wie lässt sich die Larchersche Dramaturgie charakterisieren?

Larcher: Ich denke, darüber habe ich schon oben etwas gesagt, ich bin noch immer auf der Suche nach Musik, die zeit-und stilübergreifend zu uns sprechen kann. Heutige Musik kann ein Versuch sein, unsere Zeit umfassend begreifen zu lernen, Musik aus anderen Epochen kann ein vielleicht noch nie wahrgenommenes Licht auf unsere Zeit werfen …

Loeckle: Was ist wichtiger: Der Kurator oder die Kunst?

Larcher: Kunst kommt von Kurator, das sagt der neue Duden!
Loeckle: Also, der Blick auf das Angebotene in den Swarovski-Klangwelten macht richtig Lust, zumal auf neue Musik. Nein. Auf Musik. Ganz einfach. Auf einen guten Jahrgang 2014 also. Und danke für das Gespräch.

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